Normen
BAO §22 Abs1;
UStG 1994 §12 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §63 Abs1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017130086.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Zur Vorgeschichte des Revisionsfalles ist zunächst auf das Erkenntnis vom 27. Mai 2015, 2012/13/0022, zu verweisen.
2 Die Revisionswerberin hatte dem Finanzamt im Dezember 2001 die Absicht angezeigt, ein zur Vermietung bestimmtes Haus zu errichten, und das fertiggestellte Haus im Dezember 2006 an ihre Eltern vermietet.
3 Das Finanzamt ging im Anschluss an eine im Juli 2010 abgeschlossene Außenprüfung davon aus, das Haus sei auf die persönlichen Bedürfnisse der Eltern der Revisionswerberin, die schon als Mieter festgestanden seien, zugeschnitten gewesen. Aus "privaten Motiven (z.B. zur Versorgung naher Angehöriger) eingegangene Mietverhältnisse" hätten "für den Bereich des Steuerrechts keine rechtliche Wirkung". Kritisiert wurde vom Finanzamt auch die von der Revisionswerberin zur Abwehr der Annahme von Liebhaberei vorgelegte Prognoserechnung, die kein Mietausfallsrisiko berücksichtige. Bei Ausfall der Eltern als Mieter werde es auf Grund der Lage des Objektes und deshalb, weil es sich um ein Einfamilienhaus handle, schwierig sein, geeignete Mieter zu finden.
4 Gegen die Bescheide des Finanzamts, mit denen - soweit revisionsgegenständlich - die gemäß § 12 Abs. 1 UStG 1994 geltend gemachten Vorsteuern im Zusammenhang mit der Errichtung des Hauses in den Streitjahren 2002 bis 2006 nicht anerkannt wurden, erhob die Revisionswerberin im September 2010 Berufung. In deren nachgetragener Begründung brachte sie u.a. vor, ihre Eltern seien bei Baubeginn noch nicht als Mieter festgestanden. Erst "gegen Ende der Baufertigstellung" sei bei den Eltern "der Entschluss" entstanden, "dass sie das Haus mieten könnten", was die Revisionswerberin aus näher dargestellten Gründen zur "Bevorzugung der Eltern als Mieter gegenüber fremden Dritten" veranlasst habe. Mit einem Ausfall der Eltern als Mieter sei bis zur Erreichung eines Gesamtüberschusses nicht zu rechnen.
5 Bei einer Nachschau im März 2010 hatte die Revisionswerberin ohne zeitliche Zuordnung angegeben, "nachdem" ihre Eltern als Mieter festgestanden seien, habe sie "keine weitere(n) Schritte" zur Mietersuche gesetzt.
6 Der unabhängige Finanzsenat wies die Berufung mit Bescheid vom 21. Dezember 2011 als unbegründet ab. Er stützte diese Entscheidung auf die Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen und vertrat die Ansicht, der von der Revisionswerberin mit ihren Eltern geschlossene Mietvertrag halte einem Fremdvergleich nicht stand, weil die Miete - gemessen am Ergebnis einer vom unabhängigen Finanzsenat vorgenommenen "Herleitung fremdüblicher Mieten durch Umkehrung des Ertragswertverfahrens" - zu niedrig sei. Der Vorsteuerabzug stehe der Revisionswerberin daher nicht zu.
7 In der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen diesen Berufungsbescheid wandte sich die Revisionswerberin vor allem gegen die "willkürlich" gewählte Methode zur Berechnung der fremdüblichen Miete. Die Beschwerde enthielt - erstmals und unter Verstoß gegen das Neuerungsverbot - auch Behauptungen über eine erfolglose, der Vermietung an die Eltern vorausgegangene Mietersuche ab dem Frühjahr 2006.
8 Mit dem Vorerkenntnis vom 27. Mai 2015, 2012/13/0022, wurde die Entscheidung des unabhängigen Finanzsenates betreffend die jetzt revisionsgegenständliche Umsatzsteuer für die Streitjahre 2002 bis 2006 wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben, weil die Revisionswerberin schon im Verwaltungsverfahren geltend gemacht hatte, die Möglichkeit einer Vermietung an ihre Eltern habe sich erst im Lauf des Jahres 2006 ergeben. Maßgeblich für die umsatzsteuerliche Beurteilung sei jeweils der Zeitpunkt der Leistung. In Bezug auf die für die Jahre 2002 bis 2006 strittigen Vorsteuern bedürfe es daher einer Klärung der strittigen Frage, zu welchem Zweck das Gebäude errichtet worden sei.
9 Das inzwischen zuständig gewordene Bundesfinanzgericht richtete schriftliche Vorhalte an die Revisionswerberin, worauf diese u.a. mit der Vorlage eidesstattlicher Erklärungen ihrer Eltern reagierte, und vernahm in der Folge ihren früheren Ehegatten, ihren steuerlichen Vertreter und die Revisionswerberin selbst.
10 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die von ihm als Beschwerde zu behandelnde Berufung gegen die Bescheide über Umsatzsteuer für die Jahre 2002 bis 2006 als unbegründet ab. Es begründete dies zunächst damit, dass "die Behauptungen über eine der Vermietung an die Eltern vorausgegangene Mietersuche nicht erhärtet werden konnten", weshalb "die Beschwerde auf Basis der Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofes als unbegründet abzuweisen" gewesen sei. Als "zweiten Blickwinkel", aus dem so zu entscheiden sei, zählte das Bundesfinanzgericht in sieben Punkten Ermittlungsergebnisse im Zusammenhang mit der schriftlich vorgehaltenen Annahme auf, das Objekt sei "auf die Familie der Bf. im Zeitpunkt der Errichtung des Hauses zugeschnitten" gewesen. Schließlich wurde drittens - auf etwas andere Weise als in der aufgehobenen Berufungsentscheidung - nochmals vorgerechnet, die mit den Eltern vereinbarte Miete habe nicht der "üblichen Rendite" entsprochen.
11 Feststellungen darüber, wann die Revisionswerberin beschlossen habe, das Objekt auf diese Weise zu vermieten, traf das Bundesfinanzgericht nicht.
12 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für unzulässig, weil die Entscheidung "auf Grund der Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofes" ergehe.
13 Dagegen richtet sich - nach Ablehnung und Abtretung einer an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde mit dessen Beschluss vom 8. Juni 2017, E 347/2017-7 - die vorliegende außerordentliche Revision, zu der das Finanzamt eine Revisionsbeantwortung erstattet hat.
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
15 Die Revision ist zulässig und begründet, weil das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes dem Vorerkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht ausreichend Rechnung trägt.
16 Die Revisionswerberin hat das strittige Objekt im Jahr der Fertigstellung (2006) an ihre Eltern vermietet, wobei das Finanzamt auf Grund der Ergebnisse einer Außenprüfung offenbar annahm, es liege ein aus privaten Motiven eingegangenes Mietverhältnis vor. Das Finanzamt meinte außerdem, das Objekt wäre (an Fremde) schwer vermietbar.
17 Demgegenüber stützte der unabhängige Finanzsenat die mit dem Vorerkenntnis aufgehobene Entscheidung darauf, dass der mit den Eltern vereinbarte Mietzins nicht fremdüblich sei, von Fremden also ein höherer Mietzins erzielbar gewesen wäre. Eine Liebhabereiprüfung in Bezug auf das inzwischen seit mehr als zehn Jahren vermietete Objekt nahm weder der unabhängige Finanzsenat noch im nunmehr angefochtenen Erkenntnis das Bundesfinanzgericht vor.
18 Die angefochtene Entscheidung beruht primär auf der Rechtsansicht, der strittige Vorsteuerabzug stehe der Revisionswerberin (schon) deshalb nicht zu, weil "die Behauptungen über eine der Vermietung an die Eltern vorausgegangene Mietersuche nicht erhärtet werden konnten". Die nach dem Vorerkenntnis für den Vorsteuerabzug maßgebliche Frage, zu welchem Zweck das Gebäude errichtet wurde, ist damit - von Fragen einer nachvollziehbaren Beweiswürdigung abgesehen - aber nicht beantwortet, womit die angefochtene Entscheidung dem Vorerkenntnis nicht Rechnung trägt und der ihr gemäß § 63 Abs. 1 VwGG zugrunde zu legenden Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes widerspricht.
19 Die hilfsweise in sieben Punkten angestellten Überlegungen zu den Räumlichkeiten und Platzverhältnissen im streitgegenständlichen Mietobjekt und das Beharren des Bundesfinanzgerichtes auf der Ansicht, die mit den Eltern vereinbarte Miete sei zu gering, ändern nichts am Fehlen klarer und auf eine ausreichende Beweiswürdigung - im Hinblick auf die mit Stillschweigen übergangenen eidesstattlichen Erklärungen der Eltern, aber etwa auch auf die mit der Aussage der Revisionswerberin grundsätzlich übereinstimmenden Angaben der beiden Zeugen - gestützter Feststellungen über den nach dem Vorerkenntnis maßgeblichen Sachverhalt.
20 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
21 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 17. Oktober 2018
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