European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017130064.L00
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Erkenntnis wird dahingehend abgeändert, dass es zu lauten hat: "Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben. Die aus den Abgabenfestsetzungen vom 8. Juni 2004 (Einkommensteuer für die Jahre 1997 und 1998) und deren Bestätigung durch den unabhängigen Finanzsenat herrührenden Abgabenschuldigkeiten des Beschwerdeführers werden nachgesehen, soweit sie noch unberichtigt aushaften. Im Übrigen (hinsichtlich des schon entrichteten Teils) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen."
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Revisionsgegenständlich ist im zweiten Rechtsgang - nach Aufhebung einer ersten Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes (VwGH 24.2.2016, Ra 2015/13/0044) - die vom Revisionswerber im Februar 2013 beantragte Nachsicht seiner Abgabenschuldigkeiten aus der Festsetzung seiner Einkommensteuer für die Jahre 1997 und 1998 mit im Rechtsmittelverfahren bestätigten Bescheiden des Jahres 2004 (vgl. zur Festsetzung dieser Abgaben VwGH 15.12.2010, 2008/13/0012, VwSlg 8603/F). Das Nachsichtsbegehren stützt sich auf Gesichtspunkte der persönlichen Unbilligkeit (Mittellosigkeit des Revisionswerbers und Erschwerung des Wiedereinstiegs in das Berufsleben durch Einbringungsmaßnahmen) und der sachlichen Unbilligkeit (Mitschuld der Finanzbehörden an der unvertretbaren Länge des Strafverfahrens, während dessen Dauer der Revisionswerber seinen Beruf als Bankdirektor nicht ausüben konnte und in dem er schließlich freigesprochen wurde), die nach dem Vorerkenntnis vom 24. Februar 2016 nicht isoliert, sondern in einer Gesamtschau zu würdigen sind.
2 Der 1962 geborene, niederländische Revisionswerber war nach wechselnden Tätigkeiten im internationalen Bankgeschäft in den Jahren 1997 und 1998, in denen er in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig war, auf zweifache Weise mit einem österreichischen Tochterunternehmen der Ungarischen Nationalbank befasst, nämlich einerseits als Vorstandsmitglied des Tochterunternehmens und andererseits als Berater (indirekt) der Ungarischen Nationalbank, als der er einen Käufer für das Tochterunternehmen finden sollte. Von seinen Vorstandsbezügen wurde Lohnsteuer in Abzug gebracht, wobei es für das Jahr 1997 auch zu einer vom Revisionswerber beantragten Arbeitnehmerveranlagung kam. Die Beratungstätigkeit verrichtete der Revisionswerber nicht im eigenen Namen, sondern namens einer zu diesem Zweck erworbenen liechtensteinischen Aktiengesellschaft, die keine bloße Domizilgesellschaft, sondern ein in Liechtenstein tätiges und besteuertes Unternehmen war. Die Aktiengesellschaft schloss den Vertrag über die Mitwirkung am Verkauf des österreichischen Tochterunternehmens mit einer liechtensteinischen Tochter dieses Tochterunternehmens.
3 Vor Errichtung dieser Vertragskonstruktion (Dienstvertrag des Revisionswerbers mit der österreichischen Tochtergesellschaft der Ungarischen Nationalbank, Beratungsvertrag zwischen der Ungarischen Nationalbank und ihrer Enkelgesellschaft in Liechtenstein, Beratungsvertrag zwischen dieser und der liechtensteinischen Aktiengesellschaft des Revisionswerbers) hatte die Ungarische Nationalbank im Mai 1997 eine Expertise von C & D Budapest eingeholt, worin u.a. dargelegt wurde, die Beteiligung des Revisionswerbers an seiner liechtensteinischen Aktiengesellschaft habe in Österreich "keine einkommensteuerrelevanten Auswirkungen, sofern die Gesellschaft im betreffenden Zeitraum kein Einkommen ausschüttet (Gehalt, Dividenden, etc.)". Die von den Anwälten vorbereiteten Verträge könnten "aus steuerlicher Hinsicht als einwandfrei akzeptabel angesehen werden" und entsprächen "den verschiedenen geltenden Rechtssystemen" der involvierten Länder. Es werde "daher empfohlen, die vorgeschlagene Struktur zu wählen, da sie sowohl in steuerlicher als auch in rechtlicher Hinsicht vorteilhafter ist als der frühere Vorschlag" des Abschlusses je eines Dienstvertrages des Revisionswerbers mit der österreichischen Tochtergesellschaft und mit der liechtensteinischen Enkelgesellschaft der Ungarischen Nationalbank.
4 Politische Veränderungen in Ungarn führten im Jahr 1998 zur Auflösung der Vertragsbeziehungen, was mit einer in Österreich versteuerten Abfindung des Revisionswerbers als Vorstandsmitglied und mit dem Zufluss eines hohen Betrages an seine liechtensteinische Aktiengesellschaft verbunden war. Der Revisionswerber behielt seinen 1997 begründeten Wohnsitz in Österreich bei, nahm vorerst aber keine neue Beschäftigung an.
5 Im Dezember 2000 langte beim Bundesministerium für Finanzen eine anonyme Anzeige gegen den Revisionswerber ein, in der er beschuldigt wurde, eine mit der vorzeitigen Vertragsauflösung verbundene Abfindung in der Höhe von etwa S 35 Mio, die auf sein Konto "bei einer Bank in der Schweiz oder Liechtenstein" eingegangen sei, nicht versteuert zu haben.
6 Auf der Grundlage dieser Anzeige und eigener Ermittlungen erstattete die damalige Prüfungsabteilung Strafsachen Wien des Finanzamtes für den ersten Bezirk (in der Folge: PAST) am 21. September 2001 bei der Staatsanwaltschaft Wien Strafanzeige gegen den Revisionswerber wegen des Verdachts der Abgabenhinterziehung in einem S 1 Mio weit übersteigenden Umfang durch Nichtabgabe einer Einkommensteuererklärung für das Jahr 1998 und die so bewirkte "Verheimlichung des erhaltenen Honorars i.H.v. zumindest ATS 35 Mio". Angeregt wurde insbesondere die Beantragung einer Hausdurchsuchung und der Beauftragung der PAST u.a. damit, "im Zusammenwirken" mit der Finanzstrafbehörde erster Instanz "zu gegebener Zeit die Schlussanzeige zu erstellen".
7 Am 4. Oktober 2001 stellte der Staatsanwalt die gewünschten Anträge, und am 9. Oktober 2001 erließ der Untersuchungsrichter die beantragten Anordnungen. Sie enthielten - neben der Einleitung der Voruntersuchungen und der Erlassung des Hausdurchsuchungsbefehls - in drei getrennten Beschlüssen die Beauftragung der PAST mit Erhebungen und Ermittlungen gemäß § 197 Abs. 1 und 2 FinStrG in der damals geltenden Fassung, der Amtsbetriebsprüfung mit der Vornahme der erforderlichen Prüfungshandlungen gemäß § 99 Abs. 2 FinStrG in der damals geltenden Fassung und zuletzt der PAST mit der Erstattung einer Schlussanzeige "im Zusammenwirken mit" dem Finanzamt als Finanzstrafbehörde erster Instanz "nach Durchführung des Gerichtsauftrages vom 09.10.2001".
8 Am 23. November 2001 fand die Hausdurchsuchung in der Wiener Wohnung des Revisionswerbers statt. Bei der Entsiegelung der beschlagnahmten Unterlagen am 21. Februar 2002 überreichte der Revisionswerber dem Untersuchungsrichter eine Kopie der Expertise von C & D vom Mai 1997. Sein Vertreter äußerte gegenüber der anwesenden Sachbearbeiterin der PAST, es könne kein Vorsatz vorliegen und das gerichtliche Strafverfahren sei sofort einzustellen (Aussage der Sachbearbeiterin in der Hauptverhandlung am 16. August 2012). Am 20. März 2002 richtete der Vertreter des Revisionswerbers unter Bezugnahme auf dieses Gespräch ein Schreiben an die PAST, in dem er das Zustandekommen der Vereinbarungen beschrieb und im Hinblick vor allem auf die weiterhin als richtig erachtete Expertise vom Mai 1997 nur vorsichtshalber vorbrachte, dem Revisionswerber könne "nicht einmal eine Fahrlässigkeit" vorgeworfen werden.
9 Am 26. März 2002 langten die beschlagnahmten Unterlagen bei der PAST ein, deren Sachbearbeiterin die weiteren Ermittlungen vornahm. Von einer Betriebsprüfung wurde abgesehen, weil die zu beurteilenden Zahlungen "nur ein paar Tranchen waren" (Aussage der Sachbearbeiterin in der Hauptverhandlung am 16. August 2012). Am 28. Mai 2002 unterzog die Sachbearbeiterin der PAST den Revisionswerber einer ganztägigen Einvernahme. In einem Schreiben vom 30. Juli 2002 teilte der Vertreter des Revisionswerbers der PAST mit, der Revisionswerber suche eine neue Stellung als Investmentbanker, es sei ihm aber "beinahe unmöglich", eine solche zu finden, solange die Voruntersuchungen anhängig seien. Es werde daher gebeten, die Rechtssache rasch zu bearbeiten, zumal davon ausgegangen werde, dass das Verfahren einzustellen sei.
10 Am 9. Oktober 2002 ersuchte der Untersuchungsrichter die PAST um Bekanntgabe des Verfahrensstandes. Die Sachbearbeiterin der PAST antwortete mit Schreiben vom 5. Dezember 2002, die Sichtung der Unterlagen habe ergeben, dass der Revisionswerber Inhaber aller Aktien der liechtensteinischen Gesellschaft gewesen sei. Der Aktiengesellschaft seien in den Jahren 1997 und 1998 mehr als USD 1,5 Mio zugeflossen. Da der Revisionswerber seinen ordentlichen Wohnsitz in Wien habe, sei er in Österreich mit "seinen" in- und ausländischen Einkünften steuerpflichtig. Die "diesbezügliche Sachverhaltsdarstellung" ergehe "sobald als möglich" an das für den Revisionswerber zuständige Wiener Finanzamt (im Folgenden: Finanzamt), "wo alsdann die rechtliche Würdigung der diffizilen Tatbestände, vorerst in Bezug auf die steuerliche Beurteilung und Abgabenfestsetzung, vorgenommen werden wird".
11 Am 22. April 2003 berichtete die Sachbearbeiterin der PAST dem Untersuchungsrichter, die PAST habe "ihre Ermittlungen abgeschlossen und das Ergebnis in einer Sachverhaltsdarstellung an das Finanzamt (...) übermittelt, wo die rechtliche Würdigung der dargelegten Tatbestände bzw. die Entscheidung über die Verfassung einer Schlussanzeige vorgenommen werden wird".
12 Beigelegt war diesem Schreiben der schon am 9. Jänner 2003 fertiggestellte und übergebene Bericht der PAST an das Finanzamt "als Finanzstrafbehörde". In dem Bericht wurde die Auffassung vertreten, die liechtensteinische Aktiengesellschaft des Revisionswerbers weise zwar "einige Merkmale einer Sitzgesellschaft auf", sei aber "nicht als solche zu qualifizieren", weil sie in Liechtenstein tätig gewesen sei und dort Ertragsteuern entrichtet habe. Nach "ho. Dafürhalten" habe der Revisionswerber aber über die der Gesellschaft zugeflossenen Beträge "verfügt", weshalb von verdeckten Gewinnausschüttungen an ihn auszugehen sei. Die Expertise von C & D, auf die er sich berufe, sei "eher allgemein gehalten" und gehe von Einkommensteuerpflicht bei Ausschüttung aus. In einem Faxschreiben der Ungarischen Nationalbank vom Juni 1997 sei von einer Verlagerung von Einkünften nach Liechtenstein die Rede gewesen, die zu einer Erhöhung des Nettoeinkommens führe, und über seine Einkommensteuerpflicht auch bezüglich im Ausland erzielter Einkünfte sei der Revisionswerber in einem Schreiben seiner Anwälte vom Jänner 1998 aufgeklärt worden. Es sei daher von "Wissentlichkeit" auszugehen. Als "weitere mögliche Vorgangsweise" wurde die Feststellung der Abgabennachforderungen (gemeint hier: Versteuerung von Kapitalerträgen) "durch die Veranlagung oder die Betriebsprüfung" erwähnt und in Aussicht gestellt, dass die Zustimmung des Gerichts zu einer Übermittlung der beschlagnahmten Unterlagen an das Finanzamt eingeholt werden würde. Details betreffend die Übergabe würden "mit der do. Finanzstrafbehörde vereinbart werden".
13 Eine Bearbeitung dieses an das Finanzamt als Finanzstrafbehörde gerichteten Berichts vom 9. Jänner 2003 durch das Finanzamt als Finanzstrafbehörde, etwa im Sinne einer Verfertigung der vom Gericht mit den Beschlüssen vom 9. Oktober 2001 u.a. aufgetragenen Schlussanzeige im Zusammenwirken mit der PAST, lassen die beigeschafften Akten nicht erkennen. Der zuständige Sachbearbeiter des Finanzamts gab im Amtshaftungsprozess später an, er habe "erst 2008 von der Existenz des Aktes erfahren", ihn dann aber "an der richtigen Stelle in der Ablage im Kasten gefunden" (Zeugenaussage im Verfahren vor dem Landesgericht für ZRS Wien am 7. Oktober 2013).
14 Dem Schreiben der PAST vom 22. April 2003 an den Untersuchungsrichter war neben dem Bericht an das Finanzamt als Finanzstrafbehörde vom 9. Jänner 2003 auch ein Schreiben der PAST vom 17. April 2003 an das Finanzamt zu Handen des Leiters der Veranlagung angeschlossen. Darin wurde auf die Beantwortung eines am 20. Jänner 2003 - also nach dem Bericht an die Finanzstrafbehörde - an den Revisionswerber gerichteten Vorhalts der PAST mit Schreiben seiner Vertreter vom 28. Februar 2003 Bezug und zum "derzeitigen Stand der Causa" dahingehend Stellung genommen, dass die Gesellschaft des Revisionswerbers "zwar als tätige liechtensteinische AG anzusehen" sei, aber "auch eindeutige Merkmale einer nichttätigen Gesellschaft" aufweise. Nach "ho. Ansicht" sei sie "lediglich verwendet" worden, um "Honorare (...) umzuleiten", weshalb die Zurechnung der Zahlungen unter Heranziehung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise direkt an den Revisionswerber zu erfolgen habe. Der "Umweg der Honorare" habe "nicht nur steuerliche, sondern wahrscheinlich hauptsächlich wirtschaftspolitische Gründe" gehabt, doch sei den Vertragspartnern "die beträchtliche steuerliche Ersparnis (Hinterziehung) in Österreich voll bewusst gewesen", was durch das Faxschreiben der Ungarischen Nationalbank vom Juni 1997 bestätigt werde (im Original ohne Hervorhebungen). Die beschlagnahmten Unterlagen würden dem Finanzamt zur Verfügung gestellt. Die PAST erachte "ihre Tätigkeit grundsätzlich für abgeschlossen" und werde dies dem Strafgericht mitteilen, sei auf Wunsch aber bereit, "nach Vorliegen des strafbestimmenden Wertbetrages" an der "Erstellung der Schlussanzeige" mitzuwirken.
15 In einem Telefonat am 12. Juni 2003 wurde dem Vertreter des Revisionswerbers - nach dem Vorbringen in der späteren Amtshaftungsklage (deren Seite 25) - mitgeteilt, es müsse erst das Vorliegen einer Steuerschuld geklärt werden, bevor die Vorsatzfrage in Angriff genommen werden könne. "Die Einstellung" ließe sich "erheblich beschleunigen", wenn sich der Revisionswerber "freiwillig zu einer Steuerschuld bekenne". Ob und wie sich dieses Telefonat in den Akten der PAST niederschlug, ist nicht feststellbar, weil diese Akten nicht mehr auffindbar sind (Aktenvermerk des Bundesfinanzgerichtes vom 17.6.2016). Im Amtshaftungsverfahren wurden über das Telefonat keine Feststellungen getroffen.
16 Aus einem Protokoll über eine Besprechung des Revisionswerbers mit einem anderen Vertreter am 18. Juni 2003 geht hervor, dass Letzterer ihm mitteilte, "faktisch" sei davon auszugehen, "dass eine kurzfristige Einstellung durch das Gericht nur möglich ist, wenn die Schlussanzeige der Prüfungsabteilung Strafsachen des zuständigen Finanzamts einen strafrechtlichen Verdacht verneint". Das "derzeitige ‚Erpressungsszenario'" sei "nicht untypisch": Die Finanzbehörde sei "nicht bereit, einen derartigen strafrechtlichen Verdacht verneinenden Schlussbericht an das Gericht herauszugeben, bevor nicht der Abgabenpflichtige im Abgabenverfahren eingelenkt hat".
17 Beim Finanzamt war mit dem Fall nun die Fachbereichsleiterin für zwischenstaatliches Steuerrecht befasst. Nach einer auf Ersuchen von Vertretern des Revisionswerbers am 22. Juli 2003 durchgeführten Besprechung mit diesen erhielt sie ein Schreiben der Vertreter vom 30. Juli 2003 mit der Bitte um baldige Erstattung der Schlussanzeige, dem eine am 21. Juli 2003 ausgestellte Bestätigung der liechtensteinischen Steuerbehörde betreffend die Aktiengesellschaft des Revisionswerbers angeschlossen war. Die Fachbereichsleiterin antwortete am 7. August 2003, die Bestätigung sei - aus nicht näher dargestellten Gründen - "für die endgültige, umfassende Beurteilung des Falles aus österreichischer Sicht nicht ausreichend". Der Revisionswerber möge unter Verwendung des Formulars ZS-RD1 (Anmerkung: Formblatt für "Antrag auf Rückzahlung der österreichischen Abzugsteuer", das in Feld 6 eine "Ansässigkeitsbestätigung der ausländischen Steuerverwaltung" für den "Antragsteller" vorsieht) eine neue Bestätigung einholen. Die "Schlussanzeige" werde "seitens der Prüfungsabteilung Strafsachen erledigt, ob in Ihrem Sinne, entscheiden die zuständigen Kollegen".
18 Am 20. August 2003 richtete die Fachbereichsleiterin eine EAS-Anfrage an das Bundesministerium für Finanzen. Der darin schlagwortartig angeführte Sachverhalt schloss die Erwähnung von Belegen dafür ein, dass die Aktiengesellschaft des Revisionswerbers in Liechtenstein als dort tätiges Unternehmen besteuert worden sei. Gefragt wurde, ob einer von drei alternativ ins Auge gefassten Wegen beschritten werden könne: Erstens Erfassung der der Gesellschaft zugeflossenen Beträge direkt beim Revisionswerber, obwohl "aus Sicht der FL-Steuerbehörden ein tätiges Unternehmen angenommen wird", zweitens Annahme einer Geschäftsleitung der Gesellschaft in Österreich und Besteuerung der Gesellschaft in Österreich, oder drittens Vornahme einer "fiktiven Liquidationsgewinnsermittlung" in Bezug auf die seit dem Jahr 2000 in Liquidation befindliche Gesellschaft mit Zurechnung des Ergebnisses an den Revisionswerber.
19 Beantwortet wurde die Anfrage am 25. August 2003 dahingehend, dass "geradezu erdrückende Indizien" für eine "bloße Domizilgesellschaft" vorlägen, wenn bestimmte der schlagwortartig angeführten Sachverhaltsmomente "im Betriebsprüfungsverfahren festgestellt" würden. Einer "solchen funktionslosen Basisgesellschaft" könnten "keine Einkünfte zugerechnet werden". Durch die Besteuerung der Gesellschaft in Liechtenstein als dort tätiges Unternehmen könne die steuerliche Zurechnung an den Revisionswerber "nicht entkräftet werden". Sollte "dieser Umstand allerdings seitens der liechtensteinischen Steuerverwaltung geprüft worden sein, mit dem Ergebnis, dass die liechtensteinische AG tatsächlich Leistungen erbracht hat und den Ort ihrer Geschäftsleitung in Liechtenstein hat, dann wäre das BM für Finanzen - über Ersuchen Liechtensteins - bereit, (...) in ein Verständigungsverfahren einzutreten. Ein derartiges Verfahren würde aber den Abschluss des österreichischen Betriebsprüfungsverfahrens nicht behindern" (Hervorhebungen wie im Original).
20 Am 16. Oktober 2003 ersuchte der Untersuchungsrichter das Finanzamt unter Bezugnahme auf das Schreiben der PAST vom 22. April 2003 um Mitteilung, wann mit der Schlussanzeige zu rechnen sei. Beantwortet wurde dies am 21. November 2003 von der Sachbearbeiterin der PAST: "Bis zum heutigen Tag ist es zu keiner endgültigen rechtlichen Würdigung durch das Finanzamt (...) bzw. Bescheiderlassung gekommen".
21 Am 22. Jänner 2004 sprachen die Vertreter des Revisionswerbers beim Untersuchungsrichter vor. Sie ersuchten "um Beischaffung des Aktes von der PAST, da aus diesem hervorgehe, daß das Finanzstrafverfahren gg. (den Revisionswerber) zu Unrecht geführt werde. Einerseits sei der Vorsatz nicht gegeben, andererseits verzögere die PAST bewußt das Verfahren, um auf (den Revisionswerber) Druck auszuüben, damit er letztlich doch die Steuerschuld bezahle" (Aktenvermerk im Antrags- und Verfügungsbogen des Strafakts).
22 Der vom Untersuchungsrichter um Stellungnahme ersuchte Staatsanwalt teilte am 16. Februar 2004 mit, seitens der PAST sei ihm telefonisch bekanntgegeben worden, "dass ein Zwischenbzw. Schlussbericht auf Grund der Urgenz des Besch. in Kürze erfolgen werde".
23 Am 5. März 2004 stellte eine Vertreterin des Revisionswerbers den ersten von zwei Anträgen auf Einstellung des gerichtlichen Strafverfahrens. Sie verwies auf die schon seit fast drei Jahren andauernde Behinderung des Revisionswerbers in seinem beruflichen Fortkommen, auf die Nichtbefolgung der Aufforderungen zur Erstattung einer Schlussanzeige durch die Finanzbehörde sowie darauf, dass das Fehlen des Vorsatzerfordernisses für die gerichtliche Strafbarkeit auch ohne förmliche Schlussanzeige wahrgenommen werden könne.
24 Die Ratskammer wies den Antrag mit Beschluss vom 14. April 2004 mangels eines Antragsrechts des Beschuldigten nach damaliger Rechtslage zurück und fügte hinzu, sie sehe auch keinen Anlass zur amtswegigen Einstellung des Verfahrens. Angesichts der auszugsweise dargestellten Inhalte der PAST-Berichte vom 9. Jänner 2003 und vom 17. April 2003 sei "tatverdachtsbezogen davon auszugehen, dass die Verdachtsgründe für das Vorliegen einer Zuständigkeit des Gerichtes sprechen", woran die Argumente des Revisionswerbers nichts ändern würden. Aus der ins Treffen geführten Expertise vom Mai 1997 "alleine, ohne Vorliegen des Schlussberichtes" lasse sich für seine Argumentation "nichts gewinnen". Eine "abschließende Beurteilung" sei "ohne Vorliegen des Schlussberichtes der Finanzstrafbehörde nicht möglich".
25 Am 24. Mai 2004 urgierte der Untersuchungsrichter bei der PAST die (nach der Mitteilung des Staatsanwaltes vom 16. Februar 2004 von dieser versprochene) Übermittlung eines "Zwischen- bzw. Schlussberichtes". Beantwortet wurde dies am 4. Juni 2004 mit der Mitteilung, das Ersuchen sei "zwecks Entsprechung an das zuständige Finanzamt (...) übermittelt" worden.
26 Am 8. Juni 2004 erließ das Finanzamt - unter Wiederaufnahme des Verfahrens für das Jahr 1997 und erstmals für das Jahr 1998 - Einkommensteuerbescheide, in denen es dem Revisionswerber die an seine Aktiengesellschaft geleisteten Zahlungen in der Höhe von etwa S 22 (nicht 35) Mio als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zurechnete. In der Begründung vertrat das Finanzamt die Ansicht, bei der Gesellschaft des Revisionswerbers handle es sich um eine "funktionslose Basisgesellschaft", der "keine Einkünfte zugerechnet werden" könnten. Der Revisionswerber erhob dagegen Berufung an den unabhängigen Finanzsenat. Die Einhebung der Abgabe wurde bis zur Erledigung der Berufung ausgesetzt.
27 Am 30. August 2004 urgierte der Untersuchungsrichter - nun beim Finanzamt - erneut die Übermittlung eines Schlussberichtes. Eine Antwort darauf enthält der Strafakt nicht.
28 Mit Schreiben vom 1. Oktober 2004 teilte die Sachbearbeiterin der PAST dem Untersuchungsrichter aber mit, als Reaktion auf die Weiterleitung des Ersuchens vom 24. Mai 2004 an das Finanzamt sei "beiliegendes Schreiben (...) retourniert" worden. Das beiliegende Schreiben ist eines der Fachbereichsleiterin für zwischenstaatliches Steuerrecht vom 13. Juli 2004 an die Sachbearbeiterin der PAST, in dem dieser vorgehalten wird, bei "unseren seinerzeitigen Gesprächen" sei "geklärt" worden, "dass die abgabenfestsetzende Stelle keine Berichte an das zuständige Landesgericht zu verfassen hat". Von einer möglichen Zuständigkeit des Finanzamts als Finanzstrafbehörde ist in dieser Korrespondenz nicht die Rede.
29 Erst mit dem Schreiben vom 1. Oktober 2004 wurde dem Untersuchungsrichter auch mitgeteilt, es seien Abgabenbescheide erlassen und die Berufung dagegen sei dem unabhängigen Finanzsenat vorgelegt worden.
30 Am 10. Februar 2005 forderte der Staatsanwalt den Untersuchungsrichter auf, "bei der PAST die Erstellung des Schlussberichtes zu betreiben". Der Untersuchungsrichter übermittelte ihm daraufhin das Schreiben vom 1. Oktober 2004 zur Einsicht.
31 Im März 2005 teilte die Vertreterin des Revisionswerbers dem Untersuchungsrichter mit, der Revisionswerber werde aus Österreich wegziehen und sich "im EU-Ausland niederlassen".
32 Am 7. Juni 2005 urgierte der Untersuchungsrichter wieder den Schlussbericht beim Finanzamt. Beantwortet wurde dies von der Sachbearbeiterin der PAST mit Schreiben vom 7. Juli 2005 wie folgt: "Die Berufung wird derzeit noch beim Unabhängigen Finanzsenat bearbeitet. Lt. Auskunft des zuständigen Bearbeiters kommt es aufgrund zahlreicher Vorbringen der Parteienseite frühestens im Herbst zur Verhandlung. Es kann daher noch kein Schlussbericht in gegenständlicher Causa gelegt werden".
33 Eine weitere Urgenz des Untersuchungsrichters vom 13. Dezember 2005 beantwortete die Sachbearbeiterin der PAST mit Schreiben vom 26. Jänner 2006: "Die Berufung wird derzeit noch beim Unabhängigen Finanzsenat bearbeitet, wo derzeit eine Sachverhaltsergänzung offen ist. Der zuständige Bearbeiter hofft, dass noch im Frühjahr die Berufungsentscheidung erlassen werden kann. Die Übermittlung eines Schlussberichtes in gegenständlicher Causa ist daher noch nicht möglich".
34 Am 2. Mai 2006 ersuchte der Untersuchungsrichter abermals um Übermittlung eines Schlussberichts. Eine Antwort darauf enthält der Strafakt nicht. Am 4. Juli 2006 legte ein Rechtspraktikant des Untersuchungsrichters einen Aktenvermerk über ein Telefonat mit der Sachbearbeiterin der PAST an: "Zur Zeit läuft ein Verfahren vor dem UFS, zuständiger Richter ist (...). (Die Sachbearbeiterin) meldet sich sobald der Schlussbericht vorliegt."
35 Am 4. Dezember 2006 führte ein Rechtspraktikant des Untersuchungsrichters ein Telefonat mit dem Referenten des unabhängigen Finanzsenates: "Im Frühjahr (Ende Februar od. März) wird es voraussichtlich zur mündl. Verhandlung kommen. Er erklärt, dass er nicht ganz versteht, warum von der 1. Instanz kein Bericht an das LGSt geschickt wurde, da dies ja trotz des Berufungsverfahrens möglich hätte sein müssen".
36 Am 1. Juni 2007 ersuchte die nunmehr zuständige Untersuchungsrichterin die (ehemalige) PAST "um Übermittlung des Schlussberichtes bzw. um Bekanntgabe entgegenstehender Hindernisse". Die mit dem Fall weiterhin befasste Sachbearbeiterin der an die Stelle der PAST getretenen Steuerfahndung Wien verwies in ihrem Antwortschreiben vom 5. Juli 2007 "bezüglich des dg. Ersuchens um Übermittlung eines Schlussberichtes" darauf, dass das Berufungsverfahren "noch immer offen ist. Die ho. Dienststelle hat auf die Dauer des Verfahrens keinen Einfluss, weswegen ersucht wird, dass die diesbezüglichen Anfragen vom do. Gericht zukünftig an den UFS direkt gestellt werden mögen. Gegenständliche Anfrage wurde am heutigen Tag (dem Referenten des unabhängigen Finanzsenates) per mail von o.a. Bearbeiterin zwecks Beantwortung übermittelt."
37 Mit Schreiben vom selben Tag übermittelte der Referent des unabhängigen Finanzsenates der Untersuchungsrichterin die Begründung der Bescheide des Finanzamts vom 8. Juni 2004 und den (schon aktenkundigen) Bericht der PAST vom 9. Jänner 2003 mit der Bekanntgabe, es sei geplant, "im Herbst" die mündliche Berufungsverhandlung durchzuführen.
38 Am 20. November 2007 ersuchte die Untersuchungsrichterin die Steuerfahndung "um Mitteilung des Verfahrensstandes und um Information, wann mit dem Schlussbericht zu rechnen ist". In ihrem Antwortschreiben vom 26. November 2007 ersuchte die Sachbearbeiterin der Steuerfahndung neuerlich, "die diesbezüglichen Anfragen vom do. Gericht zukünftig an den UFS (...) direkt" zu richten. Die Anfrage sei dorthin weitergeleitet worden.
39 Mit Schreiben vom 5. Dezember 2007 übermittelte der Referent des unabhängigen Finanzsenates der Untersuchungsrichterin seine Entscheidung vom 4. Dezember 2007, mit der die Berufung des Revisionswerbers gegen die Bescheide vom 8. Juni 2004 abgewiesen wurde.
40 Am 27. Dezember 2007 richtete das Gericht über Antrag der Staatsanwaltschaft an das Finanzamt für den ersten Bezirk (gemeint: die Steuerfahndung) das Ersuchen um "Übermittlung des Schlussberichtes binnen 4 Wochen". Dem Ersuchen war u.a. das Schreiben des unabhängigen Finanzsenates vom 5. Dezember 2007 angeschlossen.
41 Am 14. Februar 2008 - inzwischen war am 1. Jänner 2008 das Strafprozessreformgesetz mit der Neuregelung der Zuständigkeitsverteilung zwischen Staatsanwaltschaft und Strafgericht in Kraft getreten - richtete die Sachbearbeiterin der Steuerfahndung folgendes Schreiben an das Gericht:
"Bezüglich des dg. Ersuchens um Übermittlung eines Schlussberichtes wird darauf verwiesen, dass das gegenständliche Ersuchen am 28. Jänner 2008 an die für die Erstellung des Schlussberichtes zuständige Finanzstrafbehörde I. Instanz des Finanzamtes (...) persönlich übergeben worden ist. Die ho. Dienststelle ist für die Zwangsmaßnahmen, Einvernahmen, Auswertung der beschlagnahmten Unterlagen, sowie Sachverhaltsfeststellung bezüglich der steuerlichen Feststellungen an das zuständige Finanzamt (...) zuständig gewesen. Es wird daher ersucht, bezüglich der Übermittlung des Schlussberichtes das Finanzamt (...), Strafsachenstelle, (...) zu kontaktieren."
42 Das Gericht wandte sich daraufhin am 6. März 2008 mit dem Ersuchen um Übermittlung des Schlussberichtes binnen vier Wochen an die Strafsachenstelle des Finanzamtes. Der dort zuständige Sachbearbeiter, der auf den Fall - wie schon erwähnt - erst jetzt aufmerksam wurde, richtete im weiteren Verlauf des Jahres zwei Schreiben an das Gericht und zuletzt eines an die Staatsanwaltschaft:
"14. April 2008 (...) Zum o. a. Bezugschreiben wird mitgeteilt, dass aufgrund einer erst kürzlich im Abgabenverfahren ergangenen, auch den strafrechtlich relevanten Zeitraum betreffenden Berufungsentscheidung des UFS die gesamten Verfahrensergebnisse gemeinsam mit der Sachbearbeiterin der Steuerfahndung durchgearbeitet werden müssen. Es wird daher gebeten, das gegenständliche Schreiben als Zwischenbericht im Sinne des § 100 Abs. 2 Zi. 3 zu verstehen und die Erstattung des Schlussberichtes bis längstens Ende der 3 Monate-Frist zu genehmigen. Unabhängig davon darf auf die Tatsache hingewiesen werden, dass gegen die Berufungsentscheidung Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof eingebracht wurde, die Aktenvorlage an diesen jedoch von Sachbearbeiter des UFS nach Möglichkeit bis zum Abschluss des gerichtlichen Strafverfahrens hinausgezögert wird."
"23. Juli 2008 (...) Unter Bezugnahme auf den o. a. Zwischenbericht wird mitgeteilt, dass aufgrund der äußerst umfangreichen und Komplizierten aufzuarbeitenden Verfahrensergebnisse ein Schlussbericht bis dato nicht erstellt werden kann. Es wird daher um Erstreckung des Berichtstermines bis Ende Oktober 2008 ersucht."
"11. November 2008 (...) Unter Hinweis auf das o. a. Telefonat (vom Vortag) wird mitgeteilt, dass die in der Sache ho. aufliegenden Unterlagen nunmehr dem zuständigen Sachbearbeiter des Unabhängigen Finanzsenates (...) zwecks Vorlage der (gemeint: zur) VwGH-Beschwerde retourniert werden. Mit do. Zustimmung wird ein weiterer Bericht, allenfalls (sic) Abschlussbericht nach Vorliegen der höchstgerichtlichen Entscheidung erstattet werden."
43 Im Begleitschreiben vom 12. November 2008 zur Aktenübermittlung an den unabhängigen Finanzsenat teilte der Sachbearbeiter des Finanzamts mit, "dass auf Ersuchen und in Abstimmung mit dem nunmehr zuständigen Staatsanwalt (...) das gerichtliche Finanzstrafverfahren bis zum Ergehen der VwGH-Entscheidung aufgeschoben wird."
44 Der unabhängige Finanzsenat hatte dem Verwaltungsgerichtshof mit der Gegenschrift vom 11. März 2008 zur Beschwerde gegen die Berufungsentscheidung vom 4. Dezember 2007 die Verwaltungsakten nur vorgelegt, "soweit diese nicht vom Landesgericht für Strafsachen Wien in dem gegen den Beschwerdeführer gerichteten Strafverfahren benötigt werden". Die "dem Finanzamt (...) zwecks Vorlage an das Landesgericht für Strafsachen Wien übermittelten Aktenteile" würden "nach Abschluss des Strafverfahrens nachgereicht werden". Unter Anschluss des Schreibens vom 12. November 2008 übermittelte er diese Aktenteile nun dem Verwaltungsgerichtshof.
45 Mit Schriftsatz vom 7. April 2009 stellte die Vertreterin des Revisionswerbers - unter Angabe seiner Wohnadresse in London - einen zweiten (gesetzlich nun vorgesehenen) Antrag auf Einstellung des gerichtlichen Strafverfahrens. Sie begründete dies damit, dass ein Vorsatz im Hinblick auf die Expertise von C & D auszuschließen sei, und verwies darauf, dass das seit dem Jahr 2001 "anhängige Strafverfahren unseren Mandanten schon seit nahezu 8 Jahren daran" hindere, "seinen gelernten Beruf als Bankenvorstand anzutreten bzw. auszuüben". Dem Revisionswerber sei mitgeteilt worden, dass das Strafverfahren nun bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes aufgeschoben werde. Eine solche Entscheidung sei vorläufig nicht absehbar und es werde ersucht, sie nicht abzuwarten, dies "besonders auch im Hinblick auf die erheblichen wirtschaftlichen Nachteile, die die überlange Verfahrensdauer für unseren Mandanten mit sich bringt".
46 Zu diesem Antrag nahm der Staatsanwalt dahingehend Stellung, dass "vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes weder Anklage erhoben noch mit einer Einstellung vorgegangen werden kann, da ein - sinnvoller - Schlussbericht derzeit nicht erstattet werden kann."
47 Mit Beschluss vom 27. Juli 2009 wies das Landesgericht für Strafsachen Wien den Einstellungsantrag ab. In der Begründung wurde u.a. dargelegt, das "Strafverfahren" sei "nach wie vor anhängig, weil die Finanzstrafbehörde mangels Rechtskraft der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1997 und 1998 noch keinen Schlussbericht zu erstatten vermochte". Der Berufung auf die Expertise von C & D wurde - wie schon in dem Beschluss der Ratskammer vom 14. April 2004 - entgegengehalten, aus diesem Schreiben sei "für den Beschuldigten nichts zu gewinnen". Begründet wurde dies nun damit, dass die Expertise das Thema "ganz allgemein" behandle und "überdies" davon ausgehe, dass die Gesellschaft keine Ausschüttungen an den Revisionswerber vornehme. Nach den Erhebungen der Finanzstrafbehörde solle aber eine verdeckte Gewinnausschüttung an den Revisionswerber erfolgt sein.
48 In der Beschwerde gegen diesen Beschluss machten die Vertreter des Revisionswerbers u.a. geltend, die Abgabenbehörde habe ihm die Zahlungen mit der Begründung zugerechnet, seine Gesellschaft sei - entgegen der vorgelegten liechtensteinischen Bestätigung - eine funktionslose Domizilgesellschaft. Die Annahme einer verdeckten Ausschüttung sei damit unvereinbar und Einkünfte aus Kapitalvermögen seien der Besteuerung auch nicht zugrunde gelegt worden.
49 Mit Beschluss vom 27. November 2009 gab das Oberlandesgericht Wien der Beschwerde nicht Folge. Es sah "gewichtige Indizien" für das Vorliegen einer "bloßen Domizilgesellschaft", woran die "bloße Ansässigkeitsbestätigung der Liechtensteinischen Steuerverwaltung (...) nichts zu ändern" vermöge. Ein Eingehen auf die im angefochtenen Beschluss angesprochene verdeckte Gewinnausschüttung erübrige sich daher. Zur subjektiven Tatseite verwies das Oberlandesgericht auf das Fehlen einer Behandlung der "tatsächlichen Ausgestaltung" der Gesellschaft in der Expertise sowie auf die von der PAST im Bericht vom 9. Jänner 2003 erwähnten Schreiben vom 4. Juni 1997 und vom 14. Jänner 1998.
50 Abschließend hielt das Oberlandesgericht aber fest, dass dem Gericht schon mit Schreiben vom 22. April 2003 der Abschluss der Ermittlungen mitgeteilt, in der Folge trotz Erlassung der Abgabenbescheide und Erledigung der Berufung keine Schlussanzeige erstattet worden und "nunmehr offenbar beabsichtigt" sei, die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes abzuwarten. Unter "Bedachtnahme darauf, dass das Fehlen einer höchstgerichtlichen Entscheidung im Abgabeverfahren weder die Abfassung einer Schlussanzeige noch die Erhebung einer Anklage und seit Aufhebung des § 55 FinStrG durch BGBl. Nr. 421/1996 auch nicht die Durchführung einer Hauptverhandlung im gerichtlichen Finanzstrafverfahren" hindere, außer Anfragen beim Sachbearbeiter des Finanzamts aber "keine weiteren verfahrensbeschleunigenden Maßnahmen durch das Erstgericht oder die Staatsanwaltschaft gesetzt" worden seien, stelle "deren Säumnis eine nicht zu vertretende Verzögerung des Verfahrens und demnach eine Verletzung des Beschleunigungsgebots im Sinne des § 9 Abs. 1 StPO iVm Art. 6 Abs. 1 EMRK dar". Der Staatsanwaltschaft werde daher "aufgetragen (vgl. 14 Os 108/08a), die Übermittlung einer vom Finanzamt (...) abzufassenden Schlussanzeige zu beurteilen (gemeint wohl: zu betreiben) und nach deren Einlangen ohne weitere Verzögerung das Ermittlungsverfahren (...) zu finalisieren".
51 Mit Schreiben vom 7. Dezember 2009 übermittelte der Staatsanwalt dem Finanzamt eine Kopie dieser Entscheidung mit dem "Ersuchen", "entsprechend dem dort enthaltenen ‚Auftrag' einen Schlussbericht zu verfassen". Das Finanzamt entsprach diesem Ersuchen nicht.
52 Nach Erhalt eines Schreibens des Staatsanwalts vom 19. Februar 2010 richtete der Sachbearbeiter des Finanzamts folgende Schreiben an die Staatsanwaltschaft:
"2. März 2010 (...) Zum o. a. Bezug wird mitgeteilt, dass aufgrund der vorgegebenen Umstände (insbesonders Vorlage aller Akten an den VwGH) und des bisherigen Verfahrensverlaufs (Befassung der Steuerfahndung) der Abschlussbericht noch nicht fertiggestellt werden konnte. Dieser wird in den nächsten Wochen, längstens aber bis Ende 04/2010 nachgereicht werden."
"27. April 2010 (...) Zum o. a. Bezug wird berichtet, dass aufgrund der schon zuletzt angeführten Umstände und des äußerst komplizierten und teilweise kaum mehr zu rekonstruierenden Sachverhaltes noch kein Abschlussbericht im Sinne des § 100 (2) Zi. 4 StPO vorgelegt werden kann. Dies wird endgültig innerhalb der nächsten Berichtsfrist (§ 100 (2) Zi. 3 StPO), somit längstens bis Ende Juni 2010 erfolgen."
53 Am 3. Mai 2010 richteten die Vertreter des Revisionswerbers im Hinblick auf den durch die Verfahrensverzögerung entstandenen Schaden ein Aufforderungsschreiben gemäß § 8 Abs. 1 Amtshaftungsgesetz an die Finanzprokuratur, wovon der Sachbearbeiter des Finanzamts Kenntnis erlangte.
54 Am 23. Juni 2010 verfasste der Sachbearbeiter des Finanzamts - ohne Anforderung der finanzbehördlichen Ermittlungsakten vom Verwaltungsgerichtshof oder Vornahme von Akteneinsicht bei diesem - einen nicht ganz drei Seiten langen Abschlussbericht an die Staatsanwaltschaft, der auszugsweise - im Wesentlichen nur abgesehen von Zusammenfassungen schon aktenkundiger Darstellungen und Bewertungen - lautete:
"Zum Zustandekommen des nachstehenden Abschlussberichtes ist einleitend folgendes festzustellen: Aufgrund der noch näher auszuführenden besonderen Problematik des Falles ist es dem ausgewiesenen Sachbearbeiter nicht möglich, den Sachverhalt samt Verkürzungsbeträgen und wesentlichen Schlussfolgerungen in entsprechend detaillierter Form darzustellen. Als Begründung hiefür ist einerseits die Tatsache anzusehen, dass alle bezughabenden Akten und Unterlagen seit dem Jahr 2008 dem Unabhängigen Finanzsenat bzw. in weiterer Folge dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt wurden. Anderseits ist die ho. Strafsachenstelle erst seit dem Jahr 2008 mit dem Fall konfrontiert, weshalb alle früheren Vorgänge naturgemäß nur unzureichend dokumentiert werden können, zumal es an einigermaßen lückenlosen Unterlagen mangelt. Gerade dieser Zeitraum, nämlich 2001-2008, ist aber entscheidend für die Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes! (...) Es darf in diesem Zusammenhang nochmals auf die - bedauerliche - Tatsache hingewiesen werden, dass aufgrund der Umstände des Falles, insbesondere der nach wie vor anhängigen VwGH-Beschwerde, keinerlei Beweismittel vorgelegt werden können. Der ho. Finanzstrafbehörde I. Instanz stehen lediglich die beigelegten Fotokopien zur Verfügung, von denen allenfalls Rückschlüsse auf bestimmte verfahrensrelevante Vorgänge gezogen werden können. (...) Unter nochmaligem Hinweis auf die einleitend geschilderte Problematik wird gebeten, allfällige Unzulänglichkeiten in der Berichterstattung zu entschuldigen; für Ergänzungen jeder Art steht der ausgewiesene Sachbearbeiter daher jederzeit uneingeschränkt zur Verfügung. Das in der Sache wegen unangemessen langer Verfahrendauer von Beschuldigtenseite eingebrachte Aufforderungsschreiben gem. Amtshaftungsgesetz darf als bekannt vorausgesetzt werden."
55 Beigelegt war ein ungeordnetes Konvolut von Ausdrucken im Wesentlichen dessen, was die Sachbearbeiterin der PAST und Steuerfahndung zu dem Fall "auf EDV gefunden" und dem Sachbearbeiter des Finanzamts in Anhängen zu einer E-Mail vom 2. Februar 2010 übermittelt hatte.
56 Auf dieser Grundlage verfasste der Staatsanwalt - ohne Anforderung insbesondere der Akten der PAST und der beschlagnahmten Unterlagen vom Verwaltungsgerichtshof oder Vornahme von Akteneinsicht bei diesem - die im Spruch u.a. durch Ableitung der hinterzogenen Abgaben aus einem Zufluss von rund S 35 (statt 22) Mio fehlerhafte Anklageschrift vom 2. August 2010. Die Begründung entsprach zunächst im Wesentlichen den Argumenten des Oberlandesgerichtes für den Verdacht des Vorliegens einer bloßen Domizilgesellschaft und eines Verkürzungsvorsatzes. In einem letzten Abschnitt wurde unter Rückgriff auf den Bericht der PAST vom 9. Jänner 2003 aber die - mit der direkten Zurechnung der Zuflüsse und den darauf beruhenden Abgabenbescheiden unvereinbare -
Ansicht vertreten, die von der Gesellschaft erwirtschafteten und ihr zugeflossenen Gewinne, über die der Revisionswerber verfügt habe, seien "als eine verdeckte Gewinnausschüttung" an ihn "anzusehen".
57 Den mit Schriftsatz vom 24. August 2010 erhobenen Einspruch des Revisionswerbers gegen diese Anklageschrift erledigte das Oberlandesgericht Wien - nach Ankündigung eines Fristsetzungsantrages durch die Vertreter des Revisionswerbers - mit Beschluss vom 15. April 2011. Es fand, dass dem Einspruch "auch nach amtswegiger Prüfung des gesamten Akteninhaltes keine Berechtigung" zukomme. Die nicht zu vertretende Verzögerung des Verfahrens werde im Falle einer Verurteilung im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen sein. Ungeachtet des Umstandes, dass "es die Staatsanwaltschaft verabsäumt hat, eine Kopie des Finanzstrafaktes vom Verwaltungsgerichtshof beizuschaffen", reiche das "vorliegende Beweissubstrat" aus, um den Revisionswerber in den Anklagestand zu versetzen. Ob die Beweismittel letztlich für eine Verurteilung ausreichen würden, werde das Schöffengericht zu entscheiden haben. Erwähnt wurde in dem Beschluss auch die inzwischen erfolgte Abweisung der gegen die Berufungsentscheidung vom 4. Dezember 2007 erhobenen Beschwerde mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 2010.
58 Mit Schreiben vom 18. Jänner 2011 hatte der unabhängige Finanzsenat die vom Verwaltungsgerichtshof an ihn zurückgelangten Akten - darunter außer dem Veranlagungsakt u.a. eine Schachtel mit den bei der Hausdurchsuchung im November 2001 beschlagnahmten Unterlagen und zwei Ordner Akten der PAST - an das Finanzamt zurückgestellt. Mit Schriftsatz vom 8. Juni 2011 beantragten die Vertreter des Revisionswerbers die Vertagung der für den 15. Juni 2011 anberaumten Hauptverhandlung, weil der Vorsitzende vom Finanzamt zwar den Veranlagungsakt, aber nicht auch die Akten der PAST beigeschafft hatte. Diesen Antrag wies der Vorsitzende mit Beschluss vom 10. Juni 2011 ab.
59 In der Hauptverhandlung am 15. Juni 2011 wurde nach dem Revisionswerber die Sachbearbeiterin der PAST und der Steuerfahndung vernommen, die u.a. angab, nicht mehr zu wissen, was sie "vor neun Jahren geschrieben" habe. Nach Abweisung der Beweisanträge der Verteidigung - u.a. auf Beischaffung der Akten der PAST und auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Entwicklung der Praxis der internationalen Steuerrechtsanwendung im Verhältnis zwischen Österreich und Liechtenstein - wurde der Revisionswerber im Sinne der (um Fehler im Spruch bereinigten) Anklageschrift schuldig gesprochen.
60 Der Nichtigkeitsbeschwerde gegen dieses Urteil schlossen die Vertreter des Revisionswerbers ein von vier Universitätsprofessoren erstattetes Rechtsgutachten vom 10. Juli 2011 darüber an, dass sich die - an die persönliche Leistungserbringung durch den Revisionswerber namens seiner Gesellschaft anknüpfenden - Gründe, aus denen die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde des Revisionswerbers abgewiesen worden war, aus einer erst mehrere Jahre nach den inkriminierten Vorgängen begonnenen Judikaturentwicklung ergeben hätten.
61 Mit Urteil vom 8. März 2012, 13 Os 112/11m, hob der Oberste Gerichtshof das Urteil vom 15. Juni 2011 als denkgesetzwidrig und daher nichtig auf, weil der Vorsatz des Revisionswerbers mit der Begründung bejaht worden war, er habe gewusst, dass ihm die Beträge "spätestens anlässlich der Liquidation der Gesellschaft als Liquidationserlös" zufließen würden.
62 In der neuen Hauptverhandlung vor einem anders besetzten Schöffensenat wurden - nach Beischaffung u.a. der PAST-Akten - am 19. Juli 2012 und am 16. August 2012 zunächst erneut der Revisionswerber und die Sachbearbeiterin der PAST und der Steuerfahndung einvernommen. In der fortgesetzten Hauptverhandlung am 31. August 2012, über die nur mehr ein Protokoll- und Urteilsvermerk vorliegt, wurde der Revisionswerber nach Einvernahme der Fachbereichsleiterin des Finanzamts mit der Begründung "Kein Schuldbeweis" gemäß § 214 Abs. 1 FinStrG freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft ließ den Freispruch unbekämpft.
63 Im Dezember 2010 - während er auf die Erledigung seines Einspruches gegen die Anklageschrift wartete, und noch in Unkenntnis der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes im Abgabenverfahren - hatte der Revisionswerber wegen der durch die Verzögerung des Strafverfahrens erlittenen Vermögensschäden eine Amtshaftungsklage gegen die Republik Österreich eingebracht. Nach Vorliegen des Freispruchs erhob er im Dezember 2012 eine auf den gleichen Vorwurf gestützte EGMR-Beschwerde gegen die Republik Österreich. Schließlich stellte er im Februar 2013 den hier zu behandelnden Nachsichtsantrag.
64 Im Amtshaftungsverfahren beantwortete die Finanzprokuratur die Klage - schon in Kenntnis der anders begründeten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 2010 - mit der aus der Anklageschrift übernommenen Behauptung einer funktionslosen Domizilgesellschaft und zugleich verdeckter Ausschüttungen der Gesellschaft an den Revisionswerber. Eine unangemessen lange Verfahrensdauer liege nicht vor. Ausgehend davon, dass es im Strafverfahren zur Verurteilung kommen werde, wurde weiters der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens erhoben, weil der Revisionswerber auch als Verurteilter nicht Geschäftsleiter eines Kreditinstitutes sein könne. Schließlich wurde auch Verletzung der Schadensminderungspflicht geltend gemacht, weil er keine andere berufliche Tätigkeit ausgeübt habe, und wegen Erkennbarkeit der - bestrittenen - Unangemessenheit der Verfahrensdauer "spätestens im Jahr 2006" Verjährung geltend gemacht.
65 Nach Vorliegen des Schuldspruchs vom 15. Juni 2011 wurde das Verfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung des Strafverfahrens unterbrochen und ausgesprochen, es werde nur über Antrag einer der Parteien fortgesetzt. Für den Fortsetzungsantrag nach dem rechtskräftigen Freispruch und das weitere Verfahren beantragte der inzwischen mittellose Revisionswerber im November 2012 die Bewilligung der Verfahrenshilfe. Diesem Antrag gab das Gericht - nach Durchführung eines Ergänzungsverfahrens - mit Beschluss vom 15. Jänner 2013 Folge. Es stellte fest, der Revisionswerber habe weder Einkommen noch Vermögenswerte und bestreite die Aufwendungen des täglichen Lebens durch Zuwendungen von Freunden und Bekannten.
66 Nach Einbringung des Fortsetzungsantrages im Februar 2013, Verhandlungstagsatzungen mit Einvernahmen u.a. des Sachbearbeiters der Strafsachenstelle des Finanzamts am 7. Oktober 2013 und der Sachbearbeiterin der PAST und der Steuerfahndung am 4. Dezember 2013, einem Rechtsmittelverfahren über ein Zwischenurteil vom 14. Jänner 2014 sowie weiteren Verhandlungen beschloss das Gericht im November 2015 die Einholung eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens. Nach Vorliegen des Gutachtens vom 15. April 2016, dessen Erörterung und Schluss der Verhandlung gab das Gericht der Klage mit Urteil vom 9. November 2016 teilweise Folge. Es hielt in seinen Rechtsausführungen fest, schon zum Zeitpunkt der Einleitung des Strafverfahrens sei Art. 6 Abs. 1 EMRK in Österreich in Geltung gestanden und ein Verstoß dagegen rechtswidrig gewesen. Im Fall des Revisionswerbers sei das Strafverfahren jahrelang überhaupt nicht betrieben worden und der Akt bei den Finanzbehörden außer Evidenz geraten. Die Verfahrensdauer liege weit über dem vom EGMR auch in komplexen Angelegenheiten für zulässig erachteten Ausmaß und sei durch keine sachliche Notwendigkeit verursacht worden. Sie sei rechtswidrig und unvertretbar überlang gewesen. Die Haftung der Republik Österreich auch für entgangenen Gewinn sei zu bejahen, weil das Behördenverhalten als objektiv besonders schwerwiegender Verfahrensverstoß zu werten sei und daher grobes Verschulden vorliege. Die Verfahrensverzögerung habe die Unmöglichkeit der Beschäftigung des Revisionswerbers in seiner ursprünglichen unselbständigen Tätigkeit bewirkt. Die Ansprüche seien aber zum Teil (betreffend Zeiträume vor dem 23. September 2007) verjährt, und der Revisionswerber müsse sich auch anrechnen lassen, was er - dem eingeholten Gutachten nach - durch Aufnahme einer anderen Tätigkeit hätte verdienen können.
67 Dieses von beiden Seiten mit Berufung bekämpfte Urteil wurde - schon nach der hier angefochtenen Entscheidung im Nachsichtsverfahren - vom Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 16. Mai 2017 nur insoweit (und daraus folgend im Kostenteil) zum Nachteil des Revisionswerbers abgeändert, als in Bezug auf die auch als Schaden geltend gemachten Rechtsanwaltskosten im Finanzstrafverfahren eine Unschlüssigkeit wahrgenommen wurde. Die Bestreitung einer überlangen Verfahrensdauer und eines zu vertretenden Verschuldens durch die Republik Österreich wertete das Oberlandesgericht als "völlig pauschal und inhaltlich substanzlos". Die Dauer des Ermittlungsverfahrens zwischen dem Bericht der PAST an das Gericht vom 22. April 2003 und der Schlussanzeige vom 23. Juni 2010 sei auf "inhaltliche behördliche Untätigkeit" zurückzuführen. Rechtlich bedeute dies einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK, der nach der Rechtsprechung des OGH ein Schutzgesetz zugunsten des von einem Strafverfahren Betroffenen gegen Vermögensnachteile sei, weshalb es für den Ersatz von Verdienstentgang nicht auf das vom Erstgericht angenommene grobe Verschulden ankomme.
68 Die außerordentlichen Revisionen beider Streitteile gegen dieses Urteil wies der OGH mit Beschluss vom 15. November 2017, 1 Ob 129/17b, zurück.
69 Die sich aus dem damit rechtskräftigen Urteil ergebende Restforderung des Revisionswerbers (nach Abzug der von ihm zu ersetzenden Prozesskosten vom zugesprochenen Betrag jeweils samt Zinsen) war schon mit Bescheid vom 26. Juni 2017 gepfändet worden und wurde mit Bescheid des Finanzamts vom 19. Dezember 2017 der Republik Österreich zur Einziehung überwiesen, wodurch sich die Abgabenforderung des Bundes laut Buchungsmitteilung vom 1. März 2018 von EUR 962.230,97 auf EUR 790.501,73 verringerte.
70 Mit Urteil vom 28. Februar 2017, Nr. 907/13, hatte der EGMR - kurz nach der hier angefochtenen Entscheidung im Nachsichtsverfahren - inzwischen ausgesprochen, im Strafverfahren gegen den Revisionswerber seien sowohl Art. 6 Abs. 1 als auch Art. 13 EMRK verletzt worden. Er hob dabei in Bezug auf Art. 6 Abs. 1 EMRK den Umstand hervor, dass die Steuerbehörde dem Strafgericht schon am 22. April 2003 den Abschluss ihrer Ermittlungen angezeigt und den Schlussbericht einer anderen Steuerbehörde angekündigt hatte, dieser - im Umfang von lediglich drei Seiten - aber erst am 23. Juni 2010 erstattet worden war.
71 Im Verfahren über seinen mit Schriftsatz vom 26. Februar 2013 gestellten und zunächst anders begründeten Nachsichtsantrag berief sich der Revisionswerber, soweit noch entscheidungswesentlich, auf die eingangs erwähnten Gründe für die Unbilligkeit einer weiteren Verfolgung des Abgabenanspruchs, wobei er im Zusammenhang mit der unvertretbaren Länge des Strafverfahrens schwere Vorwürfe gegen die Finanzbehörden erhob. Im Detail kann dazu - und zur verzögerten Behandlung auch des Nachsichtsbegehrens - auf das Vorerkenntnis vom 24. Februar 2016, Ra 2015/13/0044, verwiesen werden.
72 Das Bundesfinanzgericht traf in seiner Entscheidung vom 10. Oktober 2014 keine Feststellungen über die Berechtigung der erhobenen Vorwürfe, begründete die Abstandnahme von Beweisaufnahmen damit, dass der in den Schriftsätzen des Revisionswerbers angeführte Sachverhalt "nicht bestritten" werde, und verneinte auf dieser Grundlage eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung.
73 Im Erkenntnis vom 24. Februar 2016, mit dem diese Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben wurde, legte der Verwaltungsgerichtshof zu den beiden Komponenten der zuletzt geltend gemachten Nachsichtsgründe dar, es treffe - anders, als vom Bundesfinanzgericht angenommen - nicht zu, dass sich die rein persönliche, die Existenzgefährdung betreffende Unbilligkeit schon mit dem Hinweis auf die Bewilligung der Verfahrenshilfe im Amtshaftungsprozess und auf die aktuelle Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung verneinen lasse. Das Bundesfinanzgericht habe nicht berücksichtigt, dass der Revisionswerber seinem Vorbringen nach keine sonstigen namhaften Verbindlichkeiten habe, womit eine Nachsicht nicht im Ergebnis nur anderen Gläubigern zugutekäme, und dass er auch geltend mache, Versuche zur Einhebung der Abgabenforderung würden die Wiederaufnahme seiner Berufstätigkeit behindern. Was die der sachlichen Unbilligkeit zuzuordnenden Behauptungen über das Verhalten der Finanzbehörde im Strafverfahren anlange, so lägen im Falle ihres Zutreffens entgegen der Ansicht des Bundesfinanzgerichtes Besonderheiten in der Durchsetzung des Abgabenanspruches vor, die ebenfalls eine Nachsicht nahelegen könnten. Das Bundesfinanzgericht habe daher in Bezug auf beide Aspekte des Vorbringens - die dabei nicht isoliert, sondern in ihrer Gesamtheit zu würdigen seien - rechtlich wesentliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen.
74 Im fortgesetzten Verfahren nach diesem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes schaffte das Bundesfinanzgericht den gerichtlichen Strafakt und den Einbringungsakt des Finanzamtes, nicht aber den erst im November 2017 endgültig erledigten Akt über das Amtshaftungsverfahren bei. Zum Versuch einer Beischaffung des Akts der PAST (nunmehr Steuerfahndung) hielt das Bundesfinanzgericht in einem Aktenvermerk vom 17. Juni 2016 fest, nach Auskunft der Steuerfahndung Wien sei dieser Akt "offenbar nach Auftreten eines Wasserschadens vernichtet" worden.
75 Das Bundesfinanzgericht teilte dies mit Schreiben vom 13. Juli 2016 den Vertretern des Revisionswerbers mit und ersuchte im Sinne eines vom Finanzamt mit Schreiben vom 5. April 2016 gestellten Beweisantrages um vollständige Offenlegung der aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Revisionswerbers.
76 Mit Schriftsatz vom 29. September 2016 erstattete der Revisionswerber umfangreiches Vorbringen. Er legte ein ausgefülltes Formblatt über seine wirtschaftlichen Verhältnisse vor und verwies u.a. darauf, dass die österreichische Finanzbehörde trotz des anhängigen Nachsichtsverfahrens die englischen Behörden um Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn ersucht und dabei die Ansicht vertreten habe, er sei "already insolvent", was seine Anwälte nur nicht wüssten (Mitteilung vom 29.9.2015 im Einbringungsakt; die englischen Behörden setzten die Vollstreckungsamtshilfe im Hinblick auf das Nachsichtsverfahren in der Folge aus).
77 Mit Schreiben vom 13. Jänner 2017 hielt das Bundesfinanzgericht (nur) dem Finanzamt vor, es liege "nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes bereits Einhebungsverjährung vor". Das Finanzamt widersprach dem mit Schreiben an das Bundesfinanzgericht vom 1. Februar 2017. In einem Aktenvermerk vom 20. Februar 2017 über die amtswegige Prüfung dieser Frage gelangte auch das Bundesfinanzgericht zu der Ansicht, dass keine Verjährung eingetreten sei.
78 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht das Rechtsmittel des Revisionswerbers gegen den Bescheid vom 7. November 2013, mit dem das Finanzamt seinen Nachsichtsantrag abgewiesen hatte, erneut als unbegründet ab.
79 In den Entscheidungsgründen folgte einer Darstellung des Verfahrensgangs im Nachsichtsverfahren (Seiten 1 bis 101 von 123, ohne Erwähnung des die Verjährung betreffenden Schriftverkehrs mit dem Finanzamt) sowie von Rechtsgrundlagen, einer kurzen Auseinandersetzung mit den ursprünglich geltend gemachten Nachsichtsgründen und einem Zitat aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (Seiten 101 bis 105) zunächst eine kurze "Chronologie zum Finanzstrafverfahren" (Seiten 105 bis 108). Die daran anschließenden "rechtlichen Überlegungen zum gerichtlichen Strafverfahren" (Seiten 109 bis 113) lauteten (im Original ohne Hervorhebungen) auszugsweise:
"Die Bestimmung des § 55 FinStrG, wonach eine Hauptverhandlung erst nach rechtskräftiger Abgabenfestsetzung durchgeführt werden konnte, trat bereits mit 20.8.1996 (BGBl 1996/421) außer Kraft (...) Zudem hat die Judikatur des Obersten Gerichtshofes die strafgerichtliche Bindungswirkung von Abgabenbescheiden bereits vor Außerkrafttreten dieser Bestimmung verneint (...) Dennoch verlangte jedoch auch das Oberlandesgericht die Erstattung einer ‚Schlussanzeige' durch das Finanzamt (...)
Die Anzeigeerstattung der damaligen Prüfungsabteilung Strafsachen am 21.9.2001 an die Staatsanwaltschaft beruhte auf folgenden Rechtsgrundlagen: (...) Damit ist ersichtlich, dass die Finanzstrafbehörden nach Anzeigeerstattung an die Staatsanwaltschaft nur in deren Auftrag oder im Auftrag des Gerichts weitere Tätigkeiten zur Aufklärung eines Finanzvergehens vornehmen durften. Herr des gerichtlichen Finanzstrafverfahrens ist somit nicht die Behörde, sondern das Gericht bzw. die Staatsanwaltschaft.
Eine bedeutende Änderung im Zusammenspiel Finanzstrafbehörde, Staatsanwaltschaft und Gericht ergab sich in der Folge durch die Finanzstrafgesetznovelle 2007 (...) Ab 1.1.2008 hatte die Finanzstrafbehörde nunmehr bei Verdacht eines in die Zuständigkeit des Gerichtes fallenden Finanzvergehens gegebenenfalls nach § 100 StPO einen Anfallsbericht zu erstatten, nach § 100 Abs. 2 Z 3 in einem Verfahren gegen eine bestimmte Person, wenn seit der ersten gegen sie gerichteten Ermittlung drei Monate abgelaufen sind, ohne dass berichtet worden ist, oder seit dem letzten Bericht drei Monate vergangen sind, Zwischenbericht zu erstatten und nach § 100 Abs. 2 Z 4, wenn Sachverhalt und Tatverdacht soweit geklärt scheinen, dass eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft über Anklage, Rücktritt von Verfolgung, Einstellen oder Abbrechen des Verfahrens ergehen kann, Abschlussbericht zu erstatten.
Das Wort ‚Schlussbericht' kam im Finanzstrafgesetz nie vor.
Was nunmehr die Finanzstrafbehörde eklatant von der Kriminalpolizei, die namentlich in § 100 StPO genannt ist, unterscheidet, ist der Umstand, dass die Aufgabenerfüllung der Abgabenbehörde im Rahmen der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen eines Abgabepflichtigen, bei dem ein Strafverfahren anhängig gemacht wurde, von den Bestimmungen des Finanzstrafgesetzes und den Bestimmungen der StPO unberührt bleibt.
Zu welchem Zeitpunkt ist daher ein Abschlussbericht der Finanzstrafbehörde zu erstatten, wenn eben parallel Ermittlungen durch die Finanzstrafbehörde und die Abgabenbehörde getätigt werden können, bzw. in einem Rechtsmittelverfahren gegen eine Abgabenfestsetzung auch dem Bundesfinanzgericht (gemeint hier wohl: dem unabhängigen Finanzsenat) als Tatsacheninstanz Ermittlungsaufgaben zukommen?
Eine detaillierte gesetzliche Regelung gibt es dazu nicht.
Die Ermittlungstätigkeit der für die Finanzstrafbehörde des für den Bf. zuständigen Finanzamtes (...) im Gerichtsauftrag agiert habenden Prüfungsabteilung Strafsachen beim Finanzamt Wien 1 war mit Legung deren abschließenden Berichts vom 22.4.2003 beendet.
Traditionell wird jedoch von der Staatsanwaltschaft weiterhin - wohl um Doppelgleisigkeiten zu vermeiden - die Rechtskraft der Abgabenbescheide und damit das Ende eines Rechtsmittelverfahrens abgewartet.
Im Gegensatz zum klaren Aufgabenbereich der Kriminalpolizei, die nach Abschluss ihrer eigenen Ermittlungen Abschlussbericht erstattet, wird somit in der Praxis regelmäßig eine weitere Berichtspflicht der Finanzstrafbehörde a) bei einem noch offenen Verfahren zur Abgabenfestsetzung bzw. einem behördlichen Rechtsmittelverfahren gegen die Abgabenfestsetzung über den Stand weiterer Ermittlungen der Abgabenbehörde (...), b) bei einem Rechtsmittelverfahrens vor dem Unabhängigen Finanzsenat und
c) nunmehr hinsichtlich eines offenen Beschwerdeverfahrens beim Bundesfinanzgericht abgeleitet.
Die Finanzstrafbehörde hat weder einen Rechtsanspruch darauf, über laufende Ermittlungen in einem Rechtsmittelverfahren gegen eine Abgabenfestsetzung zeitnah in Kenntnis gesetzt zu werden, noch einen Einfluss auf die Dauer eines solchen Rechtsmittelverfahrens, wie verfahrensgegenständlich immer wieder auch an die Staatsanwaltschaft und das Gericht berichtet wurde.
Es steht allein im Rahmen der Entscheidungsbefugnis der Staatsanwaltschaft bzw. des Landesgerichtes für Strafsachen, ob die Rechtskraft der Abgabenbescheide als qualifizierte Vorprüfung des objektiven Tatbestandes im Einzelfall abgewartet wird oder ob gegebenenfalls ein Sachverständiger zur Unterstützung der Entscheidungsfindung herangezogen wird.
Gerichtliche Finanzstrafverfahren unterliegen keiner absoluten Verjährung, daher ist es rechtlich gedeckt, auch den Ausgang von Rechtsmittelverfahren in Abgabenfestsetzungsverfahren abzuwarten.
Ermittelnd tätig war bis April 2003 die Prüfungsabteilung Strafsachen, nach Ergehen der Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates am 4.12.2007 wurde nunmehr 2008 die Finanzstrafbehörde des Finanzamtes (...), die zuvor in die Fallbearbeitung nicht eingebunden war, aufgefordert, einen Abschlussbericht zu erstatten, wobei die Unterlagen, die dem Unabhängigen Finanzsenat zu Verfügung gestanden sind, bzw. die Akten des Rechtsmittelverfahrens im Beschwerdeverfahren vom Verwaltungsgerichtshof benötigt wurden.
Das Schreiben des Finanzamtes (...) an den Unabhängigen Finanzsenat vom 12.11.2008 gibt unzweifelhaft darüber Auskunft, dass auf Entscheidung des zuständigen Staatsanwaltes das gerichtliche Finanzstrafverfahren bis zum Ergehen der VwGH-Entscheidung aufgeschoben werden sollte. Im Schreiben an das Landesgericht für Strafsachen Wien vom 28.4.2009 hält die Staatsanwaltschaft Wien expressis verbis fest, dass ein sinnvoller Schlussbericht vor Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht erstattet werden könne.
Diese Entscheidung wurde erst durch den Beschluss des Oberlandesgerichtes am 27.11.2009 außer Kraft gesetzt.
Der Behauptung des Bf., dass das am 9.10.2001 wegen des Verdachtes auf Abgabenhinterziehung nach § 33 FinStrG anhängig gewordene gerichtliche Strafverfahren durch die Prüfungsabteilung Strafsachen (PAST) bzw. die Finanzstrafbehörde (...) in rechtswidriger Weise blockiert worden sei, kommt somit keine Berechtigung zu. Es ging nicht um die Berechnung eines strafbestimmenden Wertbetrages durch ein Aufsplitten in strafrechtlich relevante Fakten und rein steuerrechtlich bedeutsame Fakten eines Prüfungsberichtes, sondern um eine Ja- oder Nein-Frage hinsichtlich einer bestehenden und nicht wahrgenommenen Steuerpflicht."
80 Zusammenfassend nahm das Bundesfinanzgericht zu diesem Aspekt des Falles (auf den Seiten 116 und 117, im Original ohne Hervorhebungen) wie folgt Stellung:
"Gegen den Bf. war von Oktober 2001 bis September 2012, somit in einem Zeitraum von fast genau 11 Jahren ein gerichtliches Finanzstrafverfahren anhängig. Die lange Verfahrensdauer ist bedauerlich, aber gesetzlich gedeckt, da das gerichtliche Finanzstrafverfahren keine absolute Verjährung kennt. Ein rechtswidriges Blockieren des Strafverfahrens durch die Finanzstrafbehörde liegt nicht vor. Die Prüfungsabteilung Strafsachen hat nach Abschluss ihrer Ermittlungen Bericht an die Staatsanwaltschaft (gemeint: an das Gericht) erstattet, ist den Aufforderungen der Staatsanwaltschaft und des Gerichtes über den weiteren Fortgang, wie oben detailliert festgehalten, des parallel ablaufenden Abgabenfestsetzungsverfahrens und nicht weiterer finanzstrafrechtlicher Ermittlungen, Bericht zu erstatten nachgekommen. In der Folge wurde direkt durch den Unabhängigen Finanzsenat die Berufungsentscheidung im Abgabenrechtsmittelverfahren dem Gericht übermittelt und auch rechtsrichtig durch die Staatsanwaltschaft und nicht durch die Finanzstrafbehörde entschieden, dass in diesem Einzelfall auch noch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs abgewartet werden sollte.
In dieser Finanzstrafsache ging es grob eingeteilt nicht um die Bewertung einzelner Fakten und die Berechnung eines strafbestimmenden Wertbetrages unter Ausscheidung von strafrechtlich nicht relevanten Prüfungsfeststellungen, sondern um die Lösung verschiedener Rechtsfragen (beginnend mit der Frage nach dem zuständigen Finanzamt und der Prüfung einer allfälligen Festsetzungsverjährung) im Zusammenhang mit einem Sachverhalt mit Auslandsbezug und damit erschwerten Ermittlungsbedingungen, also schon hinsichtlich des objektiven Tatbestandes gesamt um die Frage ‚ja' oder ‚nein' mit Einwand der Verfassungswidrigkeit bzw. Unionsrechtswidrigkeit der Abgabenvorschreibung.
Dass auf den Bf. Druck ausgeübt worden sein könnte, damit er die Abgabenschuldigkeiten entrichte und ihm für diesen Fall ein die subjektive Tatseite verneinender Bericht an die Staatsanwaltschaft bzw. das Gericht in Aussicht gestellt worden wäre, ergibt sich aus den dem BFG zur Verfügung stehenden Akten nicht. Diese Anschuldigung wurde auch niemals dahingehend konkretisiert, dass ein Organwalter namentlich dieses Verhaltens bezichtigt wurde.
Besonderheiten in der ‚Durchsetzung des Abgabenanspruches' ergeben sich objektiv naturgemäß immer dann in einem höheren Ausmaß, wenn eine Person durch ein anhängiges Strafverfahren an der weiteren Ausübung ihres Berufes gehindert ist, z.B. auch bei einem Arzt, dem ein Behandlungsfehler vorgeworfen wird.
Besonderheiten in der Durchsetzung des Abgabenanspruches, die auf einem Verhalten der Finanzbehörde beruhen und damit eine sachliche Unbilligkeit begründen, liegen jedoch verfahrensgegenständlich nicht vor."
81 Die diesen Ausführungen (auf Seite 117) folgende Auseinandersetzung mit der "aktuellen Finanzlage" des Revisionswerbers beendete das Bundesfinanzgericht mit folgenden Erwägungen:
"Eine persönliche Unbilligkeit in der Abgabeneinhebung kann (...) nicht angenommen werden, weil der Bf. nach eigenen Angaben derzeit über überhaupt kein Vermögen und keine Einkünfte verfügt und es infolge der deshalb vorliegenden Uneinbringlichkeit der Abgabenschulden zu keiner Auswirkung der Abgabeneinhebung auf die Einkommens- und Vermögenslage des Nachsichtswerbers kommen kann (VwGH 22.9.2000, 95/15/0090)."
82 Zur Frage der Kausalität des langen Strafverfahrens für die nunmehrige Mittellosigkeit des Revisionswerbers und einer Schädlichkeit weiterer Einbringungsversuche für einen Wiedereinstieg in das Berufsleben hielt das Bundesfinanzgericht dem Revisionswerber (auf den Seiten 118 und 119) das (im Einbringungsakt des Finanzamtes vorgefundene, weil dem Finanzamt von der Finanzprokuratur übermittelte) Sachverständigengutachten aus dem Amtshaftungsprozess vor. In diesem - vom Revisionswerber im Amtshaftungsprozess erfolglos bekämpften - Gutachten vom April 2016 war u.a. ausgeführt worden, der Revisionswerber hätte während des offenen Strafverfahrens zwar nicht in einer der von ihm zuletzt ausgeübten unselbständigen Tätigkeiten, aber auf andere Weise Beschäftigung finden können, was (in dem dem Bundesfinanzgericht nicht zur Kenntnis gelangten erstinstanzlichen Endurteil vom 9. November 2016) zu Abzügen bei den als Verdienstentgang zugesprochenen Beträgen führte. Eine "vollkommene Unvermittelbarkeit" des Revisionswerbers, so das Bundesfinanzgericht, sei dem Gutachten nach durch das Strafverfahren nicht bewirkt worden. Den im Gutachten auch erwähnten Umstand, dass der Revisionswerber zwischen den Vertragsauflösungen im Jahr 1998 und der Einleitung des Strafverfahrens im Jahr 2001 noch keine neue Beschäftigung angenommen hatte, kommentierte das Bundesfinanzgericht mit den Worten, es könne daher "von einer durch das Strafverfahren erzwungenen Beendigung seiner Karriere als Bankenvorstand keine Rede sein". Zu einem - vom Revisionswerber befürchteten und für die Wiederaufnahme der Tätigkeit im Bankwesen schädlichen - Konkursverfahren könne es (gemeint offenbar: nach der Einschätzung der Rechtslage in Österreich durch das Bundesfinanzgericht) nicht kommen, weil "die Finanzbehörde die einzige Gläubigerin ist" (was allerdings einer Konkurseröffnung nur bis zum Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1997 entgegenstand).
83 Schließlich sei aus den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in dem aufhebenden Erkenntnis vom 24. Februar 2016 für den Revisionswerber auch insofern nichts zu gewinnen, als "nach dem genannten Sachverständigengutachten durch das Bestehen der Abgabenschuld die berufliche oder wirtschaftliche Existenz des Abgabepflichtigen wegen der nach wie vor intakten Möglichkeit der Aufnahme von Beratungstätigkeiten oder anderen zumutbaren Beschäftigungen eben nicht gefährdet wird". Hiezu zitierte das Bundesfinanzgericht den Standpunkt des Revisionswerbers im Amtshaftungsverfahren unterstützende Ausführungen des Sachverständigen zur Kausalität nicht der Steuerschuld, sondern des Strafverfahrens für die Unmöglichkeit einer Fortsetzung der "Beschäftigung in unselbständiger Schlüsselfunktion im Finanzsektor". Die Finanzschuld müsse "in Relation zum Einkommen sowie etwaigem Vermögen des Klägers (zuletzt Abfindung aus der (...) Vertragsauflösung) beurteilt werden" und sei "in diesem Sinne vernachlässigbar" (Seite 120 des angefochtenen Erkenntnisses).
84 Die vom Verwaltungsgerichtshof geforderte Gesamtschau ergebe daher, dass die Einhebung der Abgabenschulden weder sachlich noch persönlich unbillig sei (Seite 120).
85 Zuletzt legte das Bundesfinanzgericht (auf den Seiten 120 und 121) noch zum "Ermessen" dar, es werde "informativ festgestellt, dass auch im Falle der Unbilligkeit" keine stattgebende Entscheidung ergehen könne. Im Rahmen der Ermessensübung sei nämlich zu berücksichtigen, dass dem Revisionswerber Verletzungen der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflichten vorgeworfen werden müssten, weil er die ihm - wie das Bundesfinanzgericht hier formulierte - "aufgrund der Missbrauchsbestimmungen der §§ 21 und 22 BAO" zuzurechnenden Einkünfte nicht als eigene erklärt habe. Nicht unberücksichtigt bleiben dürfte schließlich auch, dass er selbst erklärt habe, im Falle eines Obsiegens im Amtshaftungsprozess "die nachsichtsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten entrichten zu wollen. Einer Nachsichtsbewilligung vor Entscheidung über die Amtshaftungsklage könnte daher auch im Rahmen des Ermessens nicht entsprochen werden".
86 Das Bundesfinanzgericht sprach aus, eine Revision gegen seine Entscheidung sei nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil im zweiten Rechtsgang "lediglich Feststellungen zu Besonderheiten im Einzelfall hinsichtlich einer behaupteten Einflussnahme der Finanzbehörde auf die Dauer des Finanzstrafverfahrens zur Ausübung von Druck auf den Bf. zur Hereinbringung der offenen Abgabenforderung nachzuholen" gewesen seien.
87 Der Revisionswerber erhob gegen die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, die dieser unter Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss von 8. Juni 2017, E 1225/2017-10, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
88 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die von den Vertretern des Revisionswerbers daraufhin eingebrachte und durch Eingaben des Revisionswerbers ergänzte Revision, zu der das Finanzamt keine Revisionsbeantwortung erstattete, erwogen:
89 Fällige Abgabenschuldigkeiten können gemäß § 236 Abs. 1 BAO auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Diese Bestimmung findet gemäß § 236 Abs. 2 BAO auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung.
90 Die dazu ergangene Verordnung BGBl. II Nr. 435/2005 konkretisiert das Erfordernis der Unbilligkeit wie folgt (§ 3 in der durch BGBl. II Nr. 449/2013 modifizierten Fassung):
"§ 1. Die Unbilligkeit im Sinn des § 236 BAO kann persönlicher oder sachlicher Natur sein.
§ 2. Eine persönliche Unbilligkeit liegt insbesondere vor,
wenn die Einhebung
1. die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm
gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde;
2. mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen
verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme.
§ 3. Eine sachliche Unbilligkeit liegt bei der Einhebung von Abgaben insbesondere vor, soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches
1. von Rechtsauslegungen des Verfassungsgerichtshofes oder
des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn im Vertrauen auf die betreffende Rechtsprechung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden;
2. in Widerspruch zu nicht offensichtlich unrichtigen
Rechtsauslegungen steht, die
a) dem Abgabepflichtigen gegenüber von der für ihn
zuständigen Abgabenbehörde geäußert oder
b) vom Bundesministerium für Finanzen im Amtsblatt der
österreichischen Finanzverwaltung oder im Internet als Amtliche Veröffentlichung in der Findok veröffentlicht wurden, wenn im Vertrauen auf die betreffende Äußerung bzw. Veröffentlichung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden;
3. zu einer internationalen Doppelbesteuerung führt, deren
Beseitigung ungeachtet einer Einigung in einem Verständigungsverfahren die Verjährung oder das Fehlen eines Verfahrenstitels entgegensteht."
91 Die in den §§ 2 und 3 der Verordnung aufgezählten Fälle schließen Fälle anderer Art nicht aus ("insbesondere"). Es ist aber, wie schon im Vorerkenntnis vom 24. Februar 2016 dargelegt, auch § 1 der Verordnung nicht dahingehend auszulegen, dass ein Sachverhalt mit Merkmalen sowohl der sachlichen als auch der persönlichen Unbilligkeit die in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilende Voraussetzung der Unbilligkeit im Sinne des § 236 Abs. 1 BAO nur erfüllt, wenn eine dieser Komponenten auch für sich allein genommen dafür ausreichen würde. Die Beurteilung erfordert in solchen Fällen eine Gesamtschau.
92 Schon in der mit dem Vorerkenntnis wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehobenen Entscheidung vom 10. Oktober 2014 hatte sich das Bundesfinanzgericht im Zusammenhang mit der Frage eines möglichen Sanierungseffektes der beantragten Nachsicht bei der Beurteilung der persönlichen Unbilligkeit auf das Erkenntnis vom 22. September 2000, 95/15/0090, gestützt. Im Erkenntnis vom 24. Februar 2016 wurde auf die Entwicklung dieser Judikatur und den dahinter stehenden Gedanken eingegangen, dass die Nachsicht nicht im Ergebnis bloß anderen Gläubigern zugutekommen dürfe. Auf den vorliegenden Fall, in dem geltend gemacht werde, es bestehe nur die hohe Abgabenschuld, sei dies "von vornherein schwer übertragbar".
93 Das Bundesfinanzgericht hat sich darüber hinweggesetzt und die Verneinung einer persönlichen Unbilligkeit der Abgabeneinhebung erneut mit der Uneinbringlichkeit der Abgabenschuld als - auch nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichtes - einziger nennenswerter Verbindlichkeit begründet. Hinzu kommt noch der vom Bundesfinanzgericht nicht aufgegriffene Umstand, dass das Finanzamt nach dem durch die Aktenlage bestätigten Vorbringen des Revisionswerbers die englischen Behörden (ungeachtet auch des noch anhängigen Nachsichtsbegehrens) um Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Revisionswerber ersuchte, von dem es zugleich annahm, er sei insolvent. Dass dergleichen nie unbillig sein könne, ist aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht ableitbar.
94 In weiterer Folge hat das Bundesfinanzgericht dem Revisionswerber auch Ausführungen aus einem Gutachten entgegengehalten, nach denen die Abgabenschuld in Anbetracht seiner wirtschaftlichen Verhältnisse "vernachlässigbar" sei. Diese Ausführungen des Gutachters im Amtshaftungsprozess bezogen sich unzweideutig auf die Situation vor Beginn des überlangen Strafverfahrens. Gegen die Befürchtung beruflicher Nachteile durch nunmehrige Versuche zur Durchsetzung der hohen Abgabenforderung lassen sie sich nicht ohne Verstoß gegen Denkgesetze ins Treffen führen, weshalb dem Vorerkenntnis auch in Bezug auf den diesbezüglichen Teil des Vorbringens nicht Rechnung getragen wurde.
95 Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes widerspricht schon aus diesen Gründen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, was in den Ausführungen der Revision zu deren Zulässigkeit in noch ausreichend deutlicher Form angesprochen wird. Mit Recht macht die Revision darüber hinaus auch geltend, es fehle an Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dazu, ob die EMRK-widrig überlange Dauer eines wegen Nichtentrichtung der Abgabe angestrengten und schließlich durch Freispruch beendeten Strafverfahrens - gemeint: auch ohne Nachweis des im ersten Rechtsgang "nicht bestrittenen" Bestrebens der Finanzbehörde, damit Druck auf den Abgabepflichtigen auszuüben - im Nachsichtsverfahren von Bedeutung sein könne.
96 Die Revision ist daher zulässig und die Argumentation des Bundesfinanzgerichtes mit der Uneinbringlichkeit der zugleich "vernachlässigbaren" Forderung unzutreffend.
97 Was die überlange Dauer des Strafverfahrens anlangt, so ist darauf hinzuweisen, dass sich Begrenzungen der Dauer eines Verfahrens nicht nur aus Verjährungsvorschriften, sondern auch aus Art. 6 Abs. 1 EMRK (und für gerichtliche Strafverfahren seit dem 1. Jänner 2008 aus § 9 Abs. 1 StPO) ergeben können. Die Rechtswidrigkeit der nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes "bedauerlichen", aber "rechtlich gedeckten" Dauer des Verfahrens gegen den Revisionswerber ist offenkundig und wurde schon im Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 27. November 2009, der dem Bundesfinanzgericht vorlag, hervorgehoben. Sie wurde in weiterer Folge - zum Teil noch vor dem hier angefochtenen Erkenntnis - auch in den Entscheidungen des Landesgerichtes für ZRS Wien, des Oberlandesgerichtes Wien und des OGH im Amtshaftungsprozess und zuletzt vom EGMR festgestellt.
98 Angesichts der erneuten Fehlbeurteilungen durch das Bundesfinanzgericht wäre auch seine nunmehr vorliegende Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben. Der Verwaltungsgerichtshof erachtet es jedoch als zweckmäßig, statt einer Betrauung des Bundesfinanzgerichtes mit einer dritten Entscheidung gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in der Sache selbst zu entscheiden. Der Sachverhalt ist dafür ausreichend geklärt.
99 Die vom Bundesfinanzgericht im ersten Rechtsgang "nicht bestrittene" Verwendung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens durch die Finanzbehörde, um "mithilfe einer rechtswidrigen Prozesssperre" die Steuerforderung "einzutreiben", ist der Entscheidung dabei nicht zugrunde zu legen. Das diesbezügliche Vorbringen des Revisionswerbers beruht auf dem Protokoll über eine Besprechung zwischen ihm und einem seiner Vertreter, bei der dieser aus dem bloßen Umstand, dass eine kurzfristige Einstellung des Gerichtsverfahrens nur bei entlastender Schlussanzeige zu erwarten sei, ein "Erpressungsszenario" ableitete, das "nicht untypisch" sei. Behauptungen darüber, dass seitens der Finanzbehörden in der konkreten Angelegenheit des Revisionswerbers ein entsprechender Konnex hergestellt und für den Fall einer gänzlichen oder teilweisen Entrichtung der strittigen Abgaben die Möglichkeit einer entlastenden Schlussanzeige angedeutet worden sei, hat der Revisionswerber im vorliegenden Verfahren nicht erhoben. Die in der Amtshaftungsklage behauptete Bemerkung der Sachbearbeiterin der PAST in einem Telefonat am 12. Juni 2003, die in diese Richtung weisen könnte, wurde im Amtshaftungsverfahren nicht festgestellt und im vorliegenden Verfahren nicht ins Treffen geführt. Im Schriftsatz vom 29. September 2016, der an zumindest zwei Stellen (Seite 9 und Seite 17) von der Verwendung des Strafverfahrens als Druckmittel spricht, heißt es an anderer Stelle (Seite 14) nur, dies "könnte" eine "mögliche" Erklärung für das verfahrensverzögernde Verhalten der Finanzbehörde sein.
100 Damit stellt sich die im Zulässigkeitsvorbringen u. a. angesprochene Frage, ob es im Nachsichtsverfahren nicht auch unabhängig von der Feststellbarkeit solcher Absichten eine Rolle spielen kann, wenn das für den Abgabepflichtigen mit schweren Nachteilen verbundene und letztlich in einen Freispruch mündende Strafverfahren, in dem der Finanzstrafbehörde die Stellung eines Privatbeteiligten zukommt und an dem sie darüber hinaus auch auf andere Weise mitwirkt, rechtswidrig lange dauert.
101 Das Bundesfinanzgericht hat dies - abgesehen von der Annahme einer bloß "bedauerlichen" Verfahrensdauer - auch deshalb verneint, weil (gemeint: im November 2008) eine für die Finanzstrafbehörde verbindliche "Entscheidung" des Staatsanwaltes vorgelegen habe, die erst durch einen Beschluss des Oberlandesgerichtes (ein Jahr später) "außer Kraft gesetzt" worden sei.
102 Implizit kommt darin zum Ausdruck, eine nur den befassten Staatsanwälten und Richtern und nicht zumindest zum Teil auch den Finanzbehörden anzulastende Verfahrensverzögerung könne nicht zur Unbilligkeit einer auch nach Abschluss des überlangen Strafverfahrens fortgesetzten und einer wirtschaftlichen Sanierung des Abgabepflichtigen entgegenstehenden Verfolgung von Abgabenansprüchen des Bundes beitragen. Ob dies zutreffen kann, ist im vorliegenden Fall aber nicht entscheidend, weil die Mitverantwortung der Finanzbehörden für die exzessive Gesamtdauer des Strafverfahrens - entgegen der Ansicht des Bundesfinanzgerichtes - klar erkennbar ist:
103 Mit den drei Beschlüssen vom 9. Oktober 2001 hatte der Untersuchungsrichter erstens die PAST mit Erhebungen und Ermittlungen, zweitens die Amtsbetriebsprüfung mit den "erforderlichen" Prüfungshandlungen und drittens die PAST im Zusammenwirken mit dem Finanzamt als Finanzstrafbehörde mit der Erstattung einer Schlussanzeige nach Durchführung der zuvor genannten Aufträge - nicht nach Abschluss des Abgabenfestsetzungsverfahrens oder eines daran anschließenden Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof - beauftragt. Von einer Betriebsprüfung wurde, wie dargestellt, in der Folge abgesehen.
104 Nach dem Gerichtsauftrag war die Schlussanzeige im Zusammenwirken mit der Finanzstrafbehörde zu erstatten, wobei das für den Revisionswerber zuständige Finanzamt als Finanzstrafbehörde, dessen Schlussanzeige die PAST dem Untersuchungsrichter mit dem Schreiben vom 22. April 2003 ankündigte, aber in der Folge nicht tätig wurde. Stattdessen ergab sich ein Auffassungsunterschied zwischen der Sachbearbeiterin der PAST und der beim Finanzamt mit der Veranlagung befassten Fachbereichsleiterin, die sich im Schreiben vom 7. August 2003 an die Vertreter des Revisionswerbers und erkennbar auch noch im Schreiben vom 13. Juli 2004 an die PAST auf den Standpunkt stellte, die Schlussanzeige sei von der PAST zu erstatten.
105 Die Urgenzen der Folgejahre - nun schon nach Erlassung der Abgabenbescheide - beantwortete die Sachbearbeiterin der PAST wiederholt mit Behauptungen darüber, dass eine Schlussanzeige erst nach Vorliegen der Berufungsentscheidung möglich sei. Im Gerichtsauftrag vom 9. Oktober 2001, der sich auf die Berichterstattung über die Erfüllung der Aufträge vom selben Tag bezog, fanden diese Behauptungen nicht Deckung.
106 Als die Sachbearbeiterin der PAST nach Vorliegen der Berufungsentscheidung vom 4. Dezember 2007 auf den Sachbearbeiter der Strafsachenstelle des Finanzamtes verwies, ersuchte dieser um Fristerstreckungen bis Ende Oktober 2008, weil die Angelegenheit (in der von einer Prüfung abgesehen worden war, weil es nur um "ein paar Tranchen" ging) so kompliziert sei. Ergebnisse einer tatsächlichen Bearbeitung des Falles kamen in dieser Zeit - nach dem späteren Abschlussbericht zu urteilen - nicht zustande.
107 Nach Vorliegen des OLG-Beschlusses vom 27. November 2009 reagierte der Sachbearbeiter der Strafsachenstelle auf den Auftrag des Staatsanwaltes, nun den Schlussbericht zu erstatten, erneut mit bloßen Fristerstreckungsersuchen wegen des "äußerst komplizierten und teilweise kaum mehr zu rekonstruierenden Sachverhaltes", bis er schließlich - schon in Kenntnis des Aufforderungsschreibens des Revisionswerbers gemäß § 8 Abs. 1 Amtshaftungsgesetz - im Juni 2010 einen dreiseitigen Schlussbericht verfasste, ohne sich dafür die Ermittlungsakten zu besorgen. Eine kohärente Darstellung und abgabenrechtliche Bewertung des Sachverhaltes für das Strafverfahren erfolgte seitens der Finanzbehörde - die dem Gericht schon mit dem Schreiben vom 22. April 2003 zwei einander widersprechende Falllösungen übermittelt hatte - auch jetzt nicht.
108 Es kann dahinstehen, ob und in welchem Umfang all dies eine Nachsicht nahelegen könnte, wenn der Revisionswerber noch imstande wäre, die Abgabenschuld zu begleichen. Er ist dazu nicht mehr in der Lage, wozu das rechtswidrig lange Strafverfahren beigetragen hat. Der Revisionswerber hat dabei keine sonstigen Schulden, sodass eine Nachsicht der uneinbringlichen Abgabenschuld auch geeignet ist, die Sanierung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse herbeizuführen und ihm die nicht durch Vollstreckungsversuche belastete (und seinem ausführlichen Vorbringen nach auch gefährdete) Wiederaufnahme einer seiner Qualifikation entsprechenden Berufstätigkeit zu ermöglichen. In Verbindung mit diesen die persönlichen Verhältnisse des Revisionswerbers betreffenden Umständen tragen die erörterten Besonderheiten des gegen ihn geführten Strafverfahrens dazu bei, dass die weitere Einhebung der Abgabenschuld nach der Lage des Falles im Sinne des § 236 Abs. 1 BAO unbillig wäre.
109 Der die Dauer der strafgerichtlichen Verfolgung wegen eines Vorsatzdeliktes verschärfende Umstand, dass die Bestätigung der Abgabenfestsetzung auf Rechtsauslegungen beruhte, die sich erst Jahre nach der Verwirklichung des für die Abgabepflicht maßgeblichen Sachverhaltes entwickelt hatten, reicht für sich genommen - wie auch der weitere Umstand, dass die dem Revisionswerber auf dieser Grundlage zugerechneten Einkünfte in Liechtenstein als solche der Aktiengesellschaft behandelt worden waren -nicht aus, um die Voraussetzungen des auch Aspekte dieser Art betreffenden § 3 der zu § 236 BAO ergangenen Verordnung zu erfüllen. Im Rahmen der Gesamtschau wäre er im Zweifel aber ebenfalls zu berücksichtigen.
110 Auch Ermessensgesichtspunkte (vgl. § 20 BAO) sprechen nicht gegen die Bewilligung der Nachsicht. Zugunsten des Revisionswerbers wirkt dabei die erst nach der Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes eingetretene Tatsache einer Berichtigung etwa eines Fünftels der Abgabenschuld aus dem im Amtshaftungsprozess ersiegten Betrag. Damit ist zugleich auch der vom Bundesfinanzgericht ins Treffen geführte Gesichtspunkt des noch offenen Amtshaftungsverfahrens weggefallen, sodass auf dessen Berechtigung nicht mehr eingegangen werden muss. Zum weiters vorgebrachten Argument einer Verletzung von Offenlegungs- und Wahrheitspflichten ist anzumerken, dass dem Revisionswerber die in Erfüllung von Verträgen mit der Aktiengesellschaft an diese geleisteten Zahlungen nicht wegen Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten, sondern wegen der Art der namens der Aktiengesellschaft erbrachten Leistungen auf der Grundlage einer Judikatur zugerechnet wurden, die es zudem zur Zeit der inkriminierten Vorgänge noch nicht gab. Dass er die von der Aktiengesellschaft in Liechtenstein versteuerten Einkünfte damals nicht in Österreich als eigene offenlegte, fällt angesichts der weiteren Entwicklung - zuletzt auch im Nachsichtsverfahren - daher nicht entscheidend ins Gewicht.
111 Das Gesagte gilt nur, soweit die Abgabenforderung noch offen ist. Aus der schon erfolgten Verrechnung mit dem im Amtshaftungsprozess ersiegten Betrag drohen dem Revisionswerber auch keine weiteren Nachteile, sodass die Beschwerde insoweit abzuweisen war.
112 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 20. Juni 2018
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