Normen
B-VG Art133 Abs4;
UStG 1994 §2;
UStG 1994 §22 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018130079.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Im vorliegenden Fall hat der in einem Ort an der Grenze zu Ungarn lebende und in Österreich als Nebenerwerbslandwirt zunächst nur einen kleinen Obstgarten bewirtschaftende Revisionswerber in den Streitjahren in größerem Umfang landwirtschaftliche Produkte von einer ungarischen Kapitalgesellschaft (Kft) bezogen, die er zu diesem Zweck mitgegründet hatte und deren Geschäftsführer er war. Die ungarische Kapitalgesellschaft (und nicht, wie zunächst angegeben, der Revisionswerber) pachtete grenznahe Flächen in Ungarn, erzeugte auf diesen landwirtschaftliche Produkte, kaufte auch solche Produkte in Ungarn zu und veräußerte sowohl selbst erwirtschaftete als auch zugekaufte Erzeugnisse an den Revisionswerber, der sie aus dem damaligen Drittland Ungarn nach Österreich brachte und hier weiterverkaufte.
5 Strittig war zunächst die vom Revisionswerber in Anspruch genommene Befreiung von Eingangsabgaben für Erzeugnisse, die auf Grundstücken in einem Drittland in unmittelbarer Nähe des Zollgebietes der Gemeinschaft von Landwirten erwirtschaftet werden, die ihren Betriebssitz im Zollgebiet der Gemeinschaft in unmittelbarer Nähe des betreffenden Drittlands haben, gemäß Art. 39 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 des Rates vom 28. März 1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen (ZBefrVO). Mit Erkenntnis vom 28. Juni 2012, 2009/16/0076 bis 0078, hob der Verwaltungsgerichtshof dazu ergangene und vom Revisionswerber bekämpfte Berufungsbescheide des unabhängigen Finanzsenates mangels eindeutiger Feststellungen zum Sachverhalt wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Der unabhängige Finanzsenat hatte einerseits angenommen, die Erzeugnisse seien von der ungarischen Kapitalgesellschaft und nicht vom Revisionswerber erwirtschaftet worden, weshalb ihm die Steuerbefreiung nicht zustehe, und andererseits die ihm von der ungarischen Kapitalgesellschaft gelegten Rechnungen als "Scheinfakturen" gewertet, weil der Revisionswerber auf andere, nicht näher festgestellte Weise Eigentümer der Erzeugnisse geworden sei.
6 Im fortgesetzten Verfahren vertrat der unabhängige Finanzsenat in Entscheidungen vom 3. April 2013 die Ansicht, die Geschäfte seien keine Scheingeschäfte gewesen. Der Umstand, dass sich der Revisionswerber "zur Bewirtschaftung der Ackerflächen in Ungarn der von ihm gegründeten Kft bediente", stehe der Inanspruchnahme der Befreiung aber nicht entgegen, weshalb nur für die zugekauften Erzeugnisse Eingangsabgaben zu entrichten seien. Der unabhängige Finanzsenat stützte sich dabei auf das vom Revisionswerber ins Treffen geführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juni 2005, 2004/16/0127, VwSlg 8034/F, das aber einen Fall betraf, in dem ein österreichischer Landwirt von ihm selbst gepachtete oder in seinem Eigentum stehende Flächen in Ungarn unter Inanspruchnahme der Leistungen einer ungarischen Kapitalgesellschaft bewirtschaftet hatte.
7 Gegen die Entscheidungen im zweiten Rechtsgang erhob der Revisionswerber - betreffend die nunmehr noch strittigen Zukäufe - erneut Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof. Die Behandlung dieser Beschwerden lehnte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 17. März 2016, 2013/16/0118 bis 0119, ab, weil sie sich im Wesentlichen nur gegen die Beweiswürdigung richteten.
8 Zur im vorliegenden Verfahren strittigen umsatzsteuerlichen Würdigung der Inlandsumsätze aus dem Weiterverkauf der aus Ungarn importierten Erzeugnisse vertritt der Revisionswerber - gestützt auf die Ansicht des unabhängigen Finanzsenates betreffend die Eingangsabgaben im zweiten Rechtsgang - den Standpunkt, seine Landwirtschaft in Österreich und die Bewirtschaftung der von der ungarischen Kapitalgesellschaft in Ungarn gepachteten Flächen stellten einen einheitlichen Betrieb des Revisionswerbers dar. Es sei daher richtig gewesen, dass er "als pauschalierter Landwirt in den Streitjahren 1996 bis 2002 Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, ebenso auch aus zugepachteten Flächen in Ungarn" erklärt habe. Auf die strittigen Umsätze, die er als pauschalierter Landwirt erzielt habe, sei § 22 Abs. 1 UStG 1994 über die Besteuerung der Umsätze bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben anzuwenden.
9 Das Finanzamt und das Bundesfinanzgericht folgten dem nicht und sahen den Revisionswerber in Bezug auf sämtliche ihm von der ungarischen Kapitalgesellschaft verkauften und von ihm in Österreich weiterverkauften Erzeugnisse als (umsatzsteuerrechtlich eigenständigen) Händler an (keine Unternehmereinheit). Das Bundesfinanzgericht stützte sich dabei im angefochtenen Erkenntnis mit umfangreichen Judikaturnachweisen auf das Trennungsprinzip betreffend Kapitalgesellschaften und deren Gesellschafter und auf die Maßgeblichkeit des Außenverhältnisses im Umsatzsteuerrecht. Die vom unabhängigen Finanzsenat zur ZBefrVO vertretene Rechtsansicht wäre selbst im Falle ihres Zutreffens nicht auf das Umsatzsteuerrecht übertragbar.
10 Eine Revision gegen seine Entscheidung erklärte das Bundesfinanzgericht im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Trennungsprinzip für nicht zulässig.
11 Der Revisionswerber hält dem im Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision (§ 28 Abs. 3 VwGG) entgegen, es fehle eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, "inwieweit von Landwirten nach Art. 39 Abs. 1 ZBefrVO in das Gemeinschaftsgebiet eingangsabgabenfrei eingeführte Waren umsatz- und ertragssteuerrechtlich zu beurteilen sind, wenn bei der Bewirtschaftung und Einfuhr eine Kapitalgesellschaft des Landwirtes beteiligt ist, an der der Landwirt alleiniger geschäftsführender Gesellschafter ist".
12 Fallbezogen wird dazu - nach allgemeinen Ausführungen zur "Unternehmenseinheit" im Umsatzsteuerrecht - im Zulässigkeitsvorbringen dargelegt:
"Im vorliegenden Fall habe ich als Landwirt zum Zwecke der Bewirtschaftung der Grundflächen in Ungarn und zum Zwecke der Verbringung der dort erzeugten Waren nach Österreich eine ungarische Kapitalgesellschaft gegründet, an der ich als geschäftsführender Gesellschafter zu 100% beteiligt war. Wirtschaftlich gesehen erfolgte von mir als Landwirt eine Bewirtschaftung der Flächen über eine von mir organisierte, geleitete und gelenkte ungarische Kapitalgesellschaft. Es liegt gegenständlich eine von mir planmäßig im Interesse der Landwirtschaft gewollte Verbindung mit der von mir in Ungarn gegründeten Kft vor. Dies rechtfertigt auch eine einheitliche Beurteilung verschiedenartiger Betätigungen. Es wurde mir deshalb auch als Landwirt der Gemeinschaft Eingangsabgabenfreiheit im Sinne der ZBefrVO gewährt.
Es ist rechtlich nicht vertretbar, gegenständlich auf der einen Seite meine Tätigkeit und Leistungen einheitlich als (pauschalierter) Landwirt der Gemeinschaft zu qualifizieren und mir Abgabenfreiheit nach der ZBefrVO zu gewähren, steuerrechtlich diese Tätigkeit jedoch funktionell zu trennen und mich auf der anderen Seite als Handelsbetrieb mit der Verpflichtung zur Entrichtung von Umsatzsteuer zu qualifizieren.
Dies gilt umso mehr, wo gegenständlich ja auch bereits der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Einfuhrumsatzsteuer (Zollverfahren) entschieden hat - und darin (nur) den in Ungarn getätigten Zukauf als Bemessungsgrundlage für die Einfuhrumsatzsteuer herangezogen hat. Es kommt durch die gegenständliche - von mir bekämpfte - Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes somit zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten zusätzlichen Steuerbelastung, der seine landwirtschaftlichen Produkte über eine ihm ebenso gehörende Kapitalgesellschaft ausführte (sic). Dieser Vorgang habe aus wirtschaftlicher (sic). Die Einfuhrumsatzsteuer ist Bestandteil des Mehrwertsteuersystems (§ 5 UStG). Es ist nicht zulässig, dass ich von der Behörde (Zollamt) als Landwirt davon befreit werde, auf der anderen Seite jedoch vom Finanzamt für steuerpflichtig angesehen und mit einer Umsatzsteuer belastet werde.
Geht man ungeachtet dessen vorliegenden Falles von dem vom Bundesfinanzgericht angezogenen Trennungsprinzip zwischen Kft und mir aus, wäre jedenfalls auch die Einfuhrumsatzsteuer von der gesamten eingeführten Menge zu berechnen gewesen, wie dies auch ursprünglich das Hauptzollamt im Zollverfahren gemacht hat. Dieser Beurteilung ist allerdings der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 28.6.2012, Zl. 2009/16/0076 bis 0078 im Zollverfahren entgegengetreten.
Aus wirtschaftlicher Betrachtungsweise fand meine gesamte Betätigung - trotz ‚Dazwischen-Schaltung' einer von mir gegründeten ungarischen Kapitalgesellschaft - im Rahmen eines einheitlichen landwirtschaftlichen Betriebes statt, für den die Ermittlung des Gewinns aus Landwirtschaft nach Durchschnittsätzen gilt. Zwischen meinen Unternehmen als Landwirt und der ungarischen Kapitalgesellschaft bestand sowohl eine enge zivilrechtliche Verknüpfung als auch ein objektiver enger sachlicher Zusammenhang, sodass in rechtlicher Hinsicht von einem einheitlichen Betrieb im Sinne des § 2 Abs. 1 leg. cit. auszugehen ist.
Im vorliegenden Fall wurden einheitliche Leistungen erbracht, meine Tätigkeitsbereiche sind nicht ohne weiteres voneinander zu trennen. Sie bilden eine funktionelle Einheit. Die Bewirtschaftung erfolgte über eine ungarische juristische Person, hinter welcher ich rechtlich und wirtschaftlich stehe. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung liegt ein einheitlicher landwirtschaftlich pauschalierter Betrieb vor.
Es hat auch in steuerrechtlicher Hinsicht zu gelten, dass ein wirtschaftlicher, finanzieller und organisatorischer Zusammenhang gegeben ist. Die Gründung von ungarischen Kft's war eine zur damaligen Zeit vollkommen übliche Vorgangsweise und ein unter Landwirten durchaus gängiges Verfahren.
In umsatzsteuerlicher Hinsicht ist gegenständlich daher von einem einheitlichen Unternehmen, und nicht von einem vom Bundesfinanzgericht geltenden (sic) Trennungsprinzip auszugehen. Das Trennungsprinzip kommt entgegen der Rechtsansicht des Bundesfinanzgerichtes unter den gegebenen Umständen bei einer Einfuhr von landwirtschaftlichen Produkten nach der ZBefrVO, wo sich ein Landwirt zur Bewirtschaftung der Ackerflächen im Drittland und der Ausfuhr seiner dort produzierten Feldfrüchte einer von ihm gegründeten Kft bedient, nicht zur Anwendung.
Die Entscheidung ist von der Lösung dieser Rechtsfrage, inwieweit von Landwirten nach Art. 39 Abs. 1 ZBefrVO in das Gemeinschaftsgebiet eingangsabgabenfrei eingeführte Waren umsatz- und ertragssteuerrechtlich zu beurteilen sind, wenn bei der Bewirtschaftung und Einfuhr eine Kapitalgesellschaft des Landwirtes beteiligt ist, an der der Landwirt alleiniger geschäftsführender Gesellschafter ist, abhängig.
Hier kommt zur (sic) Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit bzw. Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zu, und zwar schon deshalb, weil die belangte Behörde und das erkennende Gericht mit dem von mir bekämpften Bescheid/Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist bzw. diese fehlt oder bis dato uneinheitlich gelöst wurde."
13 Diesem Vorbringen ist zunächst entgegenzuhalten, dass die im Zollverfahren im zweiten Rechtsgang erlassenen Berufungsbescheide des unabhängigen Finanzsenates vom 3. April 2013 sich bei der Zuerkennung der Befreiung für die nicht zugekauften Erzeugnisse auf eine Rechtsansicht stützten, die weder im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Juni 2012, 2009/16/0076 bis 0078, vorgegeben worden war noch mit dem Ablehnungsbeschluss vom 17. März 2016, 2013/16/0018 bis 0019, bestätigt wurde und auch nicht Deckung in dem vom unabhängigen Finanzsenat dazu zitierten Erkenntnis vom 2. Juni 2005, 2004/16/0127, VwSlg 8034/F, fand. In diesem Erkenntnis war es um die - im Fall des Revisionswerbers nach Klärung des Sachverhalts nicht mehr relevante - Rechtsfrage gegangen, ob ein Landwirt von ihm selbst gepachtete oder in seinem Eigentum stehende Flächen im Drittland durch eigene unmittelbare Tätigkeit, mit denselben Maschinen wie auf seinen inländischen landwirtschaftlichen Flächen oder durch den Einsatz österreichischer Arbeitskräfte zu bewirtschaften habe, um die Voraussetzungen für die Befreiung von den Eingangsabgaben zu erfüllen.
14 Ob die Berufungsbescheide vom 3. April 2013 insoweit, als dem Revisionswerber die Befreiung zuerkannt wurde, dennoch richtig waren, kann auf sich beruhen, weil die Befreiung von den Eingangsabgaben nicht verfahrensgegenständlich ist. Für die hier zu treffende Entscheidung über die Umsatzsteuer hinsichtlich der Waren, die vom Revisionswerber in Österreich verkauft wurden, hat sich das Bundesfinanzgericht auf eine Vielzahl von Nachweisen aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gestützt, auf die der Revisionswerber bei der Behauptung, von "einem (...) Trennungsprinzip" sei "gegenständlich (...) nicht auszugehen", nicht eingeht.
15 Mit seinen Bezugnahmen auf ein "einheitliches Unternehmen" und einen "einheitlichen landwirtschaftlichen Betrieb" setzt der Revisionswerber - wie schon im angefochtenen Erkenntnis erwähnt - eine Unternehmereinheit zwischen ihm als pauschaliertem Landwirt und einer (hier: ausländischen) Kapitalgesellschaft voraus. Die Frage, ob eine solche Unternehmereinheit mit einer Kapitalgesellschaft im Umsatzsteuerrecht bejaht werden kann, wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit dem Erkenntnis vom 12. Oktober 1967, 18/67, ÖStZB 1968, 27, auch für den vom Revisionswerber in Anspruch genommenen Fall einer Einmanngesellschaft (dessen durchgehendes Vorliegen im Revisionsfall strittig ist) verneint und bedarf - mangels abweichender Auffassungen in der Folgejudikatur - keiner Klärung mehr (vgl. näher Ruppe/Achatz, UStG5, § 2 Tz 130 bis 133).
16 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 21. November 2018
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