VwGH Ra 2017/17/0334

VwGHRa 2017/17/033420.12.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kovacs, über die Revision des H H in K, vertreten durch Mag. Julia Eckhart, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Hofgasse 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 9. Februar 2017, LVwG 41.23-1904/2016-6, betreffend Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Leoben), zu Recht erkannt:

Normen

VwGVG 2014 §44 Abs2;
VwGVG 2014 §44 Abs4;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170334.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigte das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) die bescheidmäßige Beschlagnahme von sechs im Eigentum des Revisionswerbers stehenden Glücksspielgeräten und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

2 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit und die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurückweisung bzw. Abweisung der Revision beantragt.

 

3 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Zum Zulässigkeitsvorbringen der Revision ist zunächst festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09 , Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C-390/12 , Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15 , Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17 , Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a.,C-79/17 ). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12 .

8 Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017,

Online Games Handels GmbH ua, C-685/15 , die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. wieder VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048, 0049).

9 Dennoch erweist sich die Revision als zulässig und berechtigt:

10 Das LVwG hat, wie der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung zutreffend aufzeigt, im vorliegenden Fall keine mündliche Verhandlung durchgeführt und dies im angefochtenen Erkenntnis damit begründet, dass "die entscheidungswesentlichen Sachverhalte und Elemente bereits durch den vorgelegten Akt der belangten Behörde ausreichend dargelegt und geklärt sind. Die mündliche Erörterung hätte damit zu keiner Änderung der Sach- und Rechtslage geführt". Überdies habe der Revisionswerber keine Beweisanträge gestellt.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit § 53 Abs. 2 GSpG bereits mehrmals ausgesprochen, dass die Bestimmungen über die Beschlagnahme im Glücksspielgesetz als Regelungen des Verwaltungsstrafverfahrens zu verstehen sind, weshalb die Vorschriften über das Verfahren in Verwaltungsstrafsachen des VwGVG (§§ 37ff VwGVG) zur Anwendung zu gelangen haben. Im Hinblick auf die in Frage stehende Verhandlungspflicht bedeutet dies im vorliegenden Fall, dass § 44 VwGVG anzuwenden gewesen wäre (vgl. VwGH 1.6.2017, Ra 2016/17/0200, mwN).

12 Das Verwaltungsgericht hat gemäß § 44 Abs. 1 VwGVG grundsätzlich eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In den Abs. 2 bis 5 leg. cit. finden sich Ausnahmen von der Verhandlungspflicht. So entfällt die Verhandlung nach Abs. 2 leg. cit., wenn der Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Liegen diese Voraussetzungen nach Abs. 2 leg. cit. nicht vor und hat die Partei einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt, so kann das Verwaltungsgericht nach § 44 Abs. 4 VwGVG nur dann von einer Verhandlung absehen, wenn es einen Beschluss zu fassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. Ein Absehen von der Verhandlung ist jedenfalls (ausreichend) zu begründen (vgl. beispielsweise wieder VwGH 1.6.2017, Ra 2016/17/0200, mwN).

13 Die revisionswerbende Partei hatte in ihrer Beschwerde ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Das LVwG hat über diese Beschwerde mit abweisendem Erkenntnis entschieden, weshalb ein Absehen weder nach § 44 Abs. 2 VwGVG noch nach § 44 Abs. 4 VwGVG in Betracht kommt (vgl. VwGH 12.4.2018, Ra 2017/17/0810, mwN).

14 Da auch sonst keine der in § 44 VwGVG genannten Voraussetzungen für ein Absehen von einer mündlichen Verhandlung vorgelegen sind, erweist sich das angefochtene Erkenntnis bereits aus diesem Grunde als rechtswidrig.

15 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

16 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

17 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 20. Dezember 2018

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