VwGH Ra 2018/17/0092

VwGHRa 2018/17/009226.9.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner, Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, Mag. Liebhart-Mutzl sowie Dr. Koprivnikar als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Baumann, über die Revision des Bundesministers für Finanzen in 1010 Wien, Johannesgasse 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 11. Jänner 2018, LVwG-412411/2/KH, betreffend Betriebsschließung nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Oberösterreich; mitbeteiligte Partei: C KG, vertreten durch Dr. Fabian Alexander Maschke, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dominikanerbastei 17/Top 11), zu Recht erkannt:

Normen

GSpG 1989 §52;
GSpG 1989 §53;
GSpG 1989 §56a;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018170092.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Im Zuge einer am 21. Juni 2017 erfolgten Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz (GSpG) wurden in einem Lokal der mitbeteiligten Partei fünf Glücksspielgeräte vorläufig beschlagnahmt.

2 Mit Schreiben vom 20. Juli 2017 drohte die belangte Behörde der mitbeteiligten Partei die behördliche Schließung dieses Lokals nach § 56a GSpG an.

3 Bei einer weiteren Kontrolle am 24. Juli 2017 in demselben Lokal wurden zwei weitere Glücksspielgeräte vorläufig beschlagnahmt und mündlich die behördliche Betriebsschließung nach § 56a GSpG verfügt.

4 Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 7. August 2017 wurde die Schließung des Lokals gemäß § 56a GSpG mit Wirkung ab 24. Juli 2017 bestätigt.

5 Mit Bescheiden vom 17. bzw. 18. August 2017 bestätigte die Landespolizeidirektion Oberösterreich die genannten Beschlagnahmen.

6 Mit Erkenntnissen vom 5. bzw. 15. Dezember 2017 hob das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) diese Beschlagnahmebescheide mit der Begründung auf, das GSpG erweise sich als unionsrechtswidrig. Gegen diese Entscheidungen erhob der Bundesminister für Finanzen jeweils außerordentliche Revision (protokolliert zu den hg. Zlen. Ra 2018/17/0022, Ra 2018/17/0023, Ra 2018/17/0024 und Ra 2018/17/0077).

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das LVwG der gegen den Betriebsschließungsbescheid erhobenen Beschwerde - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - statt, hob den bekämpften Bescheid auf und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

8 Begründend führte das LVwG im Wesentlichen aus, dass sämtliche Beschlagnahmebescheide, die im Zusammenhang mit den in dem Lokal durchgeführten Kontrollen stünden und die die Entscheidungsgrundlage für die verfügte Betriebsschließung gewesen seien, mittlerweile vom LVwG (Anm.: durch einen anderen Richter) aufgehoben worden seien. Die in den aufhebenden Erkenntnissen des LVwG vertretene Rechtsmeinung müsse "nicht zwangsläufig mit jener im gegenständlichen Verfahren vertretenen korrelieren" - eine diesbezügliche Beurteilung habe im vorliegenden Verfahren nicht zu erfolgen. Durch die Aufhebung dieser Bescheide fehle es am gemäß § 56a GSpG notwendigen begründeten Verdacht der Veranstaltung illegaler Glücksspiele im Rahmen der betrieblichen Tätigkeit der mitbeteiligten Partei sowie der begründeten Annahme einer Fortsetzungsgefahr.

9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Amtsrevision des Bundesministers für Finanzen mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes in eventu wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte Kostenersatz.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10 § 53 Abs. 1 GSpG, BGBl. Nr. 620/1989, lautet in der geltenden Fassung:

"§ 53. (1) Die Behörde kann die Beschlagnahme der

Glücksspielautomaten, der sonstigen Eingriffsgegenstände und der

technischen Hilfsmittel anordnen, und zwar sowohl wenn der Verfall

als auch wenn die Einziehung vorgesehen ist, wenn

1. der Verdacht besteht, dass

a) mit Glücksspielautomaten oder sonstigen

Eingriffsgegenständen, mit denen in das Glücksspielmonopol des

Bundes eingegriffen wird, fortgesetzt gegen eine oder mehrere

Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird, oder

b) durch die Verwendung technischer Hilfsmittel gegen § 52

Abs. 1 Z 7 verstoßen wird oder

2. fortgesetzt oder wiederholt mit Glücksspielautomaten

oder sonstigen Eingriffsgegenständen gemäß Z 1 lit. a gegen eine

oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird oder

3. fortgesetzt oder wiederholt durch die Verwendung

technischer Hilfsmittel gegen § 52 Abs. 1 Z 7 verstoßen wird."

§ 56a Abs. 1 GSpG lautet in der geltenden Fassung:

"§ 56a. (1) Besteht der begründete Verdacht, daß im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit Glücksspiele entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes veranstaltet oder durchgeführt werden, und ist mit Grund anzunehmen, daß eine Gefahr der Fortsetzung besteht, so kann die Behörde ohne vorausgegangenes Verfahren, aber nicht ohne vorher zur Einstellung der entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes veranstalteten oder durchgeführten Glücksspiele aufgefordert zu haben, an Ort und Stelle die gänzliche oder teilweise Schließung des Betriebes verfügen. Von einer Betriebsschließung ist Abstand zu nehmen, wenn eine weitere Gefährdung der Interessen des Glücksspielmonopols durch andere geeignete Vorkehrungen, wie die Stillegung von Einrichtungen, Beschlagnahmen oder sonstige Maßnahmen, mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann."

11 Die Amtsrevision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, es gebe noch keine Rechtsprechung zur Frage, ob das Beschlagnahme- und das Betriebsschließungsverfahren nach dem GSpG "hinsichtlich der Prüfung der Tatbestandsmerkmale zueinander in einer rechtlichen Bedingtheit" stünden. Das LVwG habe jedenfalls die Rechtslage verkannt, indem es im vorliegenden Verfahren nicht die Tatbestandsvoraussetzungen einer Betriebsschließung nach § 56a GSpG geprüft habe, sondern in den Entscheidungsgründen lediglich auf andere (hinsichtlich desselben Betriebes geführte) Verfahren nach § 53 GSpG verwiesen habe.

12 Die Revision erweist sich mit diesem Vorbringen als zulässig und berechtigt:

13 Bei Beantwortung der hier gegenständlichen Rechtsfrage ist zu beachten, dass die Beschlagnahme und die Betriebsschließung von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängig sind:

14 Eingriffsgegenstände und technische Hilfsmittel dürfen gemäß § 53 GSpG nur dann von der Behörde beschlagnahmt werden, wenn mit diesen fortgesetzt oder wiederholt gegen § 52 Abs. 1 GSpG verstoßen wird oder zumindest der Verdacht eines solchen (fortgesetzten) Verstoßes besteht.

15 Eine Betriebsschließung nach § 56a GSpG ist hingegen dann zulässig, wenn der begründete Verdacht besteht, dass im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit Glücksspiele "entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes" veranstaltet bzw. durchgeführt werden. Überdies muss die Behörde Grund zur Annahme haben, dass die Gefahr besteht, dass trotz behördlicher Aufforderung, das Spielen zu unterlassen, weiterhin gespielt werden wird. Sie setzt - anders als die Beschlagnahme nach § 53 GSpG - nicht den wiederholten bzw. fortgesetzten Verstoß gegen § 52 Abs. 1 GSpG bzw. den Verdacht eines solchen voraus.

16 Aus dem Wortlaut der §§ 53 und 56a GSpG ergibt sich somit bereits, dass sowohl die Behörden als auch die Verwaltungsgerichte das Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen für die Beschlagnahme bzw. die Betriebsschließung selbständig zu prüfen haben. Bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die Verfügung einer Betriebsschließung vorliegen, kommt es nicht darauf an, ob im Hinblick auf den zu schließenden Betrieb bereits Beschlagnahme- oder Strafbescheide erlassen worden sind.

17 Daraus ergibt sich aber, dass Bescheide über im Zuge einer Betriebsschließung allenfalls erfolgte Beschlagnahmen keinesfalls Bindungswirkung im Hinblick auf die Zulässigkeit dieser Betriebsschließung entfalten. Eine Aufhebung von solchen Bescheiden vermag daher noch nicht zu bewirken, dass damit auch die Betriebsschließung rechtswidrig würde. Dasselbe gilt aber auch für den umgekehrten Fall: Auch eine allenfalls durch Zeitablauf beendete Betriebsschließung bewirkt noch nicht, dass im Zusammenhang mit der Betriebsschließung ergangene Beschlagnahmebescheide rechtsunwirksam oder rechtswidrig würden.

18 Dass die belangte Behörde aus anderen Gründen zu Unrecht von einem Verdacht der rechtswidrigen Durchführung von Glücksspielen oder der Gefahr der Fortsetzung dieser Glücksspiele ausgegangen wäre und daher den Betriebsschließungsbescheid nicht hätte erlassen dürfen, wurde vom LVwG nicht dargelegt und ist auch für den Verwaltungsgerichtshof nicht ersichtlich.

19 Indem das LVwG in Verkennung der Rechtslage die Aufhebung des Betriebsschließungsbescheides ausschließlich auf den Umstand gestützt hatte, dass Bescheide über Beschlagnahmen von in dem Lokal vorgefundenen Eingriffsgegenständen aufgehoben worden waren, hat sie ihre Entscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

20 Das angefochtene Erkenntnis war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

21 Der mitbeteiligten Partei steht bei diesem Ergebnis gemäß § 47 Abs. 3 VwGG kein Anspruch auf Kostenersatz zu.

Wien, am 26. September 2018

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