VwGH Ra 2017/04/0153

VwGHRa 2017/04/015329.1.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie Hofrat Dr. Kleiser und Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tiefenböck, über die Revision des H W in F, vertreten durch die Niederhuber & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Wollzeile 24, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Oktober 2017, Zl. W225 2161152- 1/3E, betreffend Feststellungsantrag nach UVP-G 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Steiermärkische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: H GmbH & Co KG vertreten durch die Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH, Hartenaugasse 6, 8010 Graz), den Beschluss gefasst:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
MRK Art6;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
VwGVG 2014 §24;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Mit einem früheren, hier nicht mehr gegenständlichen Bescheid der belangten Behörde vom 15. März 2016 wurde auf Grund des Antrages der mitbeteiligten Partei gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 festgestellt, dass für das Vorhaben "Errichtung eines Bau- und Gartenfachmarktes mit 153 KFZ-Stellplätzen" nach Maßgabe der in der Begründung präzisierten Form und der eingereichten Projektunterlagen keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sei.

2 Dieser Bescheid wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 15. März 2016 aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen. Dieser Zurückverweisungsbeschluss wurde in der Folge vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 11. Mai 2017, Ra 2017/04/0006, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufgehoben.

3 Der verfahrenseinleitende Antrag wurde im fortgesetzten Verfahren von der mitbeteiligten Partei (Projektwerberin) zurückgezogen.

4 2. Mit Antrag vom 2. Februar 2017 beantragte die mitbeteiligte Partei die Feststellung gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000, ob für die Errichtung eines Bau- und Gartenfachmarktes mit 123 KFZ-Stellplätzen an einem bestimmt bezeichneten Standort eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sei.

5 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 2. Mai 2017 wurde aufgrund dieses Antrags der mitbeteiligten Partei festgestellt, dass für das bezeichnete Vorhaben keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sei.

6 3. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab. Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

7 In seiner Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, die Projektwerberin plane die Errichtung eines Bau- und Gartenfachmarktes mit 123 KFZ-Stellplätzen an einem bestimmt bezeichneten Ort. Die Flächeninanspruchnahme betrage 1,8529 ha.

8 Es bestehe weder Betreiberidentität, gemeinsamer Betriebszweck, ein wirtschaftliches Gesamtkonzept noch eine gemeinsame Bewirtschaftung des geplanten Vorhabens mit den im Umfeld bereits bestehenden Anlagen. Es liege ein Neuvorhaben vor, das mit den geplanten Stellplätzen unter der Bagatellgrenze des maßgeblichen Schwellenwertes liege.

9 4. Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

10 5. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 5.1. Die Revision bringt zur Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, weil dieser einen früheren Zurückverweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG in derselben Sache aufgehoben habe. Der Verwaltungsgerichtshof habe dort ausgesprochen, dass eine Aufhebung und Zurückverweisung durch das Verwaltungsgericht nur zulässig sei, wenn krasse Ermittlungsmängel vorliegen würden. In allen anderen Fällen müsse das Verwaltungsgericht die fehlenden Ermittlungsschritte selbst setzen und in der Sache entscheiden. Vorliegend habe das Verwaltungsgericht jedoch keine weiteren Ermittlungen durchgeführt und nur aufgrund der Aktenlage entschieden.

14 5.2. Dieses Vorbringen kann die Zulässigkeit der Revision schon deshalb nicht begründen, weil das ins Treffen geführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs einen früheren Antrag der mitbeteiligten Partei betraf, der - darauf weist auch die Revision hin - zwischenzeitig von dieser zurückgezogen wurde. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist ein neuer Antrag, für den das oben erwähnte Verfahren keine Bindungswirkung entfalten kann. Inwiefern die angefochtene Entscheidung vor dem Hintergrund des geänderten Vorhabens von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweichen würde, führt die Revision nicht aus. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang die Verletzung der Verpflichtung zur Entscheidung in der Sache selbst rügt, geht dieses Vorbringen schon deshalb ins Leere, weil das Verwaltungsgericht fallbezogen eine meritorische Entscheidung gefällt hat.

15 5.3. Weiters macht die Revision geltend, das Verwaltungsgericht habe die Durchführung eines Ortsaugenscheins als auch "weitere wesentliche Ermittlungsschritte" unterlassen. Dies begründe einen Verfahrensmangel, dessen Wesentlichkeit darin bestehe, dass "das Verwaltungsgericht das gegenständliche Erkenntnis nicht erlassen hätte, hätte es die notwendigen Ermittlungsschritte gesetzt".

16 Die Zulässigkeit der Revision setzt neben dem Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für die revisionswerbenden Parteien bei richtiger rechtlicher Beurteilung günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. VwGH 18.8.2017, Ro 2015/04/0006, mwN). Die Revision zeigt mit den oben wiedergegebenen, nicht weiter substantiierten Ausführungen die Relevanz der - zum Teil nicht näher spezifizierten - behaupteten Verfahrensmängel für den Verfahrensausgang nicht auf, zumal nicht fallbezogen dargestellt wird, welche Feststellungen aufgrund welcher der unterlassenen Ermittlungsschritte getroffen hätten werden können, die zu einem für den Revisionswerber günstigeren Ergebnis geführt hätten.

17 5.4. Zuletzt weist die Revision, im Rahmen des Zulässigkeitsvorbringens darauf hin, das Verwaltungsgericht habe trotz Antrag keine mündliche Verhandlung durchgeführt und sei damit von entsprechender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.

18 Das Verwaltungsgericht stützt den Entfall der mündlichen Verhandlung auf die Begründung, der Sachverhalt sei aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen.

19 Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG von der Durchführung einer Verhandlung absehen, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, entgegenstehen. Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist daher durchzuführen, wenn es um "civil rights" oder "strafrechtliche Anklagen" im Sinne des Art. 6 EMRK oder um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (Art. 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird. Bei einem rechtswidrigen Unterlassen der nach Art. 6 EMRK erforderlichen mündlichen Verhandlung ist keine Relevanzprüfung hinsichtlich des Verfahrensmangels vorzunehmen (vgl. VwGH 2.8.2016, Ra 2014/05/0058, mwN).

20 Im vorliegenden Fall geht es um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (vgl. dazu ausführlich VwGH 2.8.2016, Ro 2015/04/0026, mwN).

21 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es zum Entfall der Verhandlungspflicht, wenn Verfahrensgegenstand nur die Lösung einer Rechtsfrage ist, weil Gegenstand des Verfahrens nicht die Klärung einer Tatfrage, sondern einer Rechtsfrage ist. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Auffassung vertreten, dass eine Verhandlung nicht in jedem Fall geboten ist, und zwar insbesondere dann nicht, wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann (vgl. zu all dem die ausführliche Darstellung in VwGH 21.12.2016, Ra 2016/04/0117, mit Verweis auf VwGH 11.3.2016, Ra 2016/11/0025, und auf das Urteil des EGMR vom 18. Juli 2013, Nr. 56422/09, Schädler-Eberle gegen Liechtenstein).

22 Zu der Frage, inwiefern das Verwaltungsgericht fallbezogen die Verpflichtung zur mündlichen Verhandlung unrichtig beurteilt habe und entgegen den Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis nach den oben dargestellten Grundsätzen eine Verletzung der Verhandlungspflicht vorliege, findet sich in den Zulässigkeitsgründen kein Hinweis.

23 5.5. In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 29. Jänner 2018

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