VwGH Ra 2018/04/0106

VwGHRa 2018/04/010618.12.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tiefenböck, über die Revisionen der R Gesellschaft m.b.H. in H, vertreten durch die Huber Berchtold Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Getreidemarkt 14/13, gegen 1) das Erkenntnis vom 22. März 2018, Zl. W139 2182913-1/32E, und 2) den Beschluss vom 22. März 2018, Zl. W139 2182913-2/2E, jeweils des Bundesverwaltungsgerichts, betreffend jeweils ein vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren (mitbeteiligte Parteien:

1. Republik Österreich und 2. X GmbH der Wirtschaftskammern Österreichs ua. gemäß Drittkundenliste, alle vertreten durch die Bundesbeschaffung GmbH in 1020 Wien, Lassallestraße 9b, diese vertreten durch die Finanzprokuratur in 1011 Wien, Singerstrasse 17-19), den Beschluss gefasst:

Normen

BVergG 2006 §69 Z1;
BVergG 2006;
B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art133 Abs9;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018040106.L00

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Die mitbeteiligten Parteien führten ein offenes Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich mit dem Ziel des Abschlusses einer Rahmenvereinbarung zur Erbringung von Transportdienstleistungen für eine fünfjährige Laufzeit. Der Zuschlag für die beiden ausgeschriebenen Lose sollte jeweils nach dem Bestbieterprinzip erfolgen.

2 In den bestandsfesten Ausschreibungsbedingungen war unter anderem zur technischen Leistungsfähigkeit festgelegt, dass ein Bieter über mindestens 15 fachlich geeignete Mitarbeiter, davon mindestens zwei Angestellte, zur Erfüllung der ausschreibungsgegenständlichen Leistungen verfügen müsse. Zum Nachweis hatte der Bieter mit dem Angebot eine Anmeldebestätigung der zuständigen Krankenkasse für die jeweiligen Mitarbeiter beizubringen.

3 Die Antragstellerin vor dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: Revisionswerberin) beteiligte sich an der Ausschreibung mit einem Angebot für Los 2. Mit Schreiben vom 5. Jänner 2018 wurde ihr mitgeteilt, dass das Angebot wegen Nichterfüllung des Eignungskriteriums betreffend die erforderliche Anzahl der Mitarbeiter in ihrem Unternehmen ausgeschieden werde. Die geforderte Mindestanzahl von Angestellten sei nicht erfüllt, weil Herr O. nicht mehr bei dem Unternehmen der Revisionswerberin beschäftigt sei.

4 Die Revisionswerberin beantragte mit Schriftsatz vom 15. Jänner 2018 die Nichtigerklärung dieser Ausscheidensentscheidung.

5 2.1. Mit dem hier angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht den Antrag auf Nichtigerklärung ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

6 In seiner Begründung traf das Bundesverwaltungsgericht die Feststellung, Herr O. habe seine Tätigkeit im Betrieb der Revisionswerberin nach seiner Abmeldung mit 31. Oktober 2017 beendet und sei in der Folge bei dem slowakischen Tochterunternehmen der Revisionswerberin tätig gewesen. Die Möglichkeit der Wiedereinstellung bei der Revisionswerberin sei vereinbart worden. Nach der verfahrensgegenständlichen Ausscheidensentscheidung habe eine Besprechung zwischen Vertretern der mitbeteiligten Parteien und der Revisionswerberin stattgefunden. Anlässlich dieses Gesprächs habe die Revisionswerberin weder auf eine aufrechte geringfügige Beschäftigung des Herrn O. hingewiesen noch Belege für eine solche angeboten.

7 In seiner detaillierten Beweiswürdigung begründete das Bundesverwaltungsgericht diese Feststellungen zusammengefasst damit, dass sich aus den vorgelegten Urkunden betreffend die An- und Ummeldungen des Herrn O. bei der Krankenkasse in Zusammenhalt mit den Aussagen der Zeugen Mag. P. und Ing. S. erhebliche Zweifel an einer durchgehenden Beschäftigung des Herrn. O. bei der Revisionswerberin ergeben hätten. Eine neuerliche Anmeldung des Herrn. O. sei unstrittig erst nach der erfolgten Ausscheidensentscheidung und nach dem Gespräch der Revisionswerberin mit den Vertretern der mitbeteiligten Parteien erfolgt. Diese Annahme würde mit der anfänglichen Argumentation der Revisionswerberin übereinstimmen, die ihren Antrag zunächst auf die Rechtsansicht gestützt habe, ein Nachweis für die aufrechte Anstellung der Mitarbeiter sei nur für den Zeitpunkt der Angebotsöffnung erforderlich. Überdies spreche die Tatsache, dass die Abmeldung des Herrn O. zum 31. Oktober 2017 zur Gänze und nicht als Änderungsmeldung erfolgt sei, ebenfalls dafür, dass zunächst kein durchgehendes, zwischenzeitig geringfügiges Beschäftigungsverhältnis beabsichtigt gewesen sei.

8 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht aus, im offenen Verfahren müsse die Eignung gemäß § 69 Z 1 BVergG im Zeitpunkt der Angebotsöffnung vorhanden sein. Nach ständiger Rechtsprechung dürfe diese in weiterer Folge nicht verloren gehen, unabhängig davon, ob die Eignung zu einem späteren Zeitpunkt - vor der Zuschlagserteilung - wieder aufleben würde, sodass dem Auftraggeber die Möglichkeit genommen sei, durch eine zeitliche Ausgestaltung der Angebotsprüfung Einfluss auf das Ausscheiden eines Angebotes nehmen zu können. Eignungskriterien seien die vom Auftraggeber festgelegten unternehmensbezogenen Mindestanforderungen. Angebote von Bietern, die die technische Leistungsfähigkeit nicht erfüllen würden, seien vom Auftraggeber auszuscheiden, wobei dem Auftraggeber in diesem Zusammenhang kein Ermessen zustehe. Fallbezogen sei in den Ausschreibungsbestimmungen zum Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit das Vorhandensein von zumindest 15 fachlich geeigneten Mitarbeitern - davon zwei im Angestelltenverhältnis - im Unternehmen der Bieter festgelegt gewesen. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin seien diese Bedingungen aufgrund des klaren Wortlauts und in Zusammenhang mit den übrigen Bestimmungen der Ausschreibung dahingehend zu verstehen, dass die so definierte Eignung im Zeitpunkt der Angebotsöffnung vorliegen müsse und in der Folge auch nicht verloren gehen dürfe. Somit würden die Ausschreibungsbedingungen hinsichtlich der technischen Leistungsfähigkeit die aufrechte Meldung der erforderlichen Mindestanzahl der Angestellten spätestens zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung und ununterbrochen bis zur Zuschlagserteilung erfordern. Da festgestellt worden sei, dass die Revisionswerberin das Erfordernis der aufrechten Meldung zweier Angestellter nicht erfüllt habe, sei ihre technische Leistungsfähigkeit laut den bestandsfesten Bedingungen weggefallen und könne auch nicht mehr aufleben. Auch eine Gelegenheit zur Aufklärung hätte den Ausscheidensgrund nicht mehr beseitigen können, sodass die unterlassene Aufforderung zur Aufklärung seitens der mitbeteiligten Parteien nicht von wesentlichem Einfluss auf den Ausgang des Vergabeverfahrens gewesen sei. Das Angebot der Revisionswerberin sei wegen des Vorliegens eines unbehebbaren Mangels zu Recht ausgeschieden worden, weshalb der auf die Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung gerichtete Antrag abzuweisen sei.

9 2.2. In dem angefochtenen Beschluss wurde der Antrag auf Ersatz der für den Nachprüfungsantrag entrichteten Pauschalgebühr abgewiesen und die Revision gegen diese Entscheidung für nicht zulässig erklärt.

10 Zur Begründung verwies das Bundesverwaltungsgericht auf die oben zusammengefasst wiedergegebene abweisende Entscheidung betreffend den Nachprüfungsantrag und die diesbezüglich klare Rechtslage.

11 3. Gegen diese Entscheidungen richten sich die inhaltlich gleichlautenden Revisionen mit dem Antrag, die angefochtenen Entscheidungen gemäß § 42 Abs. 2 VwGG aufzuheben, in eventu abzuändern.

12 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15 Die Revisionen führen zur Begründung der Zulässigkeit im Sinne des § 28 Abs. 3 VwGG zunächst die angeblich mangelhafte Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts ins Treffen.

16 Dem ist zu entgegnen, dass der Verwaltungsgerichtshof - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht diese in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (ständige Rechtsprechung, vgl. VwGH 9.5.2016, Ra 2016/01/0068, mwN).

17 Fallbezogen gelingt es den Revisionen mit ihren Ausführungen nicht darzustellen, dass dem Bundesverwaltungsgericht ein krasser Fehler bei der - im Übrigen sehr ausführlichen und klaren - Beweiswürdigung unterlaufen wäre.

18 Zum weiteren Vorbringen der Zulässigkeitsbegründung, es liege keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage vor, ob das Bundesverwaltungsgericht ein Beschäftigungsverhältnis nach vergaberechtlichen Erwägungen verneinen könne, wenn der Sozialversicherungsträger einen Beschäftigungsbeginn - wenn auch rückwirkend - festgestellt habe, ist Folgendes festzuhalten: Einer Rechtsfrage kommt nur dann grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Ausgehend davon hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit der Auslegung von Ausschreibungsbestimmungen bzw. von Angebotsunterlagen bereits mehrfach festgehalten, dass eine diesbezüglich in vertretbarer Weise vorgenommene, einzelfallbezogene Auslegung nicht revisibel ist (vgl. VwGH 18.3.2015, Ra 2015/04/0017; 24.11.2014, Ra 2014/04/0039).

19 Auch fallbezogen hängt der Ausgang des Verfahrens von der Auslegung der bestandsfesten Ausschreibungsbedingungen ab, die nach Ansicht des Verwaltungsgerichts für die technische Leistungsfähigkeit die - nach den Feststellungen nicht vorliegende - tatsächliche Beschäftigung von u.a. zwei Angestellten (und nicht nur deren sozialversicherungsrechtliche Meldung) erfordern und somit die angefochtene Ausscheidensentscheidung rechtfertigen. Dass das Bundesverwaltungsgericht diese Auslegung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte, ist aufgrund des Revisionsvorbringens, aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht sei eine rückwirkend gültige Anmeldung und Entstehung der Versicherungspflicht möglich, nicht zu erkennen.

20 Hinsichtlich des angefochtenen Gebührenbeschlusses werden keine eigenen Zulässigkeitsgründe ins Treffen geführt.

21 In den Revisionen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher zurückzuweisen.

Wien, am 18. Dezember 2018

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