Normen
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RO2016150002.J00
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 553,20 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber betrieb in den Streitjahren ein Bauunternehmen.
2 Mit Straferkenntnissen der Bezirkshauptmannschaft vom 2. September 2009, 18. Februar 2010 und 26. November 2010 wurden über den Revisionswerber mehrere Geldstrafen wegen Vergehen nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz und dem Ausländerbeschäftigungsgesetz verhängt, die vom ihm als Betriebsausgaben geltend gemacht wurden.
3 Im Gefolge einer abgabenbehördlichen Prüfung ließ das Finanzamt die Strafen nicht zum Abzug zu.
4 Der Revisionswerber erhob Berufungen gegen die entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheide der Jahre 2009 bis 2011, in welchen er vor allem vorbrachte, dass die beiden Straferkenntnisse vom 2. September 2009 und vom 26. November 2010 Sachverhalte beträfen, die im Rahmen einer GPLA‑Prüfung aufgegriffen und in weiterer Folge von ihm zum Gegenstand eines Rechtsmittelverfahrens gemacht worden seien. In Berufungen gegen die Vorschreibung von Lohnabgaben (und Sozialversicherungsbeiträgen) vertrete der Revisionswerber zusammenfassend den Standpunkt, dass nicht er, sondern Jenö H Arbeitgeber der ungarischen Mitarbeiter gewesen sei. Der Revisionswerber habe Jenö H vertraut und habe gemeint, dass die Mitarbeiter ordnungsgemäß zur Sozialversicherung angemeldet seien, zumal ihm entsprechende Formulare und auch ein Firmenbuchauszug vorgelegt worden seien. Hinzu komme, dass er von den Straferkenntnissen erst im Zuge der Exekutionsführung Kenntnis erlangt habe. Zum damaligen Zeitpunkt sei sämtlicher Schrift‑ und Zahlungsverkehr von der inzwischen geschiedenen Ehefrau des Revisionswerbers erledigt worden. Der Revisionswerber gehe davon aus, dass seine frühere Ehefrau ihm die betreffenden Mitteilungen der Behörde vorenthalten habe. Den Revisionswerber treffe daher auch kein Verschulden daran, dass die aus seiner Sicht zu Unrecht verhängten Strafen „nicht bekämpft und letztlich ausgabenwirksam“ geworden seien.
5 In einer abweisenden Berufungsvorentscheidung hielt das Finanzamt dem Revisionswerber seine Aussage vor der „Finanzpolizei“ vom 16. November 2012 vor, wonach ihm klar gewesen sei, dass „wir bei den Ungarn Fehler gemacht haben und das nicht mehr passieren darf“.
6 Der Revisionswerber beantragte die Vorlage der Berufungen an die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Die verhängten Strafen stellten Betriebsausgaben dar, weil unabhängig von einer „allfälligen Bestrafung nach § 28 Abs. 1 AuslBG überhaupt keine Verpflichtung zur Anmeldung der betreffenden Personen“ bestanden habe. Zwischen dem Revisionswerber und den betreffenden „ausländischen Mitarbeitern“ habe kein Dienstverhältnis vorgelegen. Dazu verwies der Revisionswerber auf seine Ausführungen im Rechtsmittelverfahren gegen die Vorschreibung von Lohnabgaben. „Sollte dennoch eine Pflicht zur Anmeldung bestanden haben“, liege nur ein geringes Verschulden iSd der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Abziehbarkeit von Strafen vor.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht den (nunmehr als Beschwerden zu behandelnden) Berufungen ‑ abgesehen von einem nicht streitgegenständlichen Betrag, der als Betriebsausgabe berücksichtigt wurde ‑ keine Folge.
8 In der Begründung seiner Entscheidung referierte das Bundesfinanzgericht zunächst Rechtsprechung und Literatur zur Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen Geldstrafen als Betriebsausgaben abziehbar sind. Im vorliegenden Fall seien mit Erkenntnissen der Bezirkshauptmannschaft vom 2. September 2009 und 26. November 2010 Geldstrafen verhängt worden, die durch ein außerbetriebliches Verhalten des Revisionswerbers veranlasst gewesen seien. Der Revisionswerber sei mit den Straferkenntnissen für schuldig befunden worden, Verwaltungsübertretungen u.a. durch die unerlaubte Beschäftigung von namentlich genannten Ausländern begangen zu haben. Die Straferkenntnisse seien in Rechtskraft erwachsen. Dass der Revisionswerber erst im Zuge der Exekutionsführung von den verhängten Strafen erfahren habe, stelle ein Vorbringen dar, dem das Bundesfinanzgericht keinen Glauben schenke. Es widerspreche der Lebenserfahrung, dass vier Straferkenntnisse nach vorangegangener Aufforderung zur Stellungnahme innerhalb eines relativ kurzen Zeitraumes auf die behauptete Art ohne Wissen des Adressaten rechtskräftig geworden seien. Wahrscheinlicher sei, dass der Revisionswerber die Erkenntnisse nicht angefochten habe, weil ihm klar gewesen sei, dass er einen Fehler zu verantworten habe. Ebenso sei denkbar, dass er seinen ungarischen Subunternehmer auf diese Art habe schonen wollen. Vorstellbar sei auch, dass der Revisionswerber behördlichen Schreiben nicht die gebotene Aufmerksamkeit schenke.
9 Dem Revisionswerber sei ‑ wie das Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom 9. September 2015 (betreffend Lohnabgaben) erkannt habe ‑ einzuräumen, dass nicht er, sondern Jenö H Arbeitgeber der ungarischen Mitarbeiter gewesen sei. Das ändere aber nichts daran, dass der Revisionswerber für die illegale Beschäftigung von Ausländern und für das dadurch bedingte Ergehen der Straferkenntnisse entscheidende Mitverantwortung trage. Der Revisionswerber habe ‑ wie folgende Umstände zeigten ‑ die illegale Beschäftigung von Ausländern mit zu verantworten:
- Der Revisionswerber habe sich bei Wirtschaftskammer und Sozialversicherung erkundigt, unter welchen Voraussetzungen er Leistungen von ausländischen Unternehmen beziehen könne. Obwohl der Revisionswerber daher gewusst habe, was richtigerweise zu tun wäre, habe er im Zusammenwirken mit Jenö H einen anderen, nicht legalen Weg beschritten.
- Die mit Jenö H vereinbarten Quadratmeter‑Preise seien so niedrig gewesen, dass ihm habe klar sein müssen und auch klar gewesen sei, dass Leistungen zu diesem Preis nur unter dem „Deckmantel der Illegalität“ erbracht werden könnten.
- Auf Grund der Abrechnungen mit seinem Subunternehmer habe der Revisionswerber vom Umfang und der Intensität der illegalen Beschäftigung von ungarischen Mitarbeitern Kenntnis gehabt.
- Der Revisionswerber habe die illegale Beschäftigung mit seinem Rat gefördert, indem er Jenö H empfohlen habe, seine Firma pro forma in L anzumelden.
- Indem der Revisionswerber für die Unterbringung der ungarischen Mitarbeiter gesorgt und teilweise für deren Mietaufwand in Vorlage getreten sei, habe er die illegale Beschäftigung der Arbeitnehmer unterstützt.
- Der Revisionswerber habe weiters mit seinem ungarischen Subunternehmer bar abgerechnet, was nach dem Gesamtbild der Verhältnisse ein starkes Indiz für seinen Beitrag zur illegalen Beschäftigung von Ausländern gewesen sei.
- Der Revisionswerber habe gewusst, auf welche Art der Nachweis erbracht werden könne, dass ausländische Arbeitnehmer ordnungsgemäß zur Sozialversicherung angemeldet seien. Ungeachtet dessen habe er sich mit einem Formular begnügt, auf dem die bloße Einreichung beim Amt bescheinigt werde. Auch wäre es für den Revisionswerber ein Leichtes gewesen zu erkennen, dass es sich bei den vorliegenden Formularen um ungültige Bestätigungen gehandelt habe. Das Bundesfinanzgericht sei daher der Überzeugung, dass der Revisionswerber die Dienstverhältnisse wider besseres Wissen als legal ausgegeben habe.
Der Revisionswerber habe durch sein Verhalten die illegale Beschäftigung von Ausländern (mit) zu verantworten. Dadurch habe er sich am Markt einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Die Strafzahlungen wirkten sich diesbezüglich kompensierend aus. Abgesehen davon, dass es gegen den Strafzweck verstieße, die Belastung in Form einer Abgabenreduzierung auf die Allgemeinheit zu überwälzen, würde es auch die beschriebene kompensatorische Wirkung reduzieren und damit vom Gesetzgeber unerwünschte Wettbewerbsverzerrungen begünstigen.
10 Zum gleichen Ergebnis komme man, unterzöge man das Verhalten des Revisionswerbers einer primär strafrechtlichen Prüfung. Unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des BFG vom 9. September 2015 (zu den Lohnabgaben) wären die Straferkenntnisse auf Grund der fehlenden Arbeitgebereigenschaft als rechtlich verfehlt zu beurteilen. Dies würde zur Folge haben, dass der Revisionswerber zu verantworten habe, die Straferkenntnisse nicht angefochten zu haben. Auch für dieses Verhalten fehle eine betriebliche Veranlassung.
11 Eine Revision gegen seine Entscheidung erklärte das Bundesfinanzgericht für zulässig, weil das gegenständliche Erkenntnis auf der Rechtsmeinung basiere, dass „eine rechtskräftig verhängte, allerdings allenfalls rechtlich verfehlte Verwaltungsstrafe wegen der illegalen Beschäftigung von Ausländern überwiegend außerbetrieblich veranlasst und deshalb ertragsteuerlich nicht abzugsfähig ist, wenn der Abgabepflichtige durch sein Zusammenwirken mit dem tatsächlich Verantwortlichen Mitverantwortung für das vom Gesetzgeber verpönte Geschehen trägt“. Zu dieser Rechtsfrage fehle höchstgerichtliche Judikatur, weshalb ihr grundsätzliche Bedeutung beigemessen werde.
12 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, in der zu ihrer Zulässigkeit ergänzend vorgebracht wird, es fehle auch an höchstgerichtlicher Judikatur zur Frage, ob bei der Prüfung des mangelnden oder geringen Verschuldens und damit zur Zurechnung des Fehlverhaltens zum betrieblichen Bereich ein rein strafrechtlicher Maßstab anzusetzen sei, ober ob auch andere Verhaltensweisen zu berücksichtigen seien. Auch fehle Rechtsprechung zur Frage, ob es zur Geltendmachung von Strafen als Betriebsausgaben erforderlich sei, offen stehende Rechtsmittel zu ergreifen.
13 Das Finanzamt erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der es beantragte, die Revision kostenpflichtig abzuweisen.
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
15 Der Verwaltungsgerichtshof hat schon zur Rechtslage vor dem mit dem AbgÄG 2011 ausdrücklich gesetzlich verankerten Abzugsverbot Geldstrafen im Allgemeinen als nicht abziehbare Aufwendungen der Lebensführung beurteilt (vgl. VwGH 29.3.2012, 2009/15/0035). Bei Geldstrafen, deren Verhängung durch das eigene Verhalten des Steuerpflichtigen ausgelöst wird, ist davon auszugehen, dass die Zuwiderhandlungen, die zur Bestrafung führen, nicht in den Rahmen einer normalen Betriebsführung fallen und demnach nicht im Betrieb als solchem, sondern im schuldhaften Verhalten des Steuerpflichtigen ihre auslösende Ursache haben. Derartige dem Betriebsinhaber auferlegte Strafen sind in der Regel nicht abzugsfähig, weil es mit dem Strafzweck unvereinbar wäre, im Wege der steuerlichen Entlastung den Pönalcharakter der Strafe zumindest teilweise unwirksam zu machen (vgl. mit weiteren Nachweisen zuletzt VwGH 28.2.2018, Ro 2016/15/0043, zu EU‑Kartellstrafen).
16 Ausnahmen vom grundsätzlichen ‑ aus der Auslegung des Betriebsausgabenbegriffes folgenden ‑ Abzugsverbot hat der Verwaltungsgerichtshof für die Rechtslage vor der mit 2. August 2011 in Kraft getretenen Neufassung des § 20 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 bei Vorliegen eines engen Zusammenhanges mit der Einkunftserzielung anerkannt, wenn die Geldstrafen vom Nachweis eines Verschuldens unabhängig oder auf ein nur geringes Verschulden zurückzuführen sind (vgl. VwGH 3.7.1990, 90/14/0069; 24.11.2011, 2008/15/0235, und 29.3.2012, 2009/15/0035).
17 Im gegenständlichen Fall behauptete der Revisionswerber schon im Verwaltungsverfahren und im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht, dass er die Verwaltungsübertretungen, derentwegen er bestraft worden sei, gar nicht begangen habe. Mit einem derartigen Vorbringen kann die Betriebsausgabeneigenschaft einer Geldstrafe nicht begründet werden. Liegt eine rechtskräftige Entscheidung der zuständigen Behörde bzw. des zuständigen Gerichts vor, sind auch andere Behörden, etwa die Abgabenbehörde, aber auch das Bundesfinanzgericht daran gebunden. Die Bindungswirkung ist Ausfluss der Rechtskraft der betreffenden Entscheidung. Eine solche Bindung besteht unabhängig von der Rechtmäßigkeit der Entscheidung (vgl. Ritz, BAO6, § 116 Tz 5; Schulev ‑ Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht6, 164).
18 Den gerügten Verfahrensmängeln, die sich auf die „nachprüfende Kontrolle“ der Straferkenntnisse durch das Bundesfinanzgericht und dessen eigenständige strafrechtliche Beurteilung beziehen, fehlt es nach dem Gesagten an Entscheidungsrelevanz.
19 Dem Bundesfinanzgericht oblag es lediglich, die steuerliche Abziehbarkeit der rechtskräftig verhängten Geldstrafen zu beurteilen. Dass der Betriebsausgabenabzug im Revisionsfall zu Unrecht versagt worden wäre, ist nicht zu erkennen. Die Revision zeigt nicht auf, dass einer jener Ausnahmefälle vorliegt, in denen der Verwaltungsgerichtshof zur Rechtslage vor § 20 Abs. 1 Z 5 idF AbgÄG 2011 auch Strafen als abziehbaren Betriebsaufwand beurteilt hat (vgl. beispielsweise VwGH 3.7.1990, 90/14/0069, zu Parkvergehen im Zusammenhang mit einer betrieblichen Ladetätigkeit).
20 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
21 Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 19. April 2018
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