VwGH Ra 2018/16/0142

VwGHRa 2018/16/014222.10.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., in der Revisionssache der Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 19. Juli 2018, Zl. LVwG 46.24-38/2018-6, betreffend Feststellung nach § 10 des Altlastensanierungsgesetzes (mitbeteiligte Partei: W T Ges.m.bH. in O, vertreten durch die Onz Onz Kraemmer Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16; weitere Partei: der Bund, vertreten durch das Zollamt Graz), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §28 Abs3;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018160142.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Bund, vertreten durch das Zollamt Graz, stellte mit Schriftsatz vom 15. April 2016 einen Antrag an die revisionswerbende Bezirkshauptmannschaft (Revisionswerberin) auf Feststellung nach § 10 Abs. 1 des Altlastensanierungsgesetzes, welchen er mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2017 dahingehend abänderte, dass festgestellt werden möge:

"a) ob das zugekaufte und eigene Abraummaterial Abfall

darstellt, ob die Rückverfüllung dieses Materials ab dem

1. Quartal 2012 bis dato in die Grundstücke Nr. 807 und 812, EZ ....., KG ..... und Grundstück Nr. 304/3, EZ ....., KG ..... dem Altlastenbeitrag unterliegt, ob dies in zulässiger Weise erfolgte bzw. ob eine beitragspflichtige Tätigkeit vorliegt, sowie welche Abfallkategorie gemäß § 6 Abs. 1 in Anwendung zu bringen ist und welche Deponieklasse gemäß § 6 Abs. 4 AlSAG vorliegt.

b) ob der Filterkuchen aus der Wäsche von

Recyclingmaterial, eigenem Abraummaterial und Kiesmaterial aus der eigenen Produktion ab dem 1. Quartal 2013 bis dato Abfall darstellt, ob das Einbringen des Filterkuchens aus der Wäsche von Recyclingmaterial, eigenem Abraummaterial und Kiesmaterial aus der eigenen Produktion ab dem 1. Quartal 2013 auf den Grundstücken Nr. 807 und Nr. 812, EZ ....., KG ..... und Grundstück Nr. 304/3, EZ ....., KG ..... dem Altlastenbeitrag unterliegt, ob dies in zulässiger Weise erfolgte bzw. ob eine beitragspflichtige Tätigkeit vorliegt, sowie welche Abfallkategorie gemäß § 6 Abs. 1 in Anwendung zu bringen ist und welche Deponieklasse gemäß § 6 Abs. 4 AlSAG vorliegt.

c) ob der Filterkuchen aus der Wäsche von ¿zugeführtem Schottermaterial' bzw. ¿Abraummaterial' bzw. ¿Rohmaterial' aus dem Bergbauunternehmen M. GmbH & Co KG, (Anschrift), Abfall darstellt, ob die Rückverfüllung dieses Materials ab dem 2. Quartal 2014 bis dato in die Grundstücke Nr. 807 und Nr. 812, EZ ....., KH'G ..... und Grundstück Nr. 304/3, EZ ....., KG ..... dem Altlastenbeitrag unterliegt, ob dies in zulässiger Weise erfolgte bzw. ob eine beitragspflichtige Tätigkeit vorliegt, sowie welche Abfallkategorie gemäß § 6 Abs. 1 in Anwendung zu bringen ist und welche Deponieklasse gemäß § 6 Abs. 4 AlSAG vorliegt."

2 Die Revisionswerberin entschied über diesen Antrag mit Bescheid vom 1. Dezember 2017 wie folgt:

"Die Frage a) wird zurückgewiesen

Die Fragen b) und c) werden dahingehend beantwortet, dass der Filterkuchen aus der Nasskiesaufbereitungsanlage der W. GmbH, Werk G..., Abfall darstellt und zwar unabhängig von der Herkunft des Ausgangsrohstoffes. Dieser Filterkuchen ist hinsichtlich des Beitrages unter den Tatbestand des § 6 Abs. 1 . 1 a) sowie § 6 Abs. 4 Z1 Fall 2 (EUR 9,20 je angefangene Tonne) ALSAG einzuordnen.

Die Ablagerung des Filterkuchens auf dem Grundstück 807, KG ....., erfolgt in zulässiger Weise jedoch ist die Ablagerung beitragspflichtig vom 1. Jänner 2013 bis dato."

3 Die mitbeteiligte GesmbH (Mitbeteiligte) erhob mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2017 Beschwerde gegen diesen Bescheid insoweit, als sie sich nicht gegen den ersten Satz des Spruchs des bekämpften Bescheides (womit die Frage a) zurückgewiesen wurde) richtet.

4 Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Landesverwaltungsgericht Steiermark den bekämpften Bescheid im angefochtenen Umfang auf, verwies die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides zurück und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

5 Der belangte Behörde sei ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsansicht, es lägen keine bergbaulichen Abfälle im Sinn des § 1 Z 27 MinroG vor, Ermittlungsmängel anzulasten. So sei etwa die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Bergbauwesen unterblieben, dessen Gutachten zur Frage der Einstufung der antragsgegenständlichen Ausgangsmaterialien und zur Unmittelbarkeit der Aufbereitung dieser Materialien einen entscheidungswesentlichen Beitrag zur Klärung des Sachverhaltes leisten könne. Der von der belangten Behörde nur rudimentär festgestellte Sachverhalt lasse nicht entnehmen, dass überhaupt Filterkuchen (aus der Nasskiesaufbereitung) anfalle, weil eine nähere Darstellung der Aufbereitung der - auch nicht näher definierten - Materialien unterlassen worden sei und lediglich eine Trennung des "Materials" in Grob- und Feinkorn festgestellt werde, wobei das Feinkorn zur Rückverfüllung in den Bergbaubetrieb nach B. verbracht werde. Der Konnex des geographischen Ortes B. mit den antragsgegenständlichen Grundstücken, welche in den Gemeinden G. bzw. F. gelegen seien, erschließe sich für das Landesverwaltungsgericht nicht. Nach näheren Ausführungen, weshalb der in Rede stehende Filterkuchen als bergbaulicher Abfall im Sinn des § 1 Z 27 MinroG darstelle, führte das Landesverwaltungsgericht aus, ausgehend von der irrigen Rechtsansicht, es könne die bei der Aufbereitung mineralischer Rohstoffe außerhalb eines Bergbaubetriebes anfallenden Rückstände nicht als bergbauliche Abfälle im Sinn des § 1 Z 27 MinroG angesehen werden, habe es die belangte Behörde unterlassen, nähere Ermittlungen zur Frage der Einstufung der Filterkuchen, differenziert nach den einzelnen Herkunftsmaterialien anzustellen, wie sie im Feststellungsantrag zu entnehmen seien, und daraus die notwendigen Feststellungen zu treffen. Für das Landesverwaltungsgericht ergebe sich, dass die belangte Behörde ausgehend von einer unrichtigen Rechtsansicht nur ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt und bloß ansatzweise den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt habe. Im fortzusetzenden Verfahren werde es notwendig sein, die Stoffströme getrennt dem Antrag entsprechend zu betrachten. So könne aus den bisherigen Ermittlungsergebnissen nicht nachvollzogen werden, ob etwa die im Antrag des Zollamtes angesprochenen Recyclingmaterialien als Baurestmassen aufzufassen seien, die über die gewerberechtlich genehmigte Nasskiesaufbereitungsanlage mit Filterpresse behandelt werden und deren Filterkuchen sodann entsprechend dem gewerberechtlichen Abfallwirtschaftskonzept "ordnungsgemäß entsorgt" (und nicht etwa zur Verfüllung von Hohlräumen verwendet) werde. Die belangte Behörde werde - dem modifizierten Feststellungsantrag entsprechend - eine nach Herkunftsmaterialien und Zeiträumen differenzierte Betrachtung bei den ergänzenden Ermittlungen an den Tag legen zu müssen.

6 Die dagegen erhobene außerordentliche Revision legte das Landesverwaltungsgericht unter Anschluss von Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

7 Gemäß § 28 Abs. 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

8 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 9 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

10 Liegen die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 erster Satz leg. cit. in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen.

11 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063) stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeiten unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde etwa schwierige Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.

12 Gemäß Art. 133 Abs. 4 und 9 B-VG ist gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

14 Die Revisionswerberin trägt zur Zulässigkeit ihrer Revision im Ergebnis vor, der angefochtene Beschluss weiche von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. 3 VwGVG ab, wonach eine Aufhebung und Zurückverweisung nur bei krassen oder besonders gravierenden Ermittlungslücken in Betracht komme, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen habe, wenn sie lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt habe oder bloß ansatzweise ermittelt habe.

15 Die Ermittlungen zur Feststellungen des maßgeblichen Sachverhaltes würden sich im Revisionsfall nicht auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens beschränken. Die Revisionswerberin habe näher angeführte Ermittlungen durchgeführt. Es könne daher nicht davon gesprochen werden, dass jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen worden wäre sowie dass die vorgenommenen Ermittlungen zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes völlig ungeeignet oder dieser bloß ansatzweise ermittelt worden wäre.

16 Damit vernachlässigt die Revisionswerberin, dass das Landesverwaltungsgericht durchgeführte Ermittlungen der Revisionswerberin durchaus einräumt, jedoch wesentliche Ermittlungen zur Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes vermisst, die aus einer von der Revisionswerberin nicht geteilten Rechtsansicht des Landesverwaltungsgerichtes heraus unterlassen worden seien.

17 Mit der oben wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Beschlusses zu den Ermittlungen, die nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes erforderlich seien, weil die Revisionswerberin nur ansatzweise Ermittlungen gepflogen und die vermissten Ermittlungen für nicht notwendig erachtet habe, ist das Landesverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen. Es stellt daher keine unvertretbare Rechtsansicht dar, wenn das Verwaltungsgericht in der konkreten Konstellation die Möglichkeit für eine Aufhebung des Bescheides und die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG als gegeben erachtete (vgl. auch VwGH 30.3.2017, Ra 2014/08/0050).

18 Die Revisionswerberin führt aus, sie gehe nach wie vor davon aus, dass keine Tatfragen gegeben seien, die durch einen Sachverständigen zu beantworten wären. Sie habe im aufgehobenen Bescheid die entscheidungswesentliche Rechtsansicht vertreten, dass das in Rede stehende Material jedenfalls Abfall nach allgemeinem Abfallrecht darstelle. Welche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG sich dabei jedoch für das Landesverwaltungsgericht stellen sollte, das von einer anderen Rechtsansicht als die Revisionswerberin ausgegangen und damit zum Vorwurf sekundärer Verfahrensfehler (Ermittlungsdefizite der Revisionswerberin) gelangt ist, formuliert die Revisionswerberin nicht.

19 Schließlich trägt die Revisionswerberin vor, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens vom Landesverwaltungsgericht rascher und mit einer erheblichen Kostenersparnis hätte vorgenommen werden können, weil ihr keinerlei Sachverständige auf dem Gebiet des Abfallrechts oder Bergrechts zugeteilt seien, diese aus einem Pool des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung zu rekrutieren seien und der Dienstort dieser Abteilung wie der Sitz des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark in Graz gelegen sei. Schon durch die räumliche Nähe des Verwaltungsgerichtes zu den in Frage kommenden Amtssachverständigen ergäbe eine Beschleunigung des Verfahrens. Dabei vernachlässigt die Revisionswerberin, dass dieser räumlichen Nähe die räumliche Nähe der Revisionswerberin zum Sitz der Mitbeteiligten und zu den in Rede stehenden Grundstücken gegenübersteht.

20 Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof auch schon ausgesprochen, dass die Frage, ob das Verwaltungsgericht die Rechtsprechung für ein Vorgehen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG angesichts der einzelfallbezogenen Verfahrenskonstellation in jeder Hinsicht korrekt angewendet hat, keine grundsätzliche Rechtsfrage darstellt (vgl. abermals VwGH 30.3.2017, Ra 2014/08/0050).

21 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 22. Oktober 2018

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