VwGH Ra 2017/20/0138

VwGHRa 2017/20/013828.3.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, in der Rechtssache der Revision des T P, vertreten durch Dr. Georg Hoffmann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Volksgartenstraße 3/2.OG, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. April 2017, Zl. W197 2109210- 1/22E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017200138.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) wurde die Beschwerde des Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen Afghanistans, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 9. Juni 2015, mit dem der Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach §§ 55 und 57 AsylG 2005 nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt worden war, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei, sowie eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG festgelegt worden war, mit der Maßgabe abgewiesen, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

2 Dagegen erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 13. Dezember 2017, E 1695/2017-19, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Die Revision bringt in der Zulässigkeitsbegründung im Wesentlichen vor, das BVwG habe weder ein ordnungsgemäßes Verfahren zur Sachverhaltsermittlung durchgeführt noch sei die Beweiswürdigung schlüssig. Die Anfrage an die Staatendokumentation habe sich nicht auf den richtigen Wohnort bezogen und in weiterer Folge habe es das BVwG unterlassen, Ermittlungen zum Wohnort des Revisionswerbers durchzuführen. Die vorgelegte Tazkira sei nicht in die Beweiswürdigung einbezogen worden. Bezogen auf die Sicherheitslage habe sich das BVwG auf veraltete Länderfeststellungen gestützt, ohne auf die vorgelegten aktuelleren Berichte einzugehen. Die Annahme, dass der Revisionswerber gesund und arbeitsfähig sei, widerspreche außerdem der Aktenlage und dem Vorbringen des Revisionswerbers. Insofern sei die Beweiswürdigung nicht schlüssig. Darüber hinaus sei eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul nicht vertretbar, da der Revisionswerber nur bis zu seinem sechsten Lebensjahr in Kabul gelebt habe und daher aktuell keine sozialen Anknüpfungspunkte mehr habe. Auch sei das der innerstaatlichen Fluchtalternative innewohnende Zumutbarkeitskalkül in keiner Weise berücksichtigt und es seien keine Feststellungen zu der zu erwartenden Lage in Kabul getroffen worden.

7 Das BVwG hat dem Vorbringen des Revisionswerbers - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und einer (weiteren) Anfrage an die Staatendokumentation - die Glaubwürdigkeit abgesprochen.

8 Soweit der Beweiswürdigung des BVwG entgegengetreten wird, ist auszuführen, dass im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vorliegt, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. etwa VwGH 20.10.2016, Ra 2016/20/0260, mwN). Die Ausführungen in der Revision zeigen nicht auf, dass die Beweiswürdigung des BVwG unvertretbar und nicht schlüssig wäre.

9 Wenn der Revisionswerber die Beweiswürdigung hinsichtlich des Wohnortes für nicht schlüssig und unvertretbar erachtet und diesbezüglich Ermittlungsmängel geltend macht, ist dem entgegenzuhalten, dass sowohl das BFA als auch das BVwG bei seinen jeweiligen Ermittlungen von den eigenen und aktuellen Angaben des Revisionswerbers ausgegangen sind und die Existenz des Herkunftsortes zweifach überprüft wurde. Die Beurteilung der solcherart gewonnenen Beweisergebnisse begegnet keinen Bedenken.

10 Soweit der Revisionswerber in diesem Zusammenhang die Nichteinbeziehung der Tazkira (der dort angeführten, laut Revision ähnlich klingenden Ortsbezeichnung) bemängelt, legt er nicht gleichzeitig die Relevanz eines solchen Verfahrensmangels dar. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Suche der Staatendokumentation nach dem Akteninhalt mit unterschiedlichen Schreibweisen, mit fremdsprachigen Äquivalenten und nach phonetisch ähnlichen Bezeichnungen erfolgte.

11 Die Beurteilung des BVwG, der Revisionswerber sei gesund, ist entgegen dem Revisionsvorbringen nicht zu beanstanden, weil der Revisionswerber zu seinem Gesundheitszustand in der mündlichen Verhandlung nichts Gegenteiliges vorbrachte sowie in der nachfolgenden Stellungnahme ausdrücklich angab, keine gesundheitlichen Beschwerden zu haben. Am Boden dieses Vorbringens durfte das BVwG davon ausgehen, dass der Revisionswerber gesund ist. Daran vermögen die der Revision beigelegten Zeitbestätigungen der Ambulanz der Sigmund Freud Privatuniversität, die allesamt Termine nach Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses betreffen, nichts zu ändern.

12 Die Asylbehörden haben bei den Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens von Asylwerbern die zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten Organisationen in die Entscheidung einzubeziehen. Das gilt auch für von einem VwG geführte Asylverfahren. Auch das BVwG hatte daher seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen. Eine Verletzung dieser Vorgabe stellt einen Verfahrensmangel dar. Es reicht jedoch nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel darzulegen (VwGH 24.1.2017, Ra 2016/01/0338, mwN).

Sofern eine fehlende Aktualität der im angefochtenen Erkenntnis herangezogenen Länderberichte angesprochen wird, zeigt die Revision nicht auf, welche neueren Länderfeststellungen zu einer günstigeren Entscheidung für den Revisionswerber hätten führen können.

13 Auch hinsichtlich der Verweisung des Revisionswerbers auf eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul befindet sich das BVwG im Einklang mit der hg. Rechtsprechung (vgl. VwGH 22.2.2018, Ra 2017/18/0386; 25.4.2017, Ra 2017/01/0016; 8.9.2016, Ra 2016/20/0063, jeweils mwN). In diesem Zusammenhang hat das BVwG fallspezifisch festgestellt, dass die Sicherheitslage im Lichte der aktuellen Länderberichte jedenfalls nicht prekär sei, der Revisionswerber als Paschtune - wie sich ebenfalls aus den Länderfeststellungen ergebe - über ein gutes Netzwerk verfüge, und dass er gesund und arbeitsfähig sei. Die Revision vermag vor diesem Hintergrund mit ihrem Vorbringen, der Revisionswerber habe keine sozialen Anknüpfungspunkte in Kabul und habe lediglich bis zum Alter von rund sechs Jahren in Kabul gelebt, nicht darzutun, dass die Beurteilung des BVwG hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtswidrig wäre.

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

15 Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 28. März 2018

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