VwGH Ra 2017/22/0204

VwGHRa 2017/22/020422.3.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des Landeshauptmannes von Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 4. Oktober 2017, VGW-151/011/1621/2017-10, VGW-151/011/1622/2017 und VGW- 151/011/1623/2017, betreffend Aufenthaltstitel (mitbeteiligte Parteien: 1. A A, vertreten durch U A, 2. M A, vertreten durch U A, 3. U A, vertreten durch MMag. Michael Krenn, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 5/19), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §39 Abs2;
NAG 2005 §11 Abs1 Z5;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §9;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017220204.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Die Drittmitbeteiligte ist die Mutter der beiden minderjährigen erst- und zweitmitbeteiligten Parteien; alle sind Staatsangehörige der Vereinigten Staaten von Amerika. Am 11. August 2016 stellte die Drittmitbeteiligte während eines visumfreien Aufenthalts im Inland für sich einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Student" und für ihre beiden Kinder einen solchen als Familienangehörige.

2 Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheid vom 14. November 2016 die Anträge gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) wegen nicht nachgewiesener ausreichender Unterhaltsmittel ab.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien (VwG) den Beschwerden statt, erteilte den mitbeteiligten Parteien die beantragten Aufenthaltstitel befristet auf ein Jahr und erklärte eine ordentliche Revision für unzulässig.

Begründend führte das VwG im Wesentlichen aus, die mitbeteiligten Parteien hätten ausreichende Unterhaltsmittel nachgewiesen, weshalb ihnen die Aufenthaltstitel zu erteilen seien; "eine Erörterung der Aufenthaltsberechtigung im Sinne des § 11 Abs. 3 NAG" erübrige sich.

4 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision mit dem Begehren, das Erkenntnis wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

5 Die mitbeteiligten Parteien beantragten in ihrer Revisionsbeantwortung die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

6 In ihrer Zulässigkeitsbegründung bringt die Revision unter anderem vor, das VwG weiche von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil es außer Acht gelassen habe, dass die mitbeteiligten Parteien zwar zur Inlandsantragstellung am 11. August 2016 berechtigt gewesen seien, zum Zeitpunkt der Entscheidung des VwG der sichtvermerkfreie Zeitraum (seit 24. Oktober 2016) jedoch schon abgelaufen gewesen sei und daher der Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG der Erteilung der Aufenthaltstitel entgegen stehe. Eine Interessenabwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG sei ebenfalls unterblieben.

7 Aufgrund dieses Vorbringens ist die Revision zulässig, sie ist auch berechtigt.

8 Zunächst ist darauf hinweisen, dass das VwG bei der Prüfung der vorliegenden Sache (nämlich der Voraussetzungen für eine Erteilung eines Aufenthaltstitels "Studierender" für die Erstmitbeteiligte bzw. "Familienangehörige" für die zweit- und drittmitbeteiligten Parteien) auf Grund der Beschwerde in seiner rechtlichen Beurteilung nicht an das Beschwerdevorbringen der mitbeteiligten Partei gebunden war, sondern seiner Entscheidung sämtliche aktenkundigen bzw. im Beschwerdeverfahren hervorgekommenen Sachverhaltselemente zugrunde legen durfte und musste (vgl. etwa VwGH 27.1.2016, Ra 2014/10/0038, mwN). Konkret hatte das VwG sämtliche Erteilungsvoraussetzungen für die beantragten Aufenthaltstitel und alle Erteilungshindernisse gemäß § 11 NAG zu prüfen.

9 Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22. Februar 2018, Ra 2017/22/0154, aussprach, ist der Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG selbst dann erfüllt, wenn der Fremde nach sichtvermerkfreier Einreise rechtmäßig einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Inland stellte, die Dauer des erlaubten Aufenthaltes jedoch überschritt und erst zu einem späteren Zeitpunkt aus dem Bundesgebiet ausreiste.

10 In Verkennung der Rechtslage sind dem angefochtenen Erkenntnis keine Feststellungen zu entnehmen, dass sich das VwG mit dem Versagungsgrund der Überschreitung der Dauer des visumfreien Aufenthalts auseinandergesetzt hätte. In der Folge unterblieb auch eine Interessenabwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG.

11 Letztlich wird zu dem auf § 21 NAG bezogene Vorbringen der Mitbeteiligten auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Ra 2017/22/0184, verwiesen.

12 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 22. März 2018

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