VwGH Ra 2018/19/0199

VwGHRa 2018/19/019924.5.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens und die Hofräte Mag. Eder sowie Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, in der Revisionssache des A S N, vertreten durch Mag. Christian Hirsch, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Hauptplatz 28, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Februar 2018, Zl. W218 2119433-1/7E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
EMRK Art8;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018190199.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 28. Oktober 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er führte dazu aus, dass er aus einer gut situierten Familie stamme. Sein Vater sei unter anderem auch als Offizier tätig gewesen. Im Jahr 2013 seien der Revisionswerber und einige seine Brüder mit dem Auto angehalten worden. Einer der Brüder sei entführt und anschließend getötet worden. Zudem habe der Vater einen Drohanruf erhalten. Der Revisionswerber habe sich zunächst mit seinen Brüdern nach Pakistan begeben. In der Folge seien auf Wunsch des Vaters zunächst zwei seiner Brüder und anschließend der Revisionswerber mit einem weiteren Bruder nach Österreich geflohen, wo ein Cousin des Vaters lebe.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag des Revisionswerbers mit Bescheid vom 4. Dezember 2015 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab. Es erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Das Bundesverwaltungsgericht wies die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis vom 26. Februar 2018 ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vor, das Bundesverwaltungsgericht habe nicht ausreichend begründet, warum es dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers keinen Glauben schenke. Zudem habe es fälschlich angenommen, dass der Revisionswerber in seiner Heimat über "Besitztümer" (gemeint wohl: im Verfahren erwähnte Grundstücke und Häuser) verfüge, und daraus unrichtige Schlüsse über die Möglichkeit eines Fortkommens im Fall seiner Rückkehr gezogen. Außerdem hätte dem Revisionswerber angesichts seiner "Verankerung" in Österreich ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG erteilt werden müssen. Dazu fehle im Übrigen auch einheitliche Rechtsprechung. Weiters wird auf die massive Verschlechterung der Sicherheitslage in Afghanistan verwiesen. Das Bundesverwaltungsgericht habe in diesem Zusammenhang den "Bericht der UNO vom Februar 2018" und "zahlreiche Publikationen in den Print-Medien" nicht berücksichtigt. Anderenfalls hätte es zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass eine Abschiebung nach Kabul derzeit nicht zulässig sei. Schließlich wird ausgeführt, dass die bisherige Judikatur des Bundesverwaltungsgerichtes von einem mangelhaften Gutachten zur Situation in Afghanistan geprägt sei und sich daher als weitgehend verfehlt erweise, weshalb die Revision auch aus diesem Grund zulässig sei.

6 Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Die Beweiswürdigung ist damit nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges (nicht aber die konkrete Richtigkeit) handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0051, mwN).

7 Entgegen dem Revisionsvorbringen hat sich das Bundesverwaltungsgericht damit auseinandergesetzt, inwieweit das Vorbringen des Revisionswerbers mit jenem seiner Brüder übereinstimmt. Es führte dazu in seiner Begründung aus, dass die teilweise wortidenten Ausführungen der Asylwerber sowie der gleiche Aufbau bzw. die gleiche Strukturierung ihrer Fluchtgeschichte gerade nicht für die Schilderung eines tatsächlich erlebten Vorfalls, sondern für die Wiedergabe einer einstudierten Geschichte spreche. Zudem berücksichtigte das Bundesverwaltungsgericht das persönliche Auftreten der Asylwerber in der mündlichen Verhandlung und den Umstand, dass die Aussagen bei genauerem Nachfragen voneinander abwichen und vage gehalten waren. Außerdem sei das Vorbringen auch in zentralen Punkten nicht plausibel gewesen.

8 Dass diese auf den Einzelfall Bedacht nehmende Beweiswürdigung an einer vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmenden Mangelhaftigkeit leide, ist nicht ersichtlich. Auch wird in der Revision nicht dargetan, inwiefern die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre.

9 Ähnlich verhält es sich mit der behaupteten unrichtigen Feststellung des Vorliegens von "Besitztümern" im Herkunftsstaat des Revisionswerbers. Das Bundesverwaltungsgericht hat dem Vorbringen, wonach sich der Onkel des Revisionswerbers den Familienbesitz unrechtmäßig angeeignet hätte, nachvollziehbar die Glaubwürdigkeit abgesprochen. Dem wird in der Revision nicht entgegen getreten. Im Übrigen ist angesichts der umfassenden Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts, die bei der Prüfung der Möglichkeit einer Rückkehr nicht substantiell auf das Vorhandensein von "Besitztümern" abstellen, nicht ersichtlich, inwiefern der gerügte Verfahrensmangel relevant sein könnte (vgl. zum Erfordernis der Relevanzdarstellung etwa VwGH 1.3.2018, Ra 2017/19/0263, mwN).

10 Auch den Ausführungen zur Nichtberücksichtigung der genannten Berichte mangelt es an der geforderten Relevanzdarlegung, weil die Revision weder ausführt, um welche Berichte es sich handelt, noch welche konkreten Auswirkungen die Berücksichtigung dieser Berichte auf den gegenständlichen Fall hätte.

11 Sofern die Revision die Erwägungen in Zusammenhang mit der nach Art. 8 EMRK geforderten Interessenabwägung bemängelt, ist dem zu entgegnen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist (vgl. etwa VwGH 22.2.2017, Ra 2017/19/0043).

12 Wenn der Revisionswerber in diesem Zusammenhang rügt, es bestehe keine einheitliche Rechtsprechung und dabei auf die Dauer seines Aufenthalts (etwa vier Jahre) und konkret ihn betreffende Umstände (Besuch der Handelsakademie, soziale Kontakte, im Zeitpunkt der Flucht und Einreise minderjährig, Sprachkenntnisse) verweist, verkennt er, dass es sich dabei um einzelne im Rahmen der Gesamtbetrachtung des Einzelfalls zu berücksichtigende Umstände handelt. Dass hier eine unvertretbare Gewichtung der widerstreitenden Interessen erfolgt und das Bundesverwaltungsgericht somit von den in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien abgewichen wäre, wird in der Revision nicht aufgezeigt. Überdies erfolgt auch in Zusammenhang mit der Frage der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung keine ausreichende Relevanzdarlegung des behaupteten Verfahrensmangels.

13 Die Rüge des mangelhaften Gutachtens ist schon deshalb nicht aufzugreifen, weil dieses keinen Eingang in das bekämpfte Erkenntnis gefunden hat. Zur Lösung abstrakter Rechtsfrage ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berufen (VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0474, mwN).

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 24. Mai 2018

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