Normen
B-VG Art133 Abs4;
FrG 1997 §47 Abs2;
FrG 1997 §49 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
MRK Art8;
VwGG §34 Abs1;
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 5. April 2017 wurde der Beschwerde des Mitbeteiligten, eines türkischen Staatsangehörigen, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, mit dem der Antrag des Mitbeteiligten auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 NAG abgewiesen worden war, Folge gegeben und dem Mitbeteiligten der begehrte Aufenthaltstitel für die Dauer von zwölf Monaten erteilt. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
2 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Landeshauptmannes von Wien.
3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 In den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG bei einer außerordentlichen Revision gesondert vorzubringenden Gründen ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte (vgl. den hg. Beschluss 19. Dezember 2016, Ra 2016/02/0249, mwN).
7 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision im Wesentlichen vor, das Verwaltungsgericht habe den von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK gezogenen Rahmen überschritten und hätte den vom Mitbeteiligten beteuerten Gesinnungswandel näher hinterfragen müssen.
8 Unabhängig davon, dass das Verwaltungsgericht die fallbezogen nach § 47 Abs. 2 iVm § 49 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 zu beurteilende Gefährdung mit nachvollziehbarer Begründung verneint hat, ist im Verfahren zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 47 Abs. 2 leg. cit. insoweit auf Art. 8 EMRK Bedacht zu nehmen, als die Niederlassungsbewilligung nur dann versagt werden darf, wenn die bei einem (weiteren) inländischen Aufenthalt des Fremden (auf Grund des beantragten Titels) gegebene Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK rechtfertigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2003, 2002/18/0248, mwN).
9 Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass die im Rahmen der Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze erfolgte - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist (vgl. den hg. Beschluss vom 19. April 2016, Ra 2016/22/0003 und 0004, uva.).
10 Vor dem Hintergrund der vom Revisionswerber unbestritten gebliebenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes - insbesondere, dass der Mitbeteiligte seit dem Jahr 2008 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet ist, mit ihr drei Kinder, die ebenfalls österreichische Staatsbürger sind, hat, den Deutschkenntnissen des Mitbeteiligten auf dem Niveau A2, der vorgelegten Einstellungszusage, der familiären und sozialen Verfestigung, der beruflichen Tätigkeit des Mitbeteiligten in den Jahren 2008 bis 2010 in Österreich, sowie dass der Mitbeteiligte die Straftat (Totschlag) in der Türkei als achtzehnjähriger im Jahr 2002 begangen hat, seine Strafe nach insgesamt sechs Jahren in Haft verbüßt und in der Zeit außerhalb seiner Haftanhaltung keine weiteren Straftaten begangen hat - kann die vom Verwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erzielte Lösung nicht als unvertretbar angesehen werden.
11 Im Übrigen werden keine Fragen dargelegt, die über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzen oder die es erforderlich machen, aus Gründen der Rechtssicherheit oder Rechtseinheitlichkeit korrigierend einzugreifen (vgl. den hg. Beschluss vom 27. April 2017, Ra 2016/22/0119).
12 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 21. September 2017
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)