Normen
EStG 1988 §124b Z53;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018150086.L00
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Nach den Sachverhaltsannahmen des Bundesfinanzgerichts war der im Jahr 1977 geborene Mitbeteiligte im Streitjahr Grenzgänger; seine Arbeitgeberin war die C AG in der Schweiz. Im Laufe des Streitjahres erklärte der Mitbeteiligte seinen Austritt und verließ die Schweiz als Arbeitsort. Von der beruflichen Vorsorgeeinrichtung wurde dem Mitbeteiligten die Austrittsabrechnung erstellt. Der überobligatorische Betrag von 45.113,05 CHF wurde abzüglich der Quellensteuer in Höhe von
2.740 CHF am 7. Oktober 2016 auf das inländische Konto des Mitbeteiligten überwiesen; die Quellensteuer wurde dem Mitbeteiligten über seinen Antrag später rückerstattet. Die Freizügigkeitsleistung gemäß dem schweizerischen BVG in Höhe von 69.632,70 CHF wurde von der Personalfürsorgestiftung an eine Freizügigkeitsstiftung in der Schweiz überwiesen.
2 Der Mitbeteiligte beantragte für die als Einmalbetrag ausbezahlte Austrittsleistung in Höhe von 45.113,05 CHF die Steuerfreistellung zu einem Drittel gemäß § 124b Z 53 EStG 1988.
3 Das Finanzamt besteuerte diesen Betrag zur Gänze (ohne Berücksichtigung eines beantragten steuerfreien Drittels) und begründet dies im Wesentlichen damit, bei Vorliegen eines (hier gegebenen) Wahlrechts sei eine begünstigungsfähige Pensionsabfindung zu verneinen. Im Rahmen des Verfahrens vor dem Bundesfinanzgericht machte das Finanzamt ergänzend geltend, eine begünstigungsfähige Pensionsabfindung liege auch deswegen nicht vor, weil es sich um eine Abfindung vor Entstehung des Anspruches auf Ruhegehälter handle.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde des Mitbeteiligten gegen den Bescheid des Finanzamts Folge und änderte den Bescheid betreffend Einkommensteuer 2016 ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Begründend führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, der Mitbeteiligte habe zum Zeitpunkt seines Ausscheidens das ordentliche Rentenalter nicht erreicht gehabt. Der überobligatorische Teil seiner Freizügigkeitsleistung sei ihm anlässlich seines Ausscheidens durch die berufliche Pensionskasse kapitalisiert ausbezahlt worden. Der Mitbeteiligte habe im Streitjahr nicht über einen auf Renten lautenden Pensionsanspruch verfügt. Es sei ihm aber aufgrund Art. 5 Z 1 schweizerisches Freizügigkeitsgesetz das Recht auf Barauszahlung der Austrittsleistung zugestanden. Der Mitbeteiligte habe somit im Streitjahr kein Wahlrecht zwischen Rente und Kapital, sondern nur das Recht auf Barauszahlung seiner Austrittsleistung gehabt. Es liege eine begünstigungsfähige Pensionsabfindung vor (Hinweis auf VwGH 19.4.2018, Ra 2016/15/0025, mwH). Ein Drittel der Pensionskassenauszahlung sei sohin als steuerfrei zu behandeln.
6 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Finanzamts.
7 Zur Zulässigkeit wird in der Revision geltend gemacht, zum Begriff der "Pensionsabfindung" bestünden unterschiedliche Definitionen: eine aus der älteren Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes mit der Voraussetzung, dass es sich um die Abgeltung eines auf Renten lautenden, bereits entstandenen Anspruches handeln müsse und nicht um die Abgeltung einer bloßen Pensionsanwartschaft (z.B. VwGH 31.5.2006, 2003/13/0139); eine vom Bundesfinanzgericht als solche erachtete, die auf einer neuen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beruhe (z.B. VwGH 19.4.2007, 2005/15/0010); sowie eine aus der vom Bundesfinanzgericht angeführten Verwaltungspraxis zu § 67 Abs. 8 lit. e iVm § 67 Abs. 6 EStG 1988 (Hinweis auf LStR 2002 Rz 1110b). Bei der im vorliegenden Fall als Einmalbetrag ausbezahlten Austrittsleistung aus der beruflichen Vorsorgeeinrichtung handle es sich unstrittig nicht um die Abgeltung eines auf Renten lautenden, bereits entstandenen Anspruches, sondern um die Abgeltung einer bloßen Anwartschaft. Strittig sei, ob ein derartiger Einmalbetrag in der vorliegenden Konstellation eine Pensionsabfindung gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 sei. Diese Frage sei noch nicht behandelt worden oder es lägen Unterschiede in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet. 9 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Beschluss vom 19. April 2018, Ra 2016/15/0025, der ebenfalls eine Person betroffen hat, die zunächst in der Schweiz beschäftigt war und sodann in Österreich eine nichtselbständige Tätigkeit aufgenommen hat, dargelegt hat, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, dass eine Besteuerung eines "Altersguthabens", das im Zusammenhang mit dem "endgültigen Verlassen der Schweiz" ausbezahlt wird, als Pensionsabfindung iSd § 124b Z 53 EStG 1988 nicht als rechtswidrig erachtet wird (vgl. VwGH 19.4.2007, 2005/15/0010; 19.12.2007, 2006/15/0258). Der vorliegende Revisionsfall gleicht in den wesentlichen Sachverhaltselementen den mit dem Erkenntnis vom 19. April 2007 und dem Beschluss vom 19. April 2018 entschiedenen Fällen auch insoweit, als es sich jeweils um Personen handelte, die nach Beendigung der Tätigkeit in der Schweiz (und dem endgültigen Verlassen der Schweiz) in Österreich eine Beschäftigung aufnahmen. Auch jenen Fällen lag daher zugrunde, dass vor Eintritt des Versorgungsfalles das Versorgungsverhältnis mit der beruflichen Pensionskasse des bisherigen Dienstgebers durch Dienstaustritt beendet wurde. Die Austrittsleistung wurde jeweils als Pensionsabfindung beurteilt.
10 Die Bestimmung des § 124b Z 53 Satz 3 EStG 1988 wurde mit Bundesgesetz BGBl. I Nr. 54/2002 eingefügt. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (927 BlgNR 21. GP 2) wurde hiezu ausgeführt:
"Ausländische gesetzliche Regelungen bzw. die darauf beruhenden Statuten der ausländischen Pensionskassen sehen vielfach Pensionsabfindungen vor. Eine Übertragung des abzufindenden Barwertes in eine inländischen Pensionskasse ist nicht möglich. Diese Problematik trifft insbesondere Grenzgänger, die in diesen Fällen keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung haben. Es wäre daher unbillig, Pensionsabfindungen in diesen Fällen zur Gänze tarifmäßig zu versteuern."
11 Zweck dieser Bestimmung ist es also, eine tarifmäßige Besteuerung von Pensionsabfindungen zu vermeiden, wenn keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme dieser Abfindung besteht.
12 Dass im vorliegenden Fall ein Wahlrecht zwischen Rente und Kapital nicht bestand, wurde vom Bundesfinanzgericht angenommen und wird in der Revision auch nicht in Frage gestellt. Insbesondere wird auch in der Revision - anders als noch in der Beschwerdevorentscheidung - nicht behauptet, dass (betreffend den hier zu beurteilenden überobligatorischen Anspruch) der Vorsorgeschutz in der Schweiz mit späterem Rentenanspruch hätte aufrecht erhalten werden können. Hätte ein derartiger Vorsorgeschutz mit späterem Rentenanspruch aufrecht erhalten werden können, wäre eine dennoch erfolgte Kapitalabfindung als begünstigungsschädlich zu beurteilen.
13 Demnach bestand also im vorliegenden Fall für den Mitbeteiligten keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme einer Abfindung, wobei allfällige, nicht absehbare Änderungen in späteren Jahren (etwa die Wiederaufnahme einer Tätigkeit in der Schweiz) in die Beurteilung des Streitjahres nicht einzubeziehen sind.
14 Es ist davon auszugehen, dass es gerade (auch) die Abfindung von Pensionsanwartschaften ist, die der Gesetzgeber mit dieser Bestimmung begünstigen will. Ein Auslegungsergebnis, das die Abfindung von Pensionsanwartschaften von der Sonderregelung des § 124b Z 53 Satz 3 EStG 1988 ausnehmen würde, würde - wie das Bundesfinanzgericht zutreffend erkannt hat - bewirken, dass dieser Bestimmung im Allgemeinen kein Anwendungsbereich bliebe, was jedenfalls im Zweifel nicht anzunehmen ist. Wäre nämlich ein Anspruch auf Rentenzahlung (zumindest wirtschaftlich; vgl. hiezu VwGH 3.11.2005, 2004/15/0014) bereits entstanden, so wird eine Abfindung regelmäßig nicht auf einer gesetzlichen oder statutenmäßigen Regelung beruhen, also gerade nicht der Fall vorliegen, dass der Abgabepflichtige keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung hat.
15 Da der Inhalt der Revision sohin erkennen lässt, dass die vom Revisionswerber behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Revision gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 22. November 2018
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)