VwGH Ra 2018/02/0280

VwGHRa 2018/02/02806.12.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofräte Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, LL.M., über die Revision der C GmbH in G, vertreten durch Mag. Martin Paar und Mag. Hermann Zwanzger, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Wiedner Hauptstraße 46/6, gegen die Spruchpunkte B) 1) (Zl. VGW-002/042/721/2017) und B) 4) (Zl. VGW- 002/V/042/16328/2017) des Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 20. Februar 2018,betreffend Zurückweisung von Beschwerden iA Beschlagnahme und Verfall nach dem Wiener Wettengesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 lita;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018020280.L00

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird hinsichtlich der angeführten Spruchpunkte B) 1) (Zl. VGW-002/042/721/2017-3) und B) 4) (Zl. VGW- 002/V/042/16328/2017) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

 

Das Land Wien hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Nach der unstrittigen Aktenlage fand der Magistrat der Stadt Wien am 11. November 2016 im Rahmen einer behördlichen Überprüfung in einem Lokal in Wien fünf Wettannahmeterminals, acht Wettinformationsgeräte und einen Wettannahmeschalter vor. Der Niederschrift zu dieser Überprüfung folgend seien die erforderlichen Bewilligungen nach dem Wiener Wettengesetz nicht vorgelegen.

2 Mit Bescheid vom 25. November 2016 ordnete der Magistrat der Stadt Wien die Beschlagnahme dieser Geräte nach dem Wiener Wettengesetz an.

3 In Spruchpunkt 1. des Bescheides vom 26. September 2017 erklärte der Magistrat der Stadt Wien die Geräte nach dem Wiener Wettengesetz für verfallen.

4 Gegen diese Bescheide erhob die Revisionswerberin Beschwerde an das Verwaltungsgericht.

5 Das Verwaltungsgericht forderte die Revisionswerberin im Verfahren betreffend die Beschlagnahme und im - hier nicht gegenständlichen Verfahren - betreffend die vom Magistrat der Stadt Wien verfügte Betriebsschließung mit Schreiben vom 2. März 2017 unter anderem auf, darzulegen, wer Eigentümer der Geräte sei, was durch entsprechende Beweismittel zu belegen sei.

6 Mit dem sich lediglich auf das Verfahren der Betriebsschließung beziehenden Schriftsatz vom 23. Februar 2017 legte die Revisionswerberin u.a. fünf Rechnungen vor, die belegen sollten, dass die Revisionswerberin Eigentümerin der fünf beschlagnahmten Wettannahmeterminals sei. Der Schriftsatz vom 23. Februar 2017 findet sich zwar nicht in den hier gegenständlichen Akten des Verwaltungsgerichtes betreffend die Beschlagnahme und den Verfall, wohl aber - als Anhang zu der von der Revisionswerberin erhobenen Verfassungsgerichtshofbeschwerde - in dem vom Verwaltungsgericht mit der gegenständlichen Revision vorgelegten Akt des Magistrates der Stadt Wien.

7 Das Verwaltungsgericht führte am 25. April 2017 eine verbundene Verhandlung in den Verfahren betreffend die Betriebsschließung und die Beschlagnahme durch. In dieser Verhandlung stimmte die Revisionswerberin der Verlesung aller Akteninhalte beider Verfahren zu. Die Akten des Verwaltungsgerichtes und des Magistrates der Stadt Wien zu diesen beiden Verfahren wurden verlesen. Die Revisionswerberin brachte in der Verhandlung zudem vor, sie sei Eigentümerin der beschlagnahmten Geräte.

8 Am 30. Jänner 2018 und am 20. Februar 2018 fanden u.a. in den hier gegenständlichen Verfahren betreffend die Beschlagnahme und den Verfall der Gegenstände verbundene Verhandlungen statt, in denen die Revisionswerberin (erneut) der Verlesung der Akteninhalte beider Verfahren zustimmte und das Verwaltungsgericht jeweils festhielt, dass die Akten des Verwaltungsgerichtes und des Magistrates der Stadt Wien als verlesen gelten würden.

9 Mit den angefochtenen Beschlüssen vom 20. Februar 2018 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerden der Revisionswerberin gegen die Bescheide des Magistrates der Stadt Wien vom 25. November 2016 und vom 26. September 2017 als unzulässig zurück, weil die Revisionswerberin nicht Eigentümerin der beschlagnahmten Geräte gewesen sei. Seitens der Revisionswerberin seien nämlich trotz der ergangenen Aufforderung vom 2. Februar 2017 (Anmerkung: diese findet sich nicht im Akt und ist daher wohl in einem anderen Verfahren des Verwaltungsgerichtes ergangen) keinerlei Beweismittel vorgelegt worden, aus welchen sich ergebe, wer der Eigentümer der anlässlich der behördlichen Überprüfung beschlagnahmten Geräte sei bzw. gewesen sei. Die bloße Behauptung, dass die Revisionswerberin Eigentümerin der beschlagnahmten Geräte sei, sei schon deshalb kein hinlängliches Indiz für deren Eigentümerschaft, weil es der alltäglichen Wirtschaftspraxis entspreche, dass ein Unternehmer mittels Rechnungen oder gleichwertigen Beweismitteln sein Eigentum an wesentlichen Betriebsmitteln nachweisen könne.

10 Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der dagegen von der Revisionswerberin erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 12. Juni 2018, E 1307/2018, ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

11 Gegen die beiden Beschlüsse richtet sich die vorliegende Revision, mit dem Antrag diese kostenpflichtig aufzuheben.

12 Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

13 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

14 Nach § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 nicht gebunden.

15 Nach § 34a Abs. 1a zweiter Satz VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3) zu überprüfen.

16 Die Revisionswerberin macht zur Zulässigkeit der Revision eine Aktenwidrigkeit insofern geltend, als sie entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichtes sehr wohl Rechnungen vorgelegt habe, in denen sie als Rechnungsempfängerin aufscheine. Wäre das Verwaltungsgericht nicht aktenwidrig davon ausgegangen, die Revisionswerberin habe trotz verwaltungsgerichtlicher Aufforderung keine Rechnungen vorgelegt, so hätte es jedenfalls zum Ergebnis gelangen müssen, dass die Revisionswerberin Eigentümerin der Geräte sei, ihr Parteistellung zukomme und sie beschwerdelegitimiert sei.

17 Ausgehend davon erweist sich die Revision als zulässig. Sie ist auch berechtigt.

18 Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung können nicht nur solche des materiellen Rechts, sondern auch des Verfahrensrechts sein, etwa bei Verletzung tragender Grundsätze des Verfahrensrechts oder gegebenenfalls dann, wenn der vom Verwaltungsgericht angenommene Sachverhalt in unvertretbarer Weise nicht mit den vorgelegten Akten übereinstimmt, also Aktenwidrigkeit vorliegt (VwGH 22.8.2018, Ra 2018/03/0077, mwN).

19 Aktenwidrigkeit liegt vor, wenn die Entscheidung in ihrer Begründung von Sachverhalten ausgeht, die sich aus dem Akt überhaupt nicht oder nicht in der angenommenen Weise ergeben, wenn also die Feststellung jener tatsächlichen Umstände unrichtig ist, die für den Spruch der Entscheidung ausschlaggebend sind (vgl. VwGH 12.7.2018, Ra 2018/17/0134, mwN).

20 Mit der Verlesung der angeführten Akten des Magistrates der Stadt Wien und des Verwaltungsgerichtes in den verbundenen Verhandlungen hat der Schriftsatz der Revisionswerberin vom 23. Februar 2017 und die damit vorgelegten Rechnungen (auch) Eingang in die gegenständlichen Verfahren betreffend die Beschlagnahme und den Verfall der Geräte gefunden. Das Verwaltungsgericht hätte diese Beweisergebnisse in seiner Entscheidung sohin berücksichtigen und würdigen bzw. verwerten müssen. Indem es in seinen Beschlüssen die Auffassung vertreten hat, es seien keine Rechnungen vorgelegt worden, obwohl diese durch deren Verlesung in der Verhandlung vorgekommen sind, hat das Verwaltungsgericht Ergebnisse des stattgefundenen Ermittlungsverfahrens, die zu einer anderen Entscheidung führen hätten können, außer Acht gelassen.

21 Da der Sachverhalt vom Verwaltungsgericht in einem wesentlichen Punkt aktenwidrig angenommen wurde, waren die angefochtenen Beschlüsse wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. a und c VwGG aufzuheben.

22 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 6. Dezember 2018

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