VwGH Ra 2018/01/0045

VwGHRa 2018/01/004522.3.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und Dr. Kleiser, Dr. Fasching, Mag. Brandl sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision der N K in S, vertreten durch Mag. Salih Sunar, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Salurnerstraße 14/1. Stock, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 7. November 2017, Zl. LVwG-2016/17/2548-1, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §39 Abs2;
StbG 1985 §27 Abs1;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018010045.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung (Staatsbürgerschaftsbehörde) vom 30.9.2016 wurde gemäß § 42 Abs. 3 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) festgestellt, dass die Revisionswerberin die mit Wirkung vom 4.7.2000 erworbene österreichische Staatsbürgerschaft auf Grund des freiwilligen Erwerbes der türkischen Staatsbürgerschaft mit dem Tag des Beschlusses 2001/2525 des türkischen Innenministeriums am 18.5.2001 gemäß § 27 Abs. 1 StbG verloren habe.

2 Begründend führte die Staatsbürgerschaftsbehörde im Wesentlichen aus, im Zuge eines Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Sohn der Revisionswerberin sei ein Auszug aus dem Familienregister (türkischen Personenstandsregister) bei der österreichischen Botschaft in Ankara vorgelegt worden. Aus diesem Auszug ergebe sich, dass die Revisionswerberin mit Erhalt der Ausscheidungsurkunde aus dem türkischen Staatsverband am 26.9.2000 ausgeschieden sei und mit Beschluss 2001/2525 des türkischen Innenministeriums vom 18.5.2001 wieder in den Staatsverband aufgenommen worden sei. In diesem Auszug sei verzeichnet, dass die Person gleichzeitig österreichische Staatsangehörige sei. Auf Grund der (durch die Staatsbürgerschaftsbehörde bei der österreichischen Botschaft in Ankara ermittelten) Rechtslage des türkischen Staatsbürgerschaftsgesetzes vom 11.2.1964, Nr. 403, stehe fest, dass in der Türkei die Staatsbürgerschaft nach Art. 11 des türkischen Staatsbürgerschaftsgesetzes nur über entsprechenden Antrag verliehen werde. Dies gelte auch für die "erneute Verleihung der Staatsbürgerschaft" gemäß Art. 8 des türkischen Staatsbürgerschaftsgesetzes (unter anderem an jene Personen, die - wie die Revisionswerberin - freiwillig aus der türkischen Staatsbürgerschaft ausgeschieden seien).

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde der Revisionswerberin gegen diesen Bescheid gemäß § 28 VwGVG als unbegründet abgewiesen (1.) und die ordentliche Revision für unzulässig erklärt (2.).

4 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, im vorliegenden Fall gehe es um den Erwerb, und zwar den freiwilligen Wiedererwerb, der türkischen Staatsbürgerschaft gemäß dem Beschluss 2001/2525 des türkischen Innenministeriums vom 18.5.2001, also zu einem Zeitpunkt, nachdem der Revisionswerberin die österreichische Staatsbürgerschaft bereits verliehen und noch nicht wieder aberkannt worden sei. Zu diesem Zeitpunkt habe die Revisionswerberin die österreichische Staatsbürgerschaft automatisch verloren. Wie oft sie nach diesem Datum die türkische Staatsbürgerschaft in der Folge dann wieder erworben und/oder verloren habe, spiele für den vorliegenden Fall keine Rolle.

5 Wichtig sei, dass die Revisionswerberin mit dem genannten Beschluss des türkischen Innenministeriums nachweislich nach Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft im Jahre 2000 die türkische Staatsbürgerschaft im Jahre 2001 wieder erworben habe, was zum automatischen Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft geführt habe.

6 Es sei nicht als unschlüssig zu erkennen, dass die Staatsbürgerschaftsbehörde beweiswürdigend dem Inhalt des von der österreichischen Botschaft in Ankara übermittelten Familienregisterauszuges folge. Auch sei nach den maßgeblichen Bestimmungen des türkischen Staatsangehörigkeitenrechts, wonach für den Wiedererwerb der Staatsbürgerschaft zwingende Antragstellung vorgeschrieben sei, vom Vorliegen eines Antrages auszugehen.

7 Vollkommen unberücksichtigt dürfe bleiben, dass die Revisionswerberin zwei weitere "endgültige" Bescheinigungen über die Entlassung aus dem türkischen Staatsverband im Jahre 2009 sowie im Jahre 2016 vorgelegt habe, weil sie die österreichische Staatsbürgerschaft bereits am 18. Mai 2001 ex lege verloren habe.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, gegenständlich sei die Wiedereinbürgerung der Revisionswerberin "in die türkische Staatsbürgerschaft vollkommen ohne sein (gemeint: ihr) Zutun" erfolgt. Entgegen der Ansicht der "belangten Behörde" habe es "in diesem spezifischen Fall" keines Antrages, keiner ausdrücklichen Zustimmung und keiner Erklärung für den Wiedererwerb bedurft, wobei die Revision auf Art. 8 des türkischen Staatsbürgerschaftsgesetzes verweist. Die Revisionswerberin habe mehrmals beteuert, weder einen Antrag noch eine Willenserklärung abgegeben zu haben. Die "belangte Behörde" wäre verpflichtet gewesen, die Entscheidung auf objektiv unzweifelhafte Beweisergebnisse zu stützen.

13 In den Revisionsgründen wird vorgebracht, die Türkei verfolge immer noch die Politik der Steigerung der Bevölkerungszahl und stelle bei der Wiedereinbürgerung über die türkischen Vertretungsbehörden den aktiv wirkenden Teil dar. Bei der Entlassung aus dem türkischen Staatsverband würden den Betroffenen durch die türkische Vertretungsbehörde mehrere vorgefertigte Formulare zum Unterzeichnen vorgelegt, ohne dass die Betroffenen darüber aufgeklärt würden. Diese Formulare würden von den Betroffenen unterzeichnet. Wenn es zu einer Wiedereinbürgerung gekommen sein sollte, so sei dies ohne Zweifel ohne Zutun der Revisionswerberin erfolgt.

14 Selbst wenn eine Wiedereinbürgerung in die türkische Staatsbürgerschaft erfolgt sein sollte, sei die Revisionswerberin im Zuge der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht darüber aufgeklärt worden, dass sie nach Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft keine andere bzw. fremde Staatsbürgerschaft beantragen bzw. annehmen dürfe.

Die Revision ist nicht zulässig:

15 Gemäß § 27 Abs. 1 StbG verliert die Staatsbürgerschaft, wer auf Grund seines Antrages, seiner Erklärung oder seiner ausdrücklichen Zustimmung eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, sofern ihm nicht vorher die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt worden ist.

16 Nach der hg. Rechtsprechung setzt die Bestimmung des § 27 Abs. 1 StbG voraus, dass der Staatsbürger eine auf den Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft gerichtete "positive Willenserklärung" abgibt und die fremde Staatsbürgerschaft infolge dieser Willenserklärung tatsächlich erlangt. Da das Gesetz verschiedene Arten von Willenserklärungen ("Antrag", "Erklärung", "ausdrückliche Zustimmung") anführt, bewirkt jede Willenserklärung, die auf Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit gerichtet ist, im Falle deren Erwerbs den Verlust der (österreichischen) Staatsbürgerschaft. Auf eine förmliche Verleihung der fremden Staatsangehörigkeit kommt es nicht an (vgl. VwGH 17.11.2017, Ra 2017/01/0334, mwN).

17 In Bezug auf ausländisches Recht gilt der Grundsatz "iura novit curia" nicht, sodass dieses in einem - grundsätzlich amtswegigen - Ermittlungsverfahren festzustellen ist, wobei aber auch hier die Mitwirkung der Beteiligten erforderlich ist, soweit eine Mitwirkungspflicht der Partei besteht (vgl. VwGH 20.6.2017, Ra 2017/01/0122, mwN).

18 Das Revisionsmodell soll sich nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren (vgl. RV 1618 BlgNR 24. GP , 16). Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt (VwGH 24.4.2014, Ra 2014/01/0010).

19 Ausgehend von diesen Grundsätzen zeigt die Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht auf:

20 Weder die Feststellungen des Verwaltungsgerichtes zum Inhalt des türkischen Staatsbürgerschaftsrechtes, wonach auch für den Wiedererwerb der türkischen Staatsbürgerschaft zwingend die Antragstellung vorgeschrieben ist, noch die beweiswürdigenden Erwägungen, wonach ausgehend von dem (durch die Revisionswerberin anlässlich einer Antragstellung auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für ihren Sohn vorgelegten) Auszug aus dem türkischen Personenstandsregister erwiesen sei, dass ein solcher Wiedererwerb der türkischen Staatsbürgerschaft vorlag, begegnen Bedenken. Soweit die Revision vorbringt, dass nach Art. 8 des türkischen Staatsbürgerschaftsgesetzes der Ministerrat Personen die Wiedereinbürgerung bewilligen könne, welche die türkische Staatsangehörigkeit verloren hätten, wird damit die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass auch in diesen Fällen die Verleihung der türkischen Staatsbürgerschaft nur auf Antrag der betreffenden Person erfolgen kann, nicht entkräftet. Die von der Revisionswerberin aufgestellten Behauptungen können eine krasse Fehlbeurteilung des Verwaltungsgerichtes daher nicht dartun (vgl. zum Maßstab einer krassen Fehlbeurteilung bei einer einzelfallbezogenen Beweiswürdigung etwa VwGH 23.2.2016, Ra 2016/01/0023, mwN).

21 Zudem ist darauf hinzuweisen, dass ein Irrtum über die Auswirkungen des gewollten Erwerbs einer fremden Staatsangehörigkeit - selbst wenn er unverschuldet wäre - die Rechtswirksamkeit eines auf den Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit gerichteten Antrages im Sinne des § 27 Abs. 1 StbG nicht zu beseitigen vermag. Vielmehr tritt der Verlust der Staatsbürgerschaft unabhängig davon ein, ob er beabsichtigt war, auch wenn der Betroffene die österreichische Staatsbürgerschaft beibehalten wollte (vgl. VwGH 19.12.2012, 2012/01/0059, mwN).

22 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

Wien, am 22. März 2018

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