Normen
12010E056 AEUV Art56;
GSpG 1989 §3;
GSpG 1989 §53 Abs1 Z1 lita;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGVG 2014 §44 Abs2;
VwGVG 2014 §44 Abs4;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018170017.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit an die mitbeteiligte Partei gerichtetem Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 1. September 2017 wurde gemäß § 53 Abs. 1 Z 1 lit. a Glücksspielgesetz (GSpG) die Beschlagnahme zweier näher bezeichneter Glücksspielgeräte angeordnet.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hob das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) diesen Beschlagnahmebescheid gemäß § 50 VwGVG auf und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
3 Begründend traf das LVwG zur Beurteilung der Vereinbarkeit von Regelungen des Glücksspielgesetzes mit Art. 56 AEUV ausführliche Feststellungen und gelangte nach umfangreicher Auseinandersetzung mit der vorgebrachten Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielgesetzes in rechtlicher Beurteilung zum Ergebnis, dass das in den §§ 3 ff GSpG normierte System des Glücksspielmonopols deshalb in Art. 56 AEUV keine Deckung finde und somit dem Unionsrecht widerspreche, weil es nicht auf einem durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) anerkannten zwingenden Grund des Allgemeininteresses - wie etwa dem Spielerschutz und der Suchtvorbeugung oder der Kriminalitätsbekämpfung - basiere, sondern primär der Sicherung einer verlässlich kalkulierbaren Quote an Staatseinnahmen diene. Darüber hinaus seien die konkrete Ausgestaltung des Monopolsystems und die den staatlichen Behörden zur Abwehr von Beeinträchtigungen dieses Monopols gesetzlich übertragenen Eingriffsermächtigungen insbesondere mangels der gänzlich fehlenden Notwendigkeit einer vorhergehenden richterlichen Ermächtigung jeweils unverhältnismäßig.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Amtsrevision des Bundesministers für Finanzen. Die mitbeteiligte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5 Die vorliegende Revision erweist sich als zulässig, weil das angefochtene Erkenntnis sowohl zur Frage der Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielgesetzes als auch zur Frage der Verhandlungspflicht gemäß § 44 VwGVG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Sie ist auch berechtigt.
6 Der Revisionsfall gleicht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht in den entscheidungswesentlichen Punkten jenem, der vom Verwaltungsgerichtshof mit hg. Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, entschieden wurde. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses verwiesen. Im Erkenntnis vom 16. März 2016 hat der Verwaltungsgerichtshof, nach der vom EuGH geforderten Gesamtwürdigung der Umstände, unter denen die Dienstleistungsfreiheit beschränkende Bestimmungen des Glücksspielgesetzes erlassen worden sind und unter denen sie durchgeführt werden, eine Unionsrechtswidrigkeit der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes nicht erkannt. Dieser Rechtsansicht hat sich der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Oktober 2016, E 945/2016-24, E 947/2016-23, E 1054/2016-19, angeschlossen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Rechtsprechung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten.
7 Eine Unionsrechtswidrigkeit von Bestimmungen des Glücksspielgesetzes ist ausgehend von den Verfahrensergebnissen im Revisionsfall nicht zu erkennen.
8 Das LVwG hat bereits in dieser Rechtsfrage die Rechtslage verkannt und das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
9 Weiters hat das LVwG im vorliegenden Fall keine mündliche Verhandlung durchgeführt und dies im angefochtenen Erkenntnis auch nicht begründet.
10 Zur Rechtsfrage der Verhandlungspflicht gleicht der Revisionsfall in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht in den entscheidungswesentlichen Punkten jenem, der vom Verwaltungsgerichtshof mit hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2018, Ra 2017/17/0703, entschieden wurde. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses (Rn. 13 bis 21) verwiesen. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof eine Verletzung der Verhandlungspflicht gemäß dem im Hinblick auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung in einem Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden § 44 VwGVG bejaht, weil nicht alle Verfahrensparteien auf die Durchführung der Verhandlung verzichtet haben, nachdem die mitbeteiligte Partei in ihrer Beschwerde eine solche beantragt hatte und auch die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gemäß § 44 Abs. 2 bzw. Abs. 4 VwGVG nicht vorlagen.
11 Indem das LVwG auch im vorliegenden Fall die Durchführung einer Verhandlung ohne Vorliegen der Voraussetzungen für ein Absehen davon unterlassen hat, hat es das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG auch mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.
12 Das angefochtene Erkenntnis war somit wegen prävalierender Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 18. Juli 2018
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