VwGH Ra 2018/03/0016

VwGHRa 2018/03/001622.2.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des E P in B, vertreten durch Mag. Ludwig Vogl, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Moosstraße 8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 4. September 2017, Zl. LVwG-750437/14/MZ, betreffend die Verhängung eines Waffenverbots (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn), den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §41;
WaffG 1996 §12 Abs1;
WaffG 1996 §12 Abs7;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Mandatsbescheid vom 14. Juni 2016 verhängte die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn (BH) über den Revisionswerber ein Waffen- und Munitionsverbot gemäß § 12 Abs. 1 WaffG. Seiner dagegen erhobenen Vorstellung gab die BH mit Bescheid vom 18. April 2017 nicht Folge und bestätigte das verhängte Verbot.

2 Die gegen den zuletzt genannten Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

3 Begründend führte das LVwG im Wesentlichen aus, der unbescholtene Revisionswerber sei Jäger und im Besitz verschiedener Waffen. Er sei im Laufe seiner am 5. Oktober 2016 geschiedenen Ehe mehrfach gegenüber seiner Ehefrau handgreiflich geworden und habe diese und seine Schwiegermutter immer wieder mit dem Umbringen bedroht. Nach der Scheidung sei der Revisionswerber zu seiner Mutter gezogen, gegenüber der er am 9. März 2017 auch gewalttätig geworden sei. Der Revisionswerber habe über einen langen Zeitraum dem Alkohol stark zugesprochen. Ob der Alkoholgenuss derzeit in geregelten Bahnen verlaufe, könne nicht festgestellt werden. Ausgehend davon sei (nach wie vor) zu befürchten, dass der Revisionswerber in einer Konfliktsituation durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen gefährden könnte.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Zu ihrer Zulässigkeit wird - neben verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das Neuerungsverbot nach § 41 VwGG - vorgebracht, es liege noch keine Rechtsprechung dazu vor, ob die Waffenbehörde bzw. das nachprüfende Verwaltungsgericht auf die Beiziehung eines psychiatrischen Sachverständigen verzichten dürfe, wenn ein solcher bereits in einem parallel geführten Verfahren betreffend die jagdrechtliche Zuverlässigkeit tätig sei und dessen Beiziehung beantragt werde.

5 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

6 Gemäß § 12 Abs. 1 Waffengesetz 1996 (WaffG) hat die Behörde einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte. Die Verhängung eines Waffenverbotes dient der Verhütung von Gefährdungen der im § 12 Abs. 1 WaffG bezeichneten Art und setzt nicht voraus, dass es schon zu einem missbräuchlichen Verwenden von Waffen durch den Betroffenen gekommen ist. Es genügt, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger Gebrauch gemacht werden könnte. Dabei ist nach dem dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck ein strenger Maßstab anzulegen. Der Verbotstatbestand des § 12 Abs. 1 WaffG setzt lediglich voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen zu befürchten ist. Liegt diese Voraussetzung vor, so hat die Behörde nach § 12 Abs. 1 WaffG vorzugehen und ein Waffenverbot auszusprechen, ohne dass ein bisher untadeliges Vorleben dem entgegenstünde. Wesentlich ist, dass dem Betroffenen die missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat auch erkannt, dass wiederholte Gewaltakte, insbesondere in alkoholisiertem Zustand und im familiären Umfeld, ein Waffenverbot rechtfertigen können (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 30.1.2014, 2013/03/0119, mwN; zur familiären Gewalt etwa VwGH 19.3.2013, 2012/03/0180, u.a.).

7 In der höchstgerichtlichen Rechtsprechung wurde überdies bereits ausgesprochen, dass die Rechtsfrage, ob Tatsachen im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG vorliegen, nicht von einem Sachverständigen zu beantworten ist (vgl. VwGH 20.12.2010, 2007/03/0130, mwN).

8 Ausgehend davon gelingt es der Revision nicht darzulegen, dass das LVwG mit seiner Entscheidung von den höchstgerichtlichen Leitlinien zu den Voraussetzungen betreffend die Verhängung eines Waffenverbots nach § 12 Abs. 1 WaffG abgewichen wäre oder sein Verfahren mit einem Verstoß gegen tragende Grundsätze des Verfahrensrechts belastet hätte, der eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zuließe (vgl. etwa VwGH 9.10.2017, Ra 2017/18/0346).

9 Ein förmlicher Beweisantrag auf Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen zur Klärung der Gefährlichkeit des Revisionswerbers wurde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren betreffend das Waffenverbot - entgegen dem insoweit das Gegenteil suggerierenden Revisionsvorbringen - nicht gestellt; die amtswegige Beiziehung eines derartigen Sachverständigen war nach der zitierten Rechtsprechung nicht jedenfalls geboten.

10 Es trifft zu, dass das LVwG vor der gegenständlichen Entscheidung die in einem parallel geführten Verfahren betreffend den Entzug der Jagdkarte des Revisionswerbers erwartete Stellungnahme eines Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie betreffend die (aktuelle) Zuverlässigkeit des Revisionswerbers nicht abgewartet hat. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Frage der jagdrechtlichen Verlässlichkeit mit den nach § 12 Abs. 1 WaffG zu beurteilenden Tatbestandselementen nicht gleichzusetzen ist (vgl. etwa VwGH 30.6.2011, 2011/03/0072). Das Verwaltungsgericht hat außerdem die ihm vorgelegten fachärztlichen Stellungnahmen bei seiner Entscheidung berücksichtigt und aufgrund der festgestellten Tatsachen (wiederholte Gewaltakte des Revisionswerbers bis März 2017) vertretbar die Prognose getroffen, der Revisionswerber könnte auch weiterhin Waffen im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG missbräuchlich verwenden.

11 Soweit die Revision ein fachärztliches Schreiben vom 10. Oktober 2017 (datiert also nach Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses) vorlegt, dessen Berücksichtigung begehrt und insoweit verfassungsrechtliche Bedenken gegen das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot releviert, vermag ihr der Verwaltungsgerichtshof schon deshalb nicht zu folgen, weil § 12 Abs. 7 WaffG ohnehin die Möglichkeit eröffnet, ein Waffenverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe für seine Erlassung weggefallen sind.  Dabei hat die Behörde unter Berücksichtigung der für die Erlassung des Waffenverbotes maßgebenden Gründe, des Verhaltens des Betroffenen seit seiner Anlasstat und der Länge des zwischenzeitig verstrichenen Zeitraumes zu prüfen, ob die qualifizierte Gefährdungsprognose gemäß § 12 Abs. 1 WaffG im Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch aufrecht ist. Der Beobachtungszeitraum allfälligen Wohlverhaltens muss allerdings ausreichend lang sein, um von einem gesicherten Wegfall der Voraussetzungen des Waffenverbotes ausgehen zu können. Dabei sind stets die Umstände des Einzelfalles zu prüfen (vgl. etwa VwGH 22.11.2017, Ra 2017/03/0031, mwN). Ob die vorgelegte fachärztliche Stellungnahme vom 10. Oktober 2017 unter Bedachtnahme auf diese höchstgerichtliche Judikatur ausreicht, das Waffenverbot aufzuheben, braucht hier nicht beurteilt zu werden, sondern wäre - wenn überhaupt - Gegenstand eines gesonderten Verfahrens zur Aufhebung des Waffenverbots. Eine Berücksichtigung im gegenständlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof scheidet nach § 41 VwGG aber aus.

12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 22. Februar 2018

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