Normen
B-VG Art133 Abs4;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs3;
MRK Art3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der am 27. Oktober 1989 geborene Revisionswerber, ein aus Tschetschenien stammender russischer Staatsangehöriger, kam im September 2005 - damals 15-jährig - gemeinsam mit seiner Mutter und weiteren Geschwistern nach Österreich zu seinem hier schon aufhältigen Vater. Diesem war mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 6. Mai 2004 Asyl gewährt worden. Über entsprechenden Antrag wurde auch dem Revisionswerber mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20. Oktober 2005 Asyl gewährt.
2 Im Hinblick auf mehrere strafgerichtliche Verurteilungen wurde dem Revisionswerber mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 28. Oktober 2016 der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 wieder aberkannt. Demzufolge wurde gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt, dass dem Revisionswerber die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. Unter einem wurde ausgesprochen, dass dem Revisionswerber gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt werde. Weiters wurde mit diesem Bescheid gegen den Revisionswerber gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG erlassen. Schließlich stellte das BFA noch gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers in die Russische Föderation zulässig sei. Dieser Bescheid erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.
3 In der Folge erging der Bescheid des BFA vom 29. Mai 2017, mit dem zunächst ausgesprochen wurde, dass dem Revisionswerber Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt werden. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Revisionswerber (neuerlich) eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen und damit gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot verbunden. Weiters wurde auch in diesem Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Revisionswerbers "nach Russland" zulässig sei.
4 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 21. Juni 2017 als unbegründet ab und es sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
7 Unter diesem Gesichtspunkt wird in der Revision vorgebracht, der Vater des Revisionswerbers sei als früherer hochrangiger tschetschenischer "Heerführer", der gegen Russland Krieg geführt habe, nach wie vor in seinem Heimatstaat verfolgt. Werde sein Sohn "nach Russland oder Tschetschenien ausgeliefert", so würde der Geheimdienst sofort informiert und dem Vater ein Ultimatum gestellt werden. Wolle er, dass sein Sohn am Leben bleibe, so müsse er sich stellen, was seinen Tod zur Folge habe. Käme der Vater dem nicht nach, so werde der Revisionswerber als sein Sohn stellvertretend getötet werden. Demzufolge sei der Revisionswerber bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit dem Tod bedroht. Der Verwaltungsgerichtshof habe sich mit der - über den Einzelfall "bei Weitem" hinausgehenden - Rechtsfrage, ob eine Rückkehrentscheidung in dieser Fallkonstellation "durchgesetzt" werden dürfe, noch nicht befasst. Sei die Todesgefahr des "geschützten" Vaters nach wie vor aufrecht, dürfe der Sohn, der seinen Asylstatus ausschließlich vom Vater abgeleitet erhalten habe, nicht abgeschoben und der Gefahr der Tötung ausgesetzt werden. Demzufolge wäre von einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot abzusehen und dem Revisionswerber ein "humanitärer" Aufenthaltstitel zu erteilen gewesen.
8 Mit diesen Ausführungen wird aus mehreren Gründen die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:
9 Zunächst verstößt dieses Vorbringen gegen das sich aus § 41 Abs. 1 VwGG abzuleitende Neuerungsverbot. Der Revisionswerber hat nämlich weder in seiner ihm vom BFA im Rahmen der "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" eingeräumten Stellungnahme vom 26. Mai 2017 noch in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid eine derartige Gefährdung bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat auch nur im Ansatz ins Treffen geführt. Angesichts dessen war - entgegen der Meinung in der Revision - aber auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Ermöglichung eines solchen Vorbringens nicht geboten (vgl. den hg. Beschluss vom 23. Februar 2017, Ra 2017/21/0009, Rz 11).
10 Im Übrigen steht der Beachtlichkeit dieses Vorbringens die Rechtskraft des Bescheides des BFA vom 28. Oktober 2016, mit dem nicht nur ausgesprochen wurde, dass dem Revisionswerber der Status des Asylberechtigten aberkannt, sondern auch, dass ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt werde, entgegen. Dass sich seit damals in Bezug auf das vom Revisionswerber dargestellte Verfolgungsszenario maßgebliche Änderungen ereignet hätten, ist aber weder zu erkennen noch wird das konkret behauptet. Angesichts dessen hätte nunmehr - soweit das Vorbringen unter dem Blickwinkel einer Verletzung von Art. 3 EMRK zu sehen ist - keine vom genannten rechtskräftigen Bescheid abweichende Beurteilung und Entscheidung ergehen können.
11 Das gilt - wie zur Vollständigkeit anzumerken ist - sinngemäß auch für die Rückkehrentscheidung, die bereits mit dem erwähnten Bescheid vom 28. Oktober 2016 rechtskräftig erlassen und nunmehr nur - im Hinblick auf die gemäß § 53 Abs. 1 FPG gebotene Verbindung eines Einreiseverbotes mit einer Rückkehrentscheidung - wiederholt wurde. Auch diesbezüglich sind seither - zugunsten des Revisionswerbers in entscheidender Weise zu berücksichtigende - Änderungen maßgeblicher Umstände nicht ersichtlich. Demzufolge gehen die gegen die Rückkehrentscheidung im Rahmen der weiteren Revisionsbegründung vorgetragenen Einwände ebenfalls ins Leere.
12 Angesichts der gravierenden Straftaten, die zu den beiden letzten rechtskräftigen Verurteilungen des Revisionswerbers geführt haben, bestehen aber auch gegen das erlassene Einreiseverbot keine Bedenken. Dem wegen gefährlicher Drohung schon einmal verurteilten, somit wegen eines Gewaltdeliktes einschlägig rückfälligen Revisionswerber wurden nämlich einerseits die Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs. 1 StGB und der sexuellen Belästigung nach § 218 Abs. 1 Z 1 StGB und andererseits das Vergehen des versuchten räuberischen Diebstahls nach § 15, 127, 131 erster Fall StGB zur Last gelegt, wobei zunächst eine teilbedingte Freiheitsstrafe von zwölf Monaten (davon neun Monate bedingt) und dann eine unbedingte Freiheitsstrafe von zwei Jahren samt Widerruf des bedingt nachgesehenen Strafteils von neun Monaten aus der Vorverurteilung verhängt wurden. Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses verbüßte der Revisionswerber diese Haftstrafe noch. Vor diesem Hintergrund war die in der Revisionsbegründung kritisierte Annahme einer Gefährdung im Sinne des § 53 Abs. 3 FPG jedenfalls vertretbar. Eine vom BVwG getroffene Gefährdungsprognose ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann nicht revisibel, wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde (vgl. etwa aus der letzten Zeit den Beschluss vom 11. Mai 2017, Ra 2017/21/0061, Rz 7, mwN). Die durch das Einreiseverbot bewirkte Beeinträchtigung seiner familiären und privaten Rechte hat der - im Übrigen beruflich überhaupt nicht integrierte - Revisionswerber schließlich im großen öffentlichen Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen der in Rede stehenden Art (Gewalt- und Eigentumsdelikte) hinzunehmen.
13 Die Revision erweist sich somit insgesamt mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG als unzulässig. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 31. August 2017
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