VwGH Ra 2018/07/0383

VwGHRa 2018/07/038325.10.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Revision der G I S in P, vertreten durch Mag. Johannes Zach, Rechtsanwalt in 2484 Weigelsdorf, Hauptstraße 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 11. Juli 2017, LVwG-AV-316/003-2015, betreffend einen wasserpolizeilichen Auftrag gemäß § 138 Abs. 2 Wasserrechtsgesetz 1959 (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art133 Abs6 Z1;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
WRG 1959 §138;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018070383.L00

 

Spruch:

  1. 1. Die Revision wird zurückgewiesen.
  2. 2. Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird eingestellt.

Begründung

1 1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung (BH) vom 13. Februar 2015 wurde gegenüber der Revisionswerberin ein auf § 138 Abs. 2 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) gestützter wasserpolizeilicher Auftrag erlassen. Das die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin abweisende Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) vom 10. Juli 2015 wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. März 2017, Ra 2015/07/0114, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

2 Das Verwaltungsgericht holte im fortgesetzten Verfahren eine fachliche Stellungnahme eines Amtssachverständigen für Wasserbautechnik und Gewässerschutz ein und wies mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 11. Juli 2017 die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid der BH vom 13. Februar 2015 erneut als unbegründet ab. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.

3 Die an die Revisionswerberin adressierte Ausfertigung dieses Erkenntnisses war an ihre dem Verwaltungsgericht bisher bekannte Adresse in Himberg adressiert. Das Schriftstück wurde nach einem erfolglosen Zustellversuch am 25. Juli 2017 mit Beginn der Abholfrist am 26. Juli 2017 hinterlegt und am 16. August 2017 mit dem Vermerk "Nicht behoben" an das Verwaltungsgericht retourniert.

4 Aufgrund ihres telefonischen Ersuchens vom 18. Juni 2018 übermittelte das Verwaltungsgericht mit Erledigung vom selben Tag der Revisionswerberin eine Ausfertigung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom

5 30. März 2017. In dieser Erledigung wurde auch darauf hingewiesen, dass das Ersatz-Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 11. Juli 2017 durch Hinterlegung am 26. Juli 2017 rechtswirksam zugestellt worden sei.

6 In ihrem an das Verwaltungsgericht gerichteten E-Mail, ebenso vom 18. Juni 2018, führte die Revisionswerberin aus, dass sie keine Hinterlegungsanzeige erhalten habe, weil sie mit 1. Dezember 2016 ausgezogen sei und die Liegenschaft verkauft habe.

7 Mit Erledigung vom 22. Juni 2018 ersuchte das Verwaltungsgericht die Österreichische Post AG um Bekanntgabe, ob am 26. Juli 2017 (Tag der Hinterlegung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts) der Zusteller Grund zur Annahme gehabt habe, dass sich die Revisionswerberin regelmäßig an der Abgabestelle in Himberg aufgehalten habe und daher eine taugliche Zustelladresse vorgelegen sei.

8 Das Post-Kundenservice beantwortete diese Anfrage mit E-Mail vom 2. Juli 2018 dahingehend, dass sich der zuständige Zusteller nicht mehr an diese Sendung erinnern könne. Wenn er jedoch den Status "hinterlegt" verwendet habe, sei es sehr wahrscheinlich, dass er damals die Information über den Hausverkauf noch nicht gehabt habe. Der Stammzusteller sei in dieser Hinsicht sehr verlässlich.

9 Das Verwaltungsgericht setzte die Revisionswerberin mit an ihre (neue) Adresse in Pottendorf adressierter Erledigung vom 4. Juli 2018 über das Ergebnis der Nachforschung bei der zuständigen Zustellbasis in Kenntnis. Weiters wurde darin festgehalten, dass eine Änderung der Abgabestelle während eines Verfahrens, von dem man Kenntnis habe, mitzuteilen sei, andernfalls dürfe an die bisherige Abgabestelle zugestellt werden. Von der Fortführung des Gerichtsverfahrens habe die Revisionswerberin aufgrund der Zustellung des hg. Erkenntnisses vom 30. März 2017 über ihre Rechtsvertretung Kenntnis gehabt. Von der Revisionswerberin sei mit E-Mail vom 1. Juli 2017 auch eine Anfrage hinsichtlich der Aufwendungen für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gestellt worden. Eine Änderung der Abgabestelle sei darin aber nicht mitgeteilt worden.

10 In ihrer E-Mail vom 5. Juli 2018 an das Verwaltungsgericht führte die Revisionswerberin unter anderem aus, "vorsorglich" protestiere sie "gegen obigen bescheid" (gemeint ist damit das angefochtene Erkenntnis des Verwaltungsgerichts). Leider könne sie Mag. (Z.) (Anmerkung: Dabei handelt es sich um den Rechtsvertreter der Revisionswerberin in dem von ihr später eingebrachten Revisionsschriftsatz) nicht erreichen. Sie habe sich ordnungsgemäß abgemeldet und ihre neue Anschrift bekanntgegeben. Überdies sei die alte Adresse vom neuen Eigentümer bewohnt; der "zuverlässige" Zusteller hätte auch fragen können.

11 Diese Eingabe der Revisionswerberin vom 5. Juli 2018 übermittelte das Verwaltungsgericht mit Vorlagebericht vom 10. Juli 2018 gemäß § 30a Abs. 7 VwGG an den Verwaltungsgerichtshof. Darin hielt das Verwaltungsgericht unter anderem fest, nach seiner Rechtsansicht sei eine wirksame Zustellung durch Hinterlegung am 26. Juli 2017 erfolgt, weil die Revisionswerberin trotz Kontaktaufnahme mit dem Gericht nach Änderung ihrer Wohnanschrift diese nicht nach dem sinngemäß anzuwendenden § 8 Zustellgesetz bekannt gegeben habe.

12 Mit hg. verfahrensleitender Anordnung vom 18. Juli 2018 wurde die Revisionswerberin zur Behebung der ihrem vorläufig als außerordentliche Revision gewerteten Schreiben vom 5. Juli 2018 anhaftenden Mängel, unter anderem zur Abfassung und Einbringung der Revision durch einen Rechtsanwalt, zur Angabe der Revisionspunkte gemäß § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG und zur Angabe jener Gründe, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet werde (§ 28 Abs. 3 VwGG), aufgefordert. Überdies wurde dargelegt, dass - ausgehend von den (zitierten) Ausführungen im Vorlagebericht des Landesverwaltungsgerichts - die Revision als verspätet zu beurteilen wäre.

13 Mit weiterem Vorlagebericht vom 8. August 2018 übermittelte das Verwaltungsgericht einen von der Revisionswerberin durch ihren Rechtsvertreter verfassten, an die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha adressierten und von dieser mit Erledigung vom 26. Juli 2018 an das Verwaltungsgericht übermittelten Schriftsatz vom 4. Juli 2018, in dem die Revisionswerberin gegen ein (hier nicht gegenständliches) Verwaltungsstraferkenntnis Beschwerde erhob, gleichzeitig aber auch den "Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Möglichkeit, ein Rechtsmittel gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 11.7.2017 (...) zu erheben bzw. innerhalb offener Frist um nachträgliche wasserrechtliche Bewilligung zu ersuchen, oder die Anlage fristgerecht zu beseitigen", stellte.

14 Schließlich übermittelte das Verwaltungsgericht mit Erledigung vom 29. August 2018 eine durch ihren Rechtsvertreter verfasste außerordentliche Revision der Revisionswerberin vom 22. August 2018. Die Revision ist zwar an das "Landesverwaltungsgericht Niederösterreich" adressiert, war jedoch offensichtlich zunächst beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht und von diesem mit Schreiben vom 23. August 2018 an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich weitergeleitet worden. In der Revision wird einleitend festgehalten, dass "die Textierung der Revisionswerberin (...) auftragsgemäß übernommen" worden sei.

15 2. Gemäß § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG hat die Revision die Bezeichnung der Rechte, in denen der Revisionswerber verletzt zu sein behauptet (Revisionspunkte), zu enthalten.

16 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt bei der Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses bzw. Beschlusses dem Revisionspunkt entscheidende Bedeutung zu, weil der Verwaltungsgerichtshof nach § 41 Abs. 1 VwGG nicht zu prüfen hat, ob irgendein subjektives Recht des Revisionswerbers, sondern nur, ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung er behauptet. Durch den Revisionspunkt wird der Prozessgegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses bzw. Beschlusses gebunden ist. Wird der Revisionspunkt unmissverständlich ausgeführt, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich (vgl. etwa VwGH 7.9.2018, Ra 2018/07/0433, mwN).

17 Zum diesbezüglichen Punkt 2. der hg. verfahrensleitenden Anordnung (Mängelbehebungsauftrag) vom 18. Juli 2018 führt die Revisionswerberin in ihrer (ergänzten) Revision lediglich aus, sie sei von der BH "freigesprochen" worden, wohl, weil sie "eine viel größere Katastrophe verhindert habe". An anderer Stelle der Revision bringt sie vor, sie sei in ihrem Recht auf rechtsrichtige Anwendung des Gesetzes verletzt worden.

18 Damit wird kein subjektiv-öffentliches Recht im Sinne des § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG geltend gemacht, in dem die Revisionswerberin verletzt sein könnte. Bei der behaupteten Verletzung des Rechts auf "rechtsrichtige Anwendung" des Gesetzes handelt es sich nicht um einen Revisionspunkt, sondern um einen Revisionsgrund, der nur in Verbindung mit der Verletzung eines aus einer materiellrechtlichen Vorschrift ableitbaren subjektiven Rechts zielführend vorgebracht werden kann (VwGH 19.3.2014, Ro 2014/09/0034; 19.4.2016, Ra 2016/01/0055, jeweils mwN).

19 Darüber hinaus werden in der Revision auch keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

20 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

21 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

22 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

23 In der vorliegenden Revision werden gesondert überhaupt keine Gründe angegeben, aus denen die Revisionswerberin entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet.

24 Lediglich gegen Ende der Revisionsausführungen wird nach Hinweis auf den "aktuellen Liegenschaftseigentümer" vorgebracht, der Umstand, dass die Revisionswerberin nicht mehr Eigentümerin der Liegenschaft sei, sei dem Verwaltungsgericht zum Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses nicht bekannt gewesen, sodass dieser Umstand nicht berücksichtigt habe werden können. Bei Kenntnis dieses Umstandes wäre das Verfahren eingestellt "und die Revision für zulässig erklärt worden".

25 Sollte die Revisionswerberin damit zum Ausdruck bringen wollen, das Verwaltungsgericht sei deshalb von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil im Falle einer Veräußerung des betreffenden Grundstücks der wasserpolizeiliche Auftrag primär an den neuen Grundeigentümer und nicht an den Verursacher einer eigenmächtigen Neuerung nach § 138 WRG 1959 zu richten wäre, so unterliegt sie einem Irrtum (vgl. dazu VwGH 25.6.2015, Ro 2015/07/0007, mwN).

26 Die Revision war aus den genannten Gründen zurückzuweisen. 27 3. Angesichts diese Ergebnisses kommt der Frage, ob die Revision rechtzeitig erhoben wurde und gegebenenfalls eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht zu ziehen ist, nur mehr theoretische Bedeutung zu, weshalb sich eine Entscheidung in der Wiedereinsetzungssache erübrigt (vgl. VwGH 3.3.2015, Ra 2015/02/0031; 25.5.2016, Ra 2016/12/0016, jeweils mwN). Das diesbezügliche Verfahren war daher mangels rechtlichen Interesses der Revisionswerberin nach Art 133 Abs. 6 Z 1 B-VG im Sinne des § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen.

Wien, am 25. Oktober 2018

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