VwGH Ra 2018/08/0172

VwGHRa 2018/08/017214.11.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revisionen 1. des C V in E und 2. der Ö GmbH in Wien, beide vertreten durch Mag. Judith Morgenstern, Rechtsanwältin in 1090 Wien, Berggasse 7/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30. März 2018, Zl. W229 2004562- 1/10E, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Niederösterreich; mitbeteiligte Parteien: 1. Niederösterreichische Gebietskrankenkasse in 3100 St. Pölten, Kremser Landstraße 3,

2. Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 3. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1201 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65-67; weitere Partei: Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1151;
ArbVG §34 Abs1;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §4 Abs4;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018080172.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Revisionswerbern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 10. Oktober 2011 hat die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse festgestellt, dass der Erstrevisionswerber auf Grund seiner Tätigkeit als Fahrsicherheitsinstruktor für die Zweitrevisionswerberin vom 1. September 1994 bis 25. Februar 2010 und vom 16. Mai 2010 bis laufend als Dienstnehmer gemäß § 4 Abs. 2 ASVG der Voll- (Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherung unterliegt. Die revisionswerbenden Parteien erhoben Einspruch. Mit den Bescheiden vom 24. August 2012 hat die belangte Behörde diesen Einsprüchen keine Folge gegeben. Gegen diese Bescheide erhoben die Revisionswerber Berufungen an die nunmehr weitere Partei. Diese waren im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht als Beschwerden zu behandeln. Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht diese Beschwerden gegen die Bescheide vom 24. August 2012 als unbegründet abgewiesen und ausgesprochen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist.

2 Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass die zweitrevisionswerbende Partei im Hinblick auf die gesetzlich vorgesehene Mehrphasenausbildung (§§ 4a ff Führerscheingesetz - FSG) Fahrsicherheitstrainings anbiete, deren Inhalte sich aus § 13b Abs. 2 FSG-DV ergäben und "wofür sie gem. § 108a KFG über das erforderliche Personal verfügen muss". Darüber hinaus biete die zweitrevisionswerbende Partei sonstige Trainingskurse (Veranstaltungen, Kundenpräsentationen) betreffend die Fahrtechnik an.

3 Der Personalleiter der zweitrevisionswerbenden Partei und der Erstrevisionswerber hätten (im Jahr 1994) mündlich vereinbart, dass dieser nach Aufträgen der zweitrevisionswerbenden Partei diese Trainingskurse durchführe. Vor Aufnahme seiner Tätigkeit für die zweitrevisionswerbende Partei habe der Erstrevisionswerber über einen Zeitraum von ungefähr zwei bis drei Monaten an den Wochenenden eine Ausbildung als "Fahrsicherheitsinstruktor" absolviert. Lerninhalte seien u.a. die Bedienung der Bewässerungssysteme und der Schleuderplatte auf der Fahrstrecke, der grobe Aufbau eines Fahrsicherheitstrainings und Methoden zur Vermittlung der Trainingsinhalte gewesen. Die dafür notwendigen Kosten seien zunächst von der zweitrevisionswerbenden Partei bezahlt und mit den ersten Honoraren des Erstrevisionswerbers gegenverrechnet worden. Die zweitrevisionswerbende Partei habe dem Erstrevisionswerber Vorgaben hinsichtlich der Bedienung der Übungspiste gemacht und habe ihn für die Bedienung der Schleuderplatte eingeschult. Sie habe ihm Weisungen erteilt, die gesetzlichen Bestimmungen über die Fahrsicherheitstrainings und die Sicherheitsbestimmungen der Geräte in den Fahrtechnik-Zentren einzuhalten. Darin seien Weisungen betreffend das Arbeitsverhalten zu sehen, weil dies sowohl Beschädigungen der genannten Geräte hintanhalten als auch der Unfallvermeidung dienen sollte.

4 Etwa ein bis zwei Wochen vor dem Beginn eines - von Kunden bei der zweitrevisionswerbenden Partei gebuchten - Kurses habe die zweitrevisionswerbende Partei mit dem Erstrevisionswerber Kontakt aufgenommen und ihn gefragt, ob er den Kurs übernehmen wolle. Der Erstrevisionswerber sei dabei über die vom Kunden gewünschte Kursform und die zeitlichen und örtlichen Rahmenbedingungen des Kurses informiert worden. Der Erstrevisionswerber habe entweder zu- oder abgesagt. Zugesagte Kurse habe er grundsätzlich zu halten gehabt. Er sei insofern in der Zeiteinteilung nicht frei gewesen. Die zweitrevisionswerbende Partei habe den Inhalt der Fahrsicherheitstrainings durch Vorgabe von Richtlinien bestimmt. Den Inhalt anderer Kurse habe sie durch grobe Vorgaben (z.B. welche Bremsübungen oder Ausweichübungen durchzuführen seien) bestimmt. Der Erstrevisionswerber habe die Kursart nicht ohne weiteres selbst bestimmen bzw. abändern dürfen. Eine solche Abänderung habe nur bei geänderten Kursinteressen oder bei Fehlbuchungen der Kunden vorgenommen werden können. Wenn ein Kunde für eine Buchung direkt an den Erstrevisionswerber herangetreten sei, habe er dies an die zweitrevisionswerbende Partei zur Auftragsabwicklung weitergeleitet. Der Erstrevisionswerber habe die Kurse nicht selbständig in Absprache mit dem Kunden verschieben können. Das von den Kunden gezahlte Entgelt sei ausschließlich an die zweitrevisionswerbende Partei geflossen.

5 Der Erstrevisionswerber habe sich - außer in den Fällen, in denen er persönlich von Kunden gewünscht worden sei - grundsätzlich von einer beliebigen, geeigneten Person vertreten lassen können (laut Einspruchsvorbringen sei dies im Jahr 2007 14 mal, 2008 20 mal, 2009 17 mal und 2010 21 mal der Fall gewesen). Die Vertreter hätten über die für ein Fahrsicherheitstraining erforderliche Ausbildung verfügen bzw. für die Abhaltung anderer Kurse geeignet sein müssen. Eine Vertretung sei der zweitrevisionswerbenden Partei gemeldet worden. Die Vertretung - darunter auch durch Personen, die bei der zweitrevisionswerbenden Partei beschäftigt gewesen seien - habe entweder der Erstrevisionswerber oder die zweitrevisionswerbende Partei organisiert. Im Fall einer Vertretung sei die Abrechnung des Honorars für die Instruktorentätigkeit direkt zwischen dem Vertreter und der zweitrevisionswerbenden Partei erfolgt.

6 Der Erstrevisionswerber sei vom 1. September 1994 bis zum 25. Februar 2010 und vom 16. Mai 2010 "bis laufend"- mit Unterbrechungen auf Grund von Krankenständen und Urlauben - als Fahrsicherheitsinstruktor bei der zweitrevisionswerbenden Partei tätig gewesen. Er habe dieser teilweise die Gründe für eine Verhinderung bekanntgegeben und auch längere Urlaube gemeldet. Von 2006 bis 2010 habe die zweitrevisionswerbende Partei eine regelmäßige Beauftragung des Erstrevisionswerbers gewünscht. Dem habe der Erstrevisionswerber zu einem Großteil entsprochen. Seine Tätigkeit habe je nach Auftragslage zwischen 25 und 35 Wochenstunden umfasst. Er sei im verfahrensrelevanten Zeitraum ausschließlich für die zweitrevisionswerbende Partei als Fahrsicherheitstrainer tätig gewesen. Er habe monatsweise Honorarnoten gelegt. Die Entlohnung sei grundsätzlich von der Kursart und von der Anzahl der übernommenen Aufträge abhängig gewesen. Sie sei über der Geringfügigkeitsgrenze gelegen. Es sei dem Erstrevisionswerber - auf Grund fehlender geeigneter Örtlichkeiten und finanzieller Mittel - nicht möglich gewesen, die Kurse selbst anzubieten.

7 Den Erstrevisionswerber als Fahrsicherheitstrainer treffe die gesetzliche Verpflichtung, Weiterbildungsseminare bzw. Schulungen zu besuchen. Die Kosten dafür trage die zweitrevisionswerbende Partei. (Aus dem zweitinstanzlichen Bescheid der belangten Behörde vom 24. August 2012 geht hervor, dass es sich um Nachschulungen handelte, die von der zweitrevisionswerbenden Partei vorgeschrieben wurden). Anders als der Erstrevisionswerber verfüge die zweitrevisionswerbende Partei über einen Ermächtigungsbescheid des Landeshauptmannes gemäß § 108a Abs. 1 KFG zur Durchführung von Fahrsicherheitstrainings.

8 Bei den Kursen der zweitrevisionswerbenden Partei habe der Erstrevisionswerber eine Instruktorenoberbekleidung der zweitrevisionswerbenden Partei getragen. Bei "Fremdveranstaltungen" habe der jeweilige Kunde (Autofirma) die Bekleidung für den Erstrevisionswerber zur Verfügung gestellt.

9 Als Arbeitsort seien grundsätzlich alle Fahrtechnik-Zentren der zweitrevisionswerbenden Partei (den Einsprüchen zu Folge neun) vereinbart worden. Zumindest bis zum 30. Oktober 2010 sei der Erstrevisionswerber auch tatsächlich in allen Fahrtechnik-Zentren der zweitrevisionswerbenden Partei - außer in M - tätig gewesen. (Aus dem am 21. Oktober 2010 beantworteten Fragebogen, dem erstinstanzlichen Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 10. Oktober 2011 und dem zweitinstanzlichen Bescheid der belangten Behörde vom 24. August 2012 geht hervor, dass der Erstrevisionswerber überwiegend im Fahrtechnik-Zentrum T zum Einsatz kam.) Die Fahrsicherheitstrainings im Rahmen des gesetzlichen Mehrphasentrainings hätten ausschließlich in den Fahrtechnik-Zentren der zweitrevisionswerbenden Partei stattgefunden.

10 Der Erstrevisionswerber habe keinen eigenen Schlüssel für die Fahrtechnik-Zentren gehabt. Er habe dort über keinen "eigenen Arbeitsplatz" verfügt.

11 Geländetrainings hätten entweder auf dem von Kunden (Autofirmen) bereitgestellten Gelände oder in Fahrtechnik-Zentren der zweitrevisionswerbenden Partei stattgefunden. Andere Kurse, wie beispielsweise Schneetrainings am Semmering, seien auf Flächen durchgeführt worden, die von der zweitrevisionswerbenden Partei in Erfahrung gebracht und in ihrem Auftrag präpariert worden seien. Für den praktischen Teil der Kurse habe für die Kunden die Möglichkeit bestanden, einen Pkw der zweitrevisionswerbenden Partei zu mieten. Diese habe auch spezielle Geräte wie Überschlagssimulatoren zur Verfügung gestellt. Die zweitrevisionswerbende Partei habe vom Erstrevisionswerber kein Entgelt für die Nutzung ihrer Betriebsmittel verlangt.

12 Der theoretische Teil der verschiedenen Kurse sei entweder in einem Schulungsraum der zweitrevisionswerbenden Partei (teilweise in Containern) oder bei den Kunden selbst abgehalten worden. Die Einteilung der zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten sei durch die zweitrevisionswerbende Partei erfolgt. Die zweitrevisionswerbende Partei habe in ihren Schulungsräumen die für die Präsentationen notwendigen Betriebsmittel (PC, Beamer) zur Verfügung gestellt. Zur Erstellung der Schulungsunterlagen habe der Erstrevisionswerber seinen eigenen PC verwendet.

13 Zu Beginn der Tätigkeit hätten die vom Erstrevisionswerber abgehaltenen Kurse einer "Quality Review" durch die zweitrevisionswerbende Partei unterlegen. (Aus dem am 28. April 2010 beantworteten Fragebogen ergibt sich im Zusammenhang mit der Frage, wie überprüft worden sei, ob der Erstrevisionswerber über die erforderlichen Kenntnisse verfügt habe, dass die "ersten Kurse" ab 1. September 1994 einer "Quality Review" unterzogen worden seien.) Später sei die Teilnehmerzufriedenheit durch anonymisierte Fragebögen ohne Nennen des Kursleiters im Internet abgefragt worden. (Den Einsprüchen und dem am 28. April 2010 beantworteten Fragebogen zu Folge sind Teilnehmerbefragungen per Internet durchgeführt, von externen Anbietern ausgewertet und der zweitrevisionswerbenden Partei in einer Form übermittelt worden, aus der weder die Identität eines Teilnehmers noch die Identität eines Instruktors ersichtlich gewesen sei. Wenn der Erstrevisionswerber gesetzliche Vorgaben oder Sicherheitsbestimmungen missachtet hätte, hätte er keine weiteren Aufträge erhalten. - Der zweitinstanzliche Bescheid der belangten Behörde vom 24. August 2012 enthält die Feststellung, dass die zweitrevisionswerbende Partei keine Kontrollen durchgeführt habe, jedoch auf Grund gesetzlicher Bestimmungen zu solchen verpflichtet gewesen wäre. - In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 28. Februar 2017 gab der Erstrevisionswerber an, er habe den Kunden am Ende eines Kurses aus eigenem Interesse gefragt, wie es ihm gefallen habe.)

14 In rechtlicher Hinsicht verneinte das Verwaltungsgericht zunächst das Vorliegen eines Werkvertrages, einer generellen Vertretungsbefugnis sowie eines "sanktionslosen Ablehnungsrechts".

15 Zur Abwägung im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG führte das Verwaltungsgericht aus, die vom Erstrevisionswerber gehaltenen Kurse seien in den Räumlichkeiten bzw. auf dem Gelände (Fahrtechnik-Zentren) der zweitrevisionswerbenden Partei bzw. auf den genannten präparierten Plätzen abgehalten worden. Abgesehen von Veranstaltungen, die auf dem Gelände der Kunden stattgefunden hätten, sei der Erstrevisionswerber auf Grund der nötigen Infrastruktur faktisch an die "Lokalitäten" der zweitrevisionswerbenden Partei gebunden gewesen. Auch jene Kurse, die direkt auf dem Kundengelände stattgefunden hätten, seien über die zweitrevisionswerbende Partei abgewickelt worden. Bezüglich der Benützung der Räumlichkeiten der zweitrevisionswerbenden Partei sei der Erstrevisionswerber insofern Ordnungsvorschriften unterlegen, als die Einteilung der zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten durch die zweitrevisionswerbende Partei erfolgt sei.

16 Hinsichtlich der Arbeitszeit sei der Erstrevisionswerber an die von der zweitrevisionswerbenden Partei mit den Kursteilnehmern vereinbarten Kurszeiten gebunden gewesen. Diese habe die Kurszeiten als "Weisung hinsichtlich des arbeitsbezogenen Verhaltens" festgelegt. Der Erstrevisionswerber habe darauf keinen Einfluss gehabt. Er habe lediglich vorgeschlagene Kurse ablehnen können. Er habe darüber nicht selbst disponieren können.

17 Der Erstrevisionswerber habe sich bei dem Inhalt des Kurses an die Vorgaben der zweitrevisionswerbenden Partei zu halten gehabt. Er sei als Fahrsicherheitsinstruktor für Mehrphasentrainings herangezogen worden, weil er die gesetzlich vorgegebene Ausbildung absolviert habe und in der Bedienung der Geräte unterwiesen worden sei. Die Kursinhalte seien grob vorgegeben gewesen, sodass sich insofern Weisungen erübrigt hätten. Auch für die sonstigen Kurse (von Privatkunden) seien die Inhalte grob vorgegeben gewesen. In Vorgesprächen zwischen der zweitrevisionswerbenden Partei und dem Kunden anlässlich der Buchung sei der gebuchte Kurs nach individuellen Wünschen gestaltet worden. Der Erstrevisionswerber habe - außer in den Fällen, in denen Kunden Fehlbuchungen vorgenommen hätten - selbst keine inhaltlichen Änderungen vornehmen können. Daraus ergebe sich "eine Gebundenheit an vorgegebene Inhalte".

18 Der Tätigkeit des Unterrichtens bzw. der Wissensvermittlung sei immanent, dass die Art und Weise der Wissensvermittlung von der jeweiligen Lehrperson bzw. dem Instruktor geprägt bzw. bestimmt sei. Wie der Erstrevisionswerber das Wissen an die Kursteilnehmer vermittelt habe, sei seiner Entscheidung und Einschätzung überlassen gewesen, insbesondere was die Gestaltung der Fahrstrecken und die Reihenfolge der Übungen betreffe. Die detaillierte Ausgestaltung der einzelnen Einheiten habe sich auch an den Bedürfnissen der Kunden orientiert.

19 In den Räumlichkeiten bzw. auf dem Trainingsgelände der zweitrevisionswerbenden Partei sei der Erstrevisionswerber Weisungen der zweitrevisionswerbenden Partei hinsichtlich der Sicherheitsvorschriften für die Bedienung der Geräte unterlegen.

20 Zwar hätten keine standardisierten Kontrollen in Form von Feedback-Bogen festgestellt werden können, jedoch seien die ersten Kurse des Erstrevisionswerbers einer "Quality Review" - also einer Qualitätskontrolle - unterzogen worden.

21 Der Erstrevisionswerber sei in den Betrieb der zweitrevisionswerbenden Partei "organisatorisch eingebunden" bzw. sei seine Tätigkeit "durch Richtlinien bzw. zum Teil auch durch gesetzliche Vorgaben determiniert" gewesen. Er sei - abgesehen von den gelegentlichen Kursen auf Kundengelände - an die Öffnungszeiten des Trainingsgeländes sowie an die Nutzungsverfügbarkeit des Trainingsgeländes innerhalb und außerhalb der Fahrtechnik-Zentren der zweitrevisionswerbenden Partei gebunden gewesen. Über die örtliche Gebundenheit und hinsichtlich der zeitlichen Einteilung ergebe sich "eine Einbindung in die Betriebsorganisation". Der Erstrevisionswerber sei auch dadurch in den Betrieb der zweitrevisionswerbenden Partei eingebunden gewesen, dass er bei der Ausübung seiner Tätigkeit eine Instruktorenbekleidung (der zweitrevisionswerbenden Partei) getragen habe.

22 In den Schulungsräumen seien die Betriebsmittel wie PC und Beamer von der zweitrevisionswerbenden Partei zur Verfügung gestellt worden. Der Erstrevisionswerber habe die Infrastruktur in den Schulungsräumlichkeiten benutzt. In der Verwendung des eigenen PCs zur Vorbereitung von Schulungsunterlagen könne lediglich ein geringfügiges Betriebsmittel erblickt werden.

23 Schließlich sei ins Treffen zu führen, dass der Erstrevisionswerber im maßgeblichen Zeitraum ausschließlich für die zweitrevisionswerbende Partei tätig gewesen sei, was neben der beträchtlichen Dauer der Tätigkeit ebenfalls für das Vorliegen einer persönlichen Abhängigkeit spreche.

24 Die Merkmale persönlicher Abhängigkeit würden gegenüber jenen der persönlichen Unabhängigkeit überwiegen.

25 Die Revision sei unzulässig, weil die Entscheidung nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche.

26 Gegen dieses Erkenntnis richten sich die Revisionen der Revisionswerber. Die erstmitbeteiligte Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Revisionen beantragt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

27 Die revisionswerbenden Parteien bringen zur Zulässigkeit der Revisionen vor, das Verwaltungsgericht habe die Abgrenzung zwischen "freiem" und "echtem" Dienstvertrag in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen und die durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätze verkannt. Die Festsetzung von Zeit und Ort einer Tätigkeit (der Durchführung der gebuchten Kurse), womit das Verwaltungsgericht die persönliche Abhängigkeit im Wesentlichen begründet habe, spreche nicht zwingend dafür, dass eine solche vorliegen würde. Eine Person sei nicht in die Betriebsorganisation eingebunden, wenn sich die Tätigkeit lediglich auf das Abhalten von Lehrgängen beschränken würde und die Wissensvermittlung im Rahmen der einzelnen Kurse allein durch den Vortragenden ausgestaltet werde. Die persönliche Abhängigkeit fehle, wenn - wie im gegenständlichen Fall - keine systematischen Kontrollen des arbeitsbezogenen Verhaltens durchgeführt worden seien. Da das Verwaltungsgericht die persönliche Weisungsunterworfenheit trotz fehlender Kontrollsysteme bejaht habe, sei es von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.

28 Die Revision ist zulässig und berechtigt.

29 Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird. Dienstnehmer im genannten Sinn sind auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen. Ob bei Erfüllung einer übernommenen Arbeitspflicht die Merkmale persönlicher Abhängigkeit einer Person vom Empfänger der Arbeit gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen und somit persönliche Abhängigkeit iSd § 4 Abs. 2 ASVG gegeben ist, hängt - im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem arbeitsrechtlichen Verständnis dieses Begriffes - davon ab, ob nach dem Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch die Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen einer Beschäftigung (zum Beispiel auf Grund eines freien Dienstvertrages iSd § 4 Abs. 1 Z 14 ASVG) - nur beschränkt ist. Die unterscheidungskräftigen Kriterien sind nur die Bindung des Beschäftigten an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse, während das Fehlen anderer (im Regelfall freilich auch vorliegender) Umstände (wie zum Beispiel die längere Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder ein das Arbeitsverfahren betreffendes Weisungsrecht des Empfängers der Arbeit) dann, wenn die unterscheidungskräftigen Kriterien kumulativ vorliegen, persönliche Abhängigkeit nicht ausschließt. Erlaubt im Einzelfall die konkrete Gestaltung der organisatorischen Gebundenheit des Beschäftigten in Bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten keine abschließende Beurteilung des Überwiegens der Merkmale persönlicher Abhängigkeit, so können im Rahmen der vorzunehmenden Beurteilung des Gesamtbildes der Beschäftigung auch diese an sich nicht unterscheidungskräftigen Nebenkriterien ebenso wie die Art des Entgelts und der Entgeltleistung (§ 49 ASVG), die an sich in der Regel wegen des gesonderten Tatbestandscharakters des Entgelts für die Dienstnehmereigenschaft nach § 4 Abs. 2 ASVG für das Vorliegen persönlicher Abhängigkeit nicht aussagekräftig sind, von maßgebender Bedeutung sein. Entscheidend ist, ob bei einer Gesamtbetrachtung nach der Methodik des beweglichen Systems die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung nach überwiegen (VwGH 31.7.2014, 2012/08/0253).

30 Für die Beurteilung, ob eine Erwerbstätigkeit in persönlicher Abhängigkeit ausgeübt wird, ist es von besonderer Aussagekraft, ob der Erwerbstätige in einen Betrieb mit einer vom Dienstgeber determinierten Ablauforganisation in einer Weise eingebunden war, dass dies der Erteilung ausdrücklicher persönlicher Weisungen und entsprechender Kontrollen gleichgehalten werden kann ("stille Autorität" des Dienstgebers). Weiters spielt die für die Tätigkeit erforderliche Qualifikation eine Rolle, weil sich - unabhängig vom Vorliegen konkreter sachlicher Weisungen (die in der Realität des Arbeitsverhältnisses nicht immer erwartet werden können) - mit steigender Qualifikation in der Regel auch die fachliche bzw. sachliche Entscheidungsbefugnis ständig erweitert. Qualifizierte sachliche Entscheidungsbefugnisse können einen gewissen Spielraum für eine eigenständige (unter Umständen auch unternehmerische) Gestaltung der Tätigkeiten eröffnen. Derartige Dispositionsmöglichkeiten stärken - insbesondere bei Fehlen der Einbindung in eine Betriebsorganisation - die Sphäre persönlicher Ungebundenheit und sprechen für das Vorliegen eines freien Dienstverhältnisses (VwGH 24.4.2014, 2013/08/0258, VwSlg 18833 A).

31 Eine Einbindung des Erstrevisionswerbers in die betriebliche Organisation der Zweitrevisionswerberin setzt das Vorhandensein eines Betriebs voraus. Nach § 34 Abs. 1 ArbVG gilt diejenige Arbeitsstätte als Betrieb, die eine organisatorische Einheit bildet, innerhalb derer eine physische oder juristische Person oder eine Personengemeinschaft mit technischen oder immateriellen Mitteln die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse fortgesetzt verfolgt, ohne Rücksicht darauf, ob Erwerbsabsicht besteht oder nicht (VwGH 15.7.2013, 2011/08/0151). Dazu können zB auch Baustellen zählen (VwGH 11.07.2012, 2010/08/0217; 3.10.2013, 2013/08/0162, 0169-0172). Maßgeblich ist insbesondere, ob von der aus Infrastruktur und beteiligten Personen gebildeten organisatorischen Einheit ein personenbezogener Anpassungsdruck auf den darin eingebundenen Erwerbstätigen ausgeht.

32 Strukturen einer betrieblichen Organisation, in die eine Einbindung erfolgen kann, manifestieren sich zB in einem durch die Erfordernisse der betrieblichen Einrichtung vorgegebenen Ablauf, in einer gemeinsamen aufeinander abgestimmten Tätigkeit mehrerer Mitarbeiter oder in der Anwesenheit von Vorgesetzten an der Arbeitsstätte. Meist wird eine Einbindung in die betrieblichen Strukturen vor Ort von einer (dauerhaften) Zuweisung von einschlägigen Betriebsmitteln an den Erwerbstätigen (zB Schreibtisch, Anschluss und Benutzung einer innerbetrieblichen Informationstechnologie) begleitet.

33 Der Erstrevisionswerber war in verschiedenen Fahrtechnik-Zentren und bei verschiedenen Kunden tätig. Welche der zweitrevisionswerbenden Partei zuzurechnenden betrieblichen Strukturen der genannten Art vor Ort allenfalls vorhanden waren, wurde nicht festgestellt und ist auch nicht notorisch.

34 Dass ein Erwerbstätiger Einrichtungen bzw. Areale benützt, die im Eigentum seines Auftraggebers bzw. von Dritten (der Kunden) stehen, stellt für sich allein noch keine - der Erteilung personenbezogener Weisungen vergleichbare - Einbindung in eine betriebliche Organisation bzw. eine Einschränkung seiner persönlichen Bestimmungsfreiheit dar (vgl. zum bloßen Vorhandensein von Betriebsmitteln VwGH 19.12.2012, 2012/08/0224).

35 Das Vorhandensein eines Betriebes bzw. eine Einbindung in diesen kann auch nicht allein daraus abgeleitet werden, dass Betriebsmittel nur zu bestimmten Zeiten zugänglich sind bzw. zur Verfügung stehen (hier: Öffnungszeiten des Trainingsgeländes sowie dessen "Nutzungsverfügbarkeit").

36 Das Tragen einer beschrifteten Arbeitskleidung bewirkt für sich weder eine Einbindung in einen Betrieb der zweitrevisionswerbenden Partei noch in den des betreffenden Kunden. Dasselbe gilt für den Umstand, dass die Tätigkeit des Erstrevisionswerbers - soweit sie Fahrsicherheitstrainings im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Mehrphasenausbildung (§§ 4a ff Führerscheingesetz - FSG und § 13b Führerscheingesetz-Durchführungsverordnung) betraf - "durch Richtlinien bzw. zum Teil auch durch gesetzliche Vorgaben determiniert" waren, denn diese Regelungen betreffen nur die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten des Erstrevisionswerbers bzw. die für die Tätigkeit eines Instruktors erforderliche Qualifikation. Solche gesetzlichen Richtlinien betreffend die Qualifikation für eine Tätigkeit, die für selbständige und unselbständige Erwerbstätige gleichermaßen gelten, sind von individuell geltenden und hinsichtlich ihrer Einhaltung kontrollierten Richtlinien zB betreffend das Verhalten eines Vortragenden (VwGH 11.7.2012, 2010/08/0204) zu unterscheiden und haben mit einer Einbindung in den Betrieb nichts zu tun.

37 Sind weder die ausdrückliche Erteilung persönlicher Weisungen noch eine Einbindung in eine vom Dienstgeber bestimmte und kontrollierte betriebliche Ablauforganisation feststellbar, so ist das Vorliegen der persönlichen Abhängigkeit iSd § 4 Abs. 2 ASVG anhand der persönlichen Kontrollunterworfenheit des Erwerbstätigen sowie allenfalls unter Heranziehung von Nebenkriterien für die persönliche Abhängigkeit zu beurteilen.

38 Personenbezogene Kontrollmechanismen (zu bloß sachbezogenen Kontrollmechanismen vgl. VwGH 19.12.2012, 2012/08/0224; 19.10.2015, 2013/08/0185), die eine "stille Autorität" des Dienstgebers bewirken, können einer persönlichen Weisungsunterworfenheit des Erwerbstätigen gleichgehalten werden. Als personenbezogene Kontrollmechanismen kommen bei dislozierten (außerhalb einer Betriebsorganisation ausgeübten) Tätigkeiten (auch: Tätigkeiten im "delegierten Aktionsbereich" des Dienstgebers) in erster Linie Berichterstattungspflichten bzw. Berichtspflichten in Frage (VwGH 25.6.2013, 2013/08/0093; 18.08.2015, 2013/08/0121; 1.10.2015, Ro 2015/08/0020).

39 Im vorliegenden Fall wurden die vom Erstrevisionswerber abgehaltenen Kurse zu Beginn der Tätigkeit im Jahr 1994 einer "Quality Review" unterzogen, in der überprüft wurde, ob er über die erforderlichen Kenntnisse verfügt hat. Später erhielt die zweitrevisionswerbende Partei die Auswertung von Teilnehmerbefragungen, aus der weder die Identität eines Teilnehmers noch die Identität des Instruktors ersichtlich gewesen ist. Der Erstrevisionswerber fragte Kunden am Ende eines Kurses aus eigenem Interesse, wie es ihnen gefallen hat. Ein Vorhandensein personenbezogener Kontrollmechanismen der zweitrevisionswerbenden Partei (Meldepflichten, Berichtspflichten über den Verlauf absolvierter Kurse, telefonische Kontaktaufnahmen, Aufsichtsmöglichkeiten vor Ort, stichprobenartige Kontrollen usw) wurde nicht festgestellt.

40 Da das Verwaltungsgericht bei seiner Abwägung iSd § 4 Abs. 2 ASVG, ob bei der Beschäftigung die Merkmale persönlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen, zu Unrecht von einer betrieblichen Einbindung der zweitrevisionswerbenden Partei ausgegangen ist und weitere Feststellungen über deren allfällige personenbezogene Kontrollunterworfenheit sowie über weitere für die Abwägung bedeutsame Nebenkriterien der Erwerbstätigkeit nicht getroffen hat, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

41 Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013.

Wien, am 14. November 2018

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