VwGH Ra 2017/21/0052

VwGHRa 2017/21/005229.6.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Halm-Forsthuber, über die Revision des H M in W, vertreten durch Dr. Andreas Doschek, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Reisnerstraße 29/7, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15. Februar 2017, W186 2147024- 1/6E, betreffend Einstellung eines Schubhaftbeschwerdeverfahrens (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs2;
BFA-VG 2014 §22a;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtwidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 Mit Mandatsbescheid vom 2. Februar 2017 verhängte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) über den Revisionswerber gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG Schubhaft. Mit Bescheid vom 9. Februar 2017 hob das BFA diesen Schubhaftbescheid gemäß § 68 Abs. 2 AVG auf, weil "aufgrund neuer Erkenntnisse" eine "Dublinrelevanz" vorliege, sodass Schubhaft "jetzt" gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG anzuordnen sei. Ein dementsprechender (zweiter) Schubhaftbescheid, gestützt auf Art. 28 Abs. 1 und 2 der Dublin-III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG, erging daraufhin noch am selben Tag.

2 Mittlerweile hatte der in Vollziehung des ersten Schubhaftbescheides vom 2. Februar 2017 seither ununterbrochen in Haft befindliche Revisionswerber gegen den genannten Bescheid sowie "gegen die Anordnung der Schubhaft und die fortdauernde Anhaltung ...in Schubhaft seit 02.02.2017" mit Schriftsatz vom 8. Februar 2017 Beschwerde gemäß § 22a BFA-VG erhoben; er beantragte insbesondere die Behebung des Schubhaftbescheides und den Ausspruch, dass die Anordnung von Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig erfolgt seien.

3 Mit dem angefochtenen Beschluss vom 15. Februar 2017 stellte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) das Verfahren über die erhobene Beschwerde gemäß §§ 28 Abs. 1 und 31 Abs. 1 VwGVG ein. Der Schubhaftbescheid vom 2. Februar 2017 - so das BVwG zusammenfassend - sei nach Einbringung der dagegen erhobenen Beschwerde gemäß § 68Abs. 2 AVG aufgehoben worden. Dadurch sei der Revisionswerber hinsichtlich seiner gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde formell klaglos gestellt worden und er sei auf Grund des aufgehobenen Bescheides daher auch nicht mehr beschwert. Vor diesem Hintergrund sei das gegenständliche Beschwerdeverfahren einzustellen.

4 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG dann noch aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

 

5 Über die gegen diesen Beschluss erhobene Revision, zu der keine Revisionsbeantwortungen erstattet wurden, hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Durchführung eines Vorverfahrens erwogen:

6 Das BVwG hat nicht beachtet, dass mit der gegenständlichen Beschwerde nach § 22a BFA-VG - ausdrücklich - auch die Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft seit 2. Februar 2017 bekämpft und beantragt wurde, diese Anhaltung für rechtswidrig zu erklären. Jedenfalls deshalb kann nicht davon die Rede sein, dass der Revisionswerber durch die gemäß § 68 Abs. 2 AVG erfolgte Aufhebung des Schubhaftbescheides vom 2. Februar 2017 hinsichtlich seiner Beschwerde "formell klaglos gestellt" und "auch nicht mehr beschwert" sei. Der Aufhebungsbescheid vermochte nämlich - naturgemäß - weder die bis zu seiner Erlassung vorgenommene Anhaltung zu beseitigen, noch wurde damit in irgendeiner Form zum Ausdruck gebracht - zumal in Anbetracht der Bescheiden nach § 68 Abs. 2 AVG nach hA innewohnenden "ex nunc" - Wirkung (vgl. dazu nur Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 Rz 89) -, dass die seit 2. Februar 2017 erfolgte Anhaltung rechtswidrig gewesen sei. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Anhaltung seit 2. Februar 2017 war daher nach wie vor "offen".

7 Vor diesem Hintergrund erweist sich die vorliegende Revision - gemäß § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof an dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden - als zulässig und berechtigt, weshalb der angefochtene Beschluss gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - aufzuheben war.

8 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 5 VwGG abgesehen werden.

9 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das abgewiesene Mehrbegehren betrifft "ERV-Kosten", für deren gesonderte Geltendmachung die genannten Rechtsvorschriften keine Grundlage bilden (siehe etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2017, Ra 2016/21/0152).

Wien, am 29. Juni 2017

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