VwGH Ra 2017/19/0557

VwGHRa 2017/19/05575.4.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, in der Revisionssache 1. des I B,

2. der S B, 3. der N B, und 4. der A B, alle vertreten durch Mag. Christian Hirsch, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Hauptplatz 28, betreffend 1. den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung von Revisionen gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16. Oktober 2017, W182 2118348-2/3E, W182 2118350-2/2E, W182 2118349-2/2E und W182 2128770-2/2E, in einer Angelegenheit nach dem AsylG 2005 und dem FPG, und 2. die Revisionen gegen das genannte Erkenntnis (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

ABGB §1332;
GO BVwG 2014 §20 Abs1;
GO BVwG 2014 §20 Abs6;
VwGG §46 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017190557.L00

 

Spruch:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 16. Oktober 2017 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden der revisionswerbenden Parteien gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19. September 2017, mit denen ihre Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen die revisionswerbenden Parteien Rückkehrentscheidungen erlassen worden waren und festgestellt worden war, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei und keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe, als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision gegen dieses Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2 Nach Zustellung dieses Erkenntnisses stellten die revisionswerbenden Parteien an den Verwaltungsgerichtshof Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe. Mit Beschluss vom 7. Dezember 2017, der den revisionswerbenden Parteien am 18. Dezember 2017 zugestellt wurde, wurden diese Anträge vom Verwaltungsgerichtshof abgewiesen.

3 Die vorliegende Revision wurde im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs unter Verwendung der Übermittlungsstelle "MAN" am 29. Jänner 2018 um 18:29:24 Uhr beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht.

4 Unter Hinweis darauf, dass die Revision nach der Aktenlage außerhalb der in § 20 Abs. 1 Geschäftsordnung des Bundesverwaltungsgerichtes (GO-BVwG) festgesetzten Amtsstunden eingebracht worden sei und somit verspätet erscheine, wurde den revisionswerbenden Parteien vom Verwaltungsgerichtshof die Möglichkeit eingeräumt, Stellung zu nehmen.

5 Mit Schriftsatz vom 14. März 2018 brachten die revisionswerbenden Parteien eine Stellungnahme ein und beantragten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Revision. In der Revision sei der 18. Dezember 2017 als Zustelltermin des die Anträge auf Verfahrenshilfe abweisenden Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Dezember 2017 angegeben worden. Dabei habe es sich um den frühestmöglichen Termin einer Zustellung gehandelt. Da es aber "durchaus denkbar" sei, dass der genannte Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes erst "ein bis zwei Tage später" zugestellt worden sei, werde "angeregt", den tatsächlichen Zustelltermin zu überprüfen. Bei Einbringung der Revision sei der Vertreter der revisionswerbenden Parteien aber vom frühestmöglichen Zustelltermin mit 18. Dezember 2017 ausgegangen. Die Revision sei am Vormittag des 29. Jänner 2018 in der Kanzlei des Rechtsvertreters geschrieben worden. Etwa gegen 14:00 Uhr habe der Rechtsvertreter an seine "äußerst zuverlässige und korrekte Sekretärin" den Auftrag erteilt, die Revision "umgehend per ERV zur Absendung zu bringen". Der Sekretärin sei wohl die Bedeutung der Einhaltung der Fristen bekannt gewesen. Sie habe aber nicht gewusst, dass eine Einbringung nach 15:00 Uhr nicht mehr fristwahrend wäre. Dieser Fehler der ansonsten äußerst zuverlässigen, pflichtbewussten und aufmerksamen Sekretärin stelle einen minderen Grad des Versehens dar, sodass die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegeben seien.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 Zur Rechtzeitigkeit der Revision:

7 Nach den dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Rückscheinen sowie nach den Ausführungen in der Revision selbst wurde der die Anträge der revisionswerbenden Parteien auf Verfahrenshilfe abweisende Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Dezember 2017 den revisionswerbenden Parteien am 18. Dezember 2017 zugestellt. Mit diesem Zeitpunkt begann daher gemäß § 26 Abs. 3 VwGG die Revisionsfrist zu laufen, sodass diese am 29. Jänner 2017 endete.

8 Eine am letzten Tag der Revisionsfrist im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs beim Bundesverwaltungsgericht nach Ablauf der in § 20 Abs. 1 GO-BVwG für die Zeit von 8:00 Uhr bis 15:00 Uhr festgesetzten Amtsstunden eingebrachte Revision gilt gemäß § 20 Abs. 6 GO-BVwG erst mit Beginn der Amtsstunden des nächsten Arbeitsstages als eingebracht (vgl. grundlegend VwGH 17.11.2015, Ra 2014/01/0198; sowie aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 24.11.2016, Ra 2015/08/0194; 23.2.2016, Ra 2015/01/0195).

9 Die vorliegende am letzten Tag der Revisionsfrist um 18:29 Uhr beim Bundesverwaltungsgericht eingebrachte Revision erweist sich daher als verspätet.

10 Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

11 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Ein minderer Grad des Versehens hindert die Wiedereinsetzung nicht.

12 Das Verschulden des Parteienvertreters trifft nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die von diesem vertretene Partei, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt (VwGH 13.11.2017, Ra 2017/01/0041, mwN). Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist diesem als Verschulden anzurechnen, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber dem Angestellten unterlassen hat. Der bevollmächtigte Anwalt muss den Aufgaben, die ihm aus dem Bevollmächtigungsvertrag erwachsen, auch insoweit nachkommen, als er sich zu ihrer Wahrung seiner Kanzlei als Hilfsapparat bedient (vgl. VwGH 22.02.2017, Ra 2016/17/0296 bis 0297, mwN).

13 Der vorliegende Antrag auf Wiedereinsetzung wurde darauf gestützt, dass eine Einbringung der Revision außerhalb der Amtsstunden des Bundesverwaltungsgerichtes erfolgt sei, obwohl der Rechtsvertreter der revisionswerbenden Parteien seiner Kanzleikraft "gegen 14:00 Uhr" den Auftrag zur "umgehenden" Einbringung erteilt habe. In seinem Beschluss vom 30. Juni 2016, Ra 2015/19/0155, hatte sich der Verwaltungsgerichtshof bereits mit einem vergleichbaren Vorbringen zu befassen, sodass gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz und Abs. 9 VwGG auf die Begründung dieses Beschlusses verwiesen wird. Auch im vorliegenden Fall hätte der Rechtsvertreter - insbesondere auch unter Beachtung der gegenteiligen Rechtslage und Praxis in Zivil- und Strafverfahren vor den ordentlichen Gerichten - damit rechnen müssen, dass sein Auftrag von seiner Kanzleikraft so verstanden werden würde, dass auch eine Einbringung im Laufe des Kalendertages ausreichend wäre. Die Frage, binnen welcher Frist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof einzubringen ist, bedarf aber jedenfalls einer Beurteilung durch den einschreitenden Rechtsanwalt selbst. Das Unterbleiben einer das Erfordernis der Einbringung vor Ablauf der Amtsstunden klarstellenden Anweisung an die Kanzleikraft ist dem Rechtsvertreter als eine einen minderen Grad des Versehens übersteigende Sorglosigkeit anzulasten. Bereits ausgehend vom Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag war daher von einem nicht mehr bloß minderen Grad des Versehens des Rechtsvertreters der revisionswerbenden Parteien auszugehen (vgl. auch VwGH 25.10.2017, Ra 2017/12/0074).

14 Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß § 46 Abs. 1 und Abs. 4 VwGG abzuweisen und die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 5. April 2018

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