VwGH Ra 2018/01/0337

VwGHRa 2018/01/03372.8.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kienesberger, über die Revision des H C in A, vertreten durch Mag. Sebastian Ruckensteiner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Pradlerstraße 36, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 24. Mai 2018, Zl. VGW-152/022/4007/2018-12, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

62008CJ0135 Janko Rottman VORAB;
StbG 1985 §27 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018010337.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Dem Revisionswerber wurde 1994 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen, nachdem er 1993 aus dem türkischen Staatsverband ausgeschieden war.

2 Mit Bescheid der Wiener Landesregierung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht) vom 24. Jänner 2018 wurde gemäß § 39 und § 42 Abs. 3 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) festgestellt, dass der Revisionswerber die österreichische Staatsbürgerschaft durch den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit am 16. März 1995 gemäß § 27 Abs. 1 StbG verloren hat.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien (Verwaltungsgericht) wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass der Revisionswerber nicht österreichischer Staatsbürger ist (I.). Weiters wurde der Revisionswerber zum Kostenersatz verpflichtet (II.) und eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig erklärt (III.).

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision. 5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die Revision bringt als Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) in der Rechtssache C- 135/08 Rottmann abgewichen, weil es unterlassen habe zu prüfen, "ob bzw. welche Auswirkungen auf die unionsrechtliche Stellung des Betroffenen die angefochtene Feststellung hat, dass der Revisionswerber nicht österreichischer Staatsbürger ist." Es würden fallbezogen Umstände vorliegen, die dazu führten, dass der Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft ausnahmsweise unverhältnismäßig sei.

9 Die Revision ist nicht zulässig.

10 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten hat, bleibt für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im Sinne der vom EuGH im Urteil Rottmann aufgestellten Kriterien bei einer Feststellung der Staatsbürgerschaft kein Raum (vgl. VwGH 13.10.2015, Ra 2015/01/0192, mit Hinweis auf VwGH 19.9.2012, 2009/01/0003). Auch in der vorliegenden Rechtssache wurde dem Revisionswerber mit der angefochtenen Feststellung nicht die österreichische Staatsangehörigkeit entzogen, sondern gemäß § 27 Abs. 1 StbG festgestellt, dass der Revisionswerber diese durch den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit verloren habe (vgl. dazu jüngst VwGH 10.7.2018, Ra 2018/01/0094, mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung).

11 Der Umstand, dass der Revisionswerber - nach Einleitung eines Feststellungsverfahrens durch die damals zuständige Tiroler Landesregierung im Dezember 2009 - nochmals eine Genehmigung der türkischen Behörden zum (neuerlichen) Ausscheiden aus dem türkischen Staatsverband mit Wirksamkeit vom 25. April 2010 bewirkte und die türkische Staatsangehörigkeit seither nicht wiedererlangte, ändert nichts am bereits 1995 eingetretenen Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft nach Maßgabe des § 27 Abs. 1 StbG.

12 Das Verwaltungsgericht ist von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen. In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

13 Im Übrigen hegt der Verwaltungsgerichtshof - der erwähnten Rechtsprechung zufolge - keine Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der Bestimmung des § 27 Abs. 1 StbG mit dem Unionsrecht; eine Konstellation, wie sie dem Urteil Rottmann zu Grunde lag (nämlich die Entziehung der Staatsbürgerschaft), liegt nicht vor. Damit besteht kein Fall der Durchführung von Unionsrecht (vgl. VwGH 25.4.2017, Ra 2017/01/0091 und 20.12.2017, Ra 2017/01/0425), weshalb der Anregung in der Revision, den EuGH mit dieser Frage zu befassen, nicht zu folgen war.

14 Ebenso wenig bestehen gegen die genannte Bestimmung verfassungsrechtliche Bedenken (vgl. die in VwGH Ra 2015/01/0192 zitierte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes), weshalb auch der Anregung auf Beantragung eines Normprüfungsverfahrens beim VfGH nicht zu folgen war.

15 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen. 16 Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG sowie im Hinblick auf die bereits vom Verwaltungsgericht durchgeführte mündliche Verhandlung abgesehen werden.

Wien, am 2. August 2018

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