VwGH Ra 2018/19/0039

VwGHRa 2018/19/00391.3.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens und die Hofrätin Mag. Rossmeisel sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Samonig, in der Revisionssache des 1. H K, und der 2. F R, beide vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/15, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes vom

1) 6. Dezember 2017, W123 2151266-1/13E, und 2) 7. Dezember 2017, W123 2151267-1/13E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018190039.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerber, ein afghanisches Ehepaar, stellten am 23. Oktober 2015 Anträge auf internationalen Schutz. Begründend brachte der Erstrevisionswerber im Wesentlichen eine drohende Zwangsrekrutierung durch nichtstaatliche Akteure vor, während sich die Zweitrevisionswerberin zusätzlich auf eine drohende Verfolgung aufgrund ihrer "westlichen Orientierung" stützte.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diese Anträge mit Bescheiden vom 24. Februar 2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten und des Status der subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ jeweils eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung der Revisionswerber nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

3 Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnissen vom 6. Dezember 2017 (hinsichtlich des Erstrevisionswerbers) und 7. Dezember 2017 (hinsichtlich der Zweitrevisionswerberin) als unbegründet abgewiesen und die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Zur Zulässigkeit bringen die Revisionswerber ein Abweichen von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur tatsächlichen oder unterstellten politischen Gesinnung im Zusammenhang mit Zwangsrekrutierungen (hinsichtlich des Erstrevisionswerbers) und von der Rechtsprechung zur "westlichen Orientierung" (hinsichtlich der Zweitrevisionswerberin) vor.

8 Zunächst wird ausgeführt, dem Bundesverwaltungsgericht sei ein Begründungsmangel unterlaufen, weil es nicht ermittelt habe, mit welchen Konsequenzen der Erstrevisionswerber bei einer (weiteren) Weigerung der Unterstützung der Taliban rechnen müsse. Zwar sei nicht die Zwangsrekrutierung durch eine Bürgerkriegspartei an sich asylrelevant, eine durch die Unterstützungsverweigerung unterstellte politische Gesinnung könne jedoch sehr wohl asylrelevant sein.

9 Ausgangspunkt der Prüfung, ob eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegt, ist der festgestellte Sachverhalt. Entfernt sich der Revisionswerber bei der Zulässigkeitsbegründung von diesem, kann schon deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegen (vgl. VwGH 20.9.2017, Ra 2017/19/0276, mwN). Das Bundesverwaltungsgericht hat sich mit dem Fluchtvorbringen des Erstrevisionswerbers mit einer nicht als unschlüssig zu erkennenden Beweiswürdigung auseinandergesetzt und dessen Glaubwürdigkeit mit näherer Begründung verneint. Mit ihrem Vorbringen entfernen sich die Revisionswerber insofern vom festgestellten Sachverhalt, als sie verkennen, dass das Bundesverwaltungsgericht schon nicht vom Vorliegen einer (versuchten) Zwangsrekrutierung durch die Taliban ausgeht, weshalb sich weitere Ermittlungen oder Feststellungen zu etwaigen - insofern hypothetischen - Auswirkungen einer Weigerung erübrigen.

10 Auch mit dem Vorbringen, das Bundesverwaltungsgericht hätte keine ausreichenden Feststellungen zur Beurteilung der "westlichen Orientierung" der Zweitrevisionswerberin getroffen, wird eine solche Rechtsfrage in der Qualität des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht dargelegt:

11 Das Bundesverwaltungsgericht hat das Vorliegen der Gefahr einer auf dem behaupteten "westlich orientierten Lebensstils" beruhenden Verfolgung fallbezogen nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung verneint. Es wurde unter Berücksichtigung des persönlichen Auftretens und des gesamten Vorbringens der Zweitrevisionswerberin ausführlich dargelegt, warum das Bundesverwaltungsgericht nicht von der Annahme eines "westlich" orientierten Lebensstils durch die Zweitrevisionswerberin ausgeht. Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht sowohl für als auch gegen das Vorliegen einer "westlichen Orientierung" sprechende Beweisergebnisse berücksichtigt. Zudem ist es insbesondere auf die bisherige und aktuelle Lebensführung und Lebensumstände, die Veränderung des Kleidungsstils und das Auftreten der Zweitrevisionswerberin eingegangen. Auch auf die Äußerungen der Zweitrevisionswerberin in Zusammenhang mit dem von ihr an den Tag gelegten Verhalten und die konkrete Ausgestaltung ihrer aktuellen Lebensweise wurde ausreichend Bedacht genommen.

12 Die Revision entfernt sich in ihrem Vorbringen zum Teil von den Feststellungen, ohne aufzuzeigen, dass die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts an einer vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmenden Fehlerhaftigkeit leiden würde. Da das Bundesverwaltungsgericht nachvollziehbar davon ausgeht, dass sich die Zweitrevisionswerberin keine "westliche Lebensweise" angeeignet hat, erübrigen sich auch hier weitere Feststellungen.

13 Die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Nicht-Gewährung von subsidiärem Schutz wurden in der Revision nicht aufgegriffen.

14 In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 1. März 2018

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