VwGH Ra 2018/02/0101

VwGHRa 2018/02/01018.5.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision des S in O, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 10. Jänner 2018, Zl. LVwG-602088/3/Py/JL, betreffend Übertretungen des FSG und der StVO (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck), zu Recht erkannt:

Normen

FSG 1997 §37 Abs1;
FSG 1997 §39 Abs5;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1b;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGVG 2014 §44 Abs3 Z1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018020101.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Oberösterreich und der Bund haben dem Revisionswerber je zur Hälfte Aufwendungen in Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht den Revisionswerber schuldig erachtet, um 9:15 Uhr und um 9:20 Uhr desselben Tages jeweils ein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben, wodurch er beide Male § 5 Abs. 1 StVO iVm § 99 Abs. 1b StVO übertreten habe und zu denselben Zeitpunkten ein Fahrzeug ohne Lenkberechtigung gelenkt zu haben, wodurch er beide Male § 37 Abs. 1 iVm § 39 Abs. 5 FSG übertreten habe. Es sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

2 Begründend stellte das Verwaltungsgericht fest, der Revisionswerber sei in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand mit einem Pkw zur Polizeistation V gefahren, um dort seine wegen eines Alkoholdelikts entzogene Lenkberechtigung abzuholen. Nachdem er diese in der Polizeistation nicht erhalten habe, sei er mit dem Pkw wieder weggefahren und in der Folge angehalten worden. Es sei festgestellt worden, dass er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befand. Es habe sich bei der Hin- und Rückfahrt um zwei voneinander getrennte Fahrten gehandelt, weshalb jeweils zwei selbständige Taten vorlägen, für die die Strafen jeweils nebeneinander zu verhängen gewesen sein. Von einem einheitlichen Willensentschluss des Revisionswerbers könne keine Rede sein.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

4 Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht erstattete eine Revisionsbeantwortung mit Kostenersatzantrag, wozu sich der Revisionswerber äußerte.

5 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Der Revisionswerber führt im Zulässigkeitsvorbringen unter anderem aus, es liege eine "erhebliche" Rechtsfrage vor, weil das Verwaltungsgericht keine mündliche Verhandlung durchgeführt habe, obwohl der Sachverhalt nicht geklärt gewesen sei.

9 Das Verwaltungsgericht begründet den Entfall der mündlichen Verhandlung gemäß § 44 Abs. 3 Z 1 VwGVG mit der Unstrittigkeit des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes, bei dem eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht habe erwarten lassen.

10 Gemäß § 44 Abs. 3 Z 1 VwGVG kann das Verwaltungsgericht von einer Verhandlung absehen, wenn in der Beschwerde nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird.

11 In der Beschwerde führte der Revisionswerber aus, den beiden Fahrten zur und von der Polizeistation sei ein einheitlicher Willensentschluss zu Grunde gelegen, weshalb jeweils ein fortgesetztes Delikt vorgelegen sei, das auch nur zu zwei Strafen hätte führen dürfen.

12 Das Verwaltungsgericht stützt sein Verfahrensergebnis auf zwei hg. Erkenntnisse (VwGH 28.11.2008, 2008/02/0221, und 29.1.1992, 92/02/0016), in denen der Verwaltungsgerichtshof konkret auf die dortigen Einzelfälle bezogen ausgehend von der schlüssigen Beweiswürdigung der dort angefochtenen Bescheide zum Ergebnis gekommen ist, es lägen keine fortgesetzten Delikte vor.

13 Das Verwaltungsgericht hätte sich auch hier beweiswürdigend mit den für dieses Thema in Frage kommenden Beweismitteln auseinandersetzen müssen. Dazu hätte es auch der Einvernahme des Revisionswerbers im Rahmen einer mündlichen Verhandlung bedurft.

Da nach dem Gesagten Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nicht nur die Beantwortung der Rechtsfrage war, hätte es von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht absehen dürfen.

14 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

15 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 8. Mai 2018

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