VwGH Ra 2017/01/0425

VwGHRa 2017/01/042520.12.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und den Hofrat Dr. Kleiser sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision der A S in H, vertreten durch die Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 15. Mai 2017, Zl. LVwG- 451-4/2016-R9, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Vorarlberger Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

62008CJ0135 Janko Rottman VORAB;
B-VG Art133 Abs4;
StbG 1985 §10a Abs1 Z1;
StbG 1985 §10a Abs2 Z3;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Antrag der Revisionswerberin, einer türkischen Staatsangehörigen, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10a Abs. 1 Z 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) abgewiesen.

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die seit 1989 in Österreich lebende Revisionswerberin habe in Österreich weder einen Alphabetisierungskurs absolviert noch einen Deutschkurs besucht. Vor dem Verwaltungsgericht habe sich die Revisionswerberin darauf berufen, gemäß § 10a Abs. 2 Z 3 StbG von der Voraussetzung des Nachweises der Kenntnis der deutschen Sprache ausgenommen zu sein, da ihr die Erbringung dieses Nachweises aufgrund ihres dauerhaft schlechten Gesundheitszustandes - sie sei Analphabetin - nicht möglich sei.

3 Nach dem im Beschwerdeverfahren eingeholten Gutachten der medizinischen Amtssachverständigen seien weder schwere Erkrankungen noch wesentliche gesundheitliche Einschränkungen erkennbar. Von einer gravierenden Einschränkung der Lernfähigkeit sei nicht auszugehen. Aufgrund des Umstandes, dass der Gesundheitszustand der Revisionswerberin weder physisch noch psychisch dauerhaft schlecht sei, werde davon ausgegangen, dass ihr die Erbringung der Nachweise bestimmter Deutschkurse möglich wäre. So habe die Revisionswerberin (unter anderem) im Jahr 2005 die Führerscheinprüfung in schriftlicher Form - zumindest auf Türkisch - abgelegt und sei es ihr möglich, als Lenkerin eines Kraftfahrzeugs die im Straßenverehr (in deutscher Sprache) angebrachten Verkehrsschilder zu beachten. Weshalb der Revisionswerberin die Überwindung ihres behaupteten Analphabetismus nicht möglich sei, habe von ihr nicht näher begründet werden können.

4 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Mit Beschluss vom 22. September 2017, E 2272/2017-5, lehnte der VfGH die Behandlung der Beschwerde ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Begründend führte der VfGH (unter anderem) aus, die Beschwerde lasse, soweit sie die Rechtswidrigkeit der die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtsvorschriften behaupte, angesichts des dem Gesetzgeber bei der Regelung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft eingeräumten Gestaltungsspielraumes die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.

5 Gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, sie werfe "die prinzipielle noch nie in der Rechtsprechung behandelte These" auf, "dass einer Frau", die einwandfrei Deutsch spreche, "nicht nur deswegen" die österreichische Staatsbürgerschaft versagt werden dürfe, weil sie keine deutschen Texte lesen könne. Damit untrennbar verbunden sei die unionsrechtliche Fragestellung des Erwerbs der Unionsbürgerschaft.

10 Damit verkennt die Revision, dass der Revisionswerberin die österreichische Staatsbürgerschaft nicht deshalb versagt wurde, weil sie (so die Revision) "keine deutsche Texte lesen" könne, sondern deshalb, weil sie keinen Nachweis ausreichender Deutschkenntnisse gemäß § 10a Abs. 1 Z 1 StbG erbrachte, welcher Voraussetzung jeglicher Verleihung der Staatsbürgerschaft ist (vgl. zu dieser Bestimmung VwGH 27.2.2013, 2010/01/0030).

11 Gegen die auf ein medizinisches Gutachten gestützte Annahme des Verwaltungsgerichtes, dass die Ausnahme des § 10a Abs. 2 Z 3 StbG für die Erbringung des Nachweises nicht gegeben sei, geht die Zulässigkeitsbegründung nicht weiter ein (vgl. zur Beurteilung dieser Ausnahme VwGH 25.4.2017, Ra 2016/01/0075).

12 Zur behaupteten unionsrechtlichen Fragestellung ist darauf hinzuweisen, dass eine Konstellation, wie sie dem Urteil EuGH 2.3.2010, Rottmann, C-135/08 , zu Grunde lag (nämlich die Entziehung der Staatsbürgerschaft) nicht vorliegt und damit kein Fall der Durchführung von Unionsrecht besteht (vgl. dazu VwGH 25.4.2017, Ra 2017/01/0091, mwN).

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

14 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

15 Auf die Anregung, eine näher bezeichnete Frage betreffend den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft dem EuGH gemäß Art. 267 AEUV vorzulegen, braucht angesichts der obigen Ausführungen in Rn. 12 nicht eingegangen zu werden.

Wien, am 20. Dezember 2017

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte