VwGH Ra 2017/16/0067

VwGHRa 2017/16/006729.6.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann, über die Revision des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft gegen Spruchpunkt I. zweiter Absatz des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 9. Februar 2017, Zl. LVwG 46.23-2906/2016-17, betreffend Feststellung nach § 10 ALSAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung; mitbeteiligte Parteien: Bund, vertreten durch das Zollamt Graz, sowie Ing. M K in F, vertreten durch Dr. Martin Eisenberger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Hilmgasse 10), zu Recht erkannt:

Normen

ALSAG 1989 §3 Abs1a Z4;
ALSAG 1989 §7 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017160067.L00

 

Spruch:

Der angefochtene Spruchpunkt I., zweiter Absatz, wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Das Zollamt Graz hatte in seinem Antrag vom 20. Juni 2014 die Erlassung eines Feststellungsbescheides nach § 10 Abs. 1 Z 1, 2, 3, 4 und 6 ALSAG betreffend vorgenommener Erdbewegungen auf den Grundstücken Nr. 571, 572/1, 566, 564, 454/1, 454/2 und 455 KG M sowie auf den Grundstücken Nr. 529 und 516 KG G begehrt. Die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung stellte in ihrem Bescheid vom 26. September 2016 auf diesen Antrag hin fest, "dass die auf den Gst. Nr. 454/1 und 564, KG M, sowie auf Gst. Nr. 505, 508 und 529, KG G, im Ausmaß von ca. 52.000 Tonnen eingebauten Aushubmaterialien als Abfälle der Schlüsselnummern 31411 31 der Altlastenbeitragspflicht unterliegen und der Deponieklasse Bodenaushubdeponie zuzuordnen sind". Begründend gab die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung den verfahrenseinleitenden Feststellungsantrag des Zollamtes Graz, das vom beigezogenen abfallwirtschaftlichen Amtssachverständigen erstattete Gutachten vom 13. September 2016 und im Rahmen der rechtlichen Erwägungen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie Bestimmungen des AVG sowie des ALSAG wieder, um damit zu schließen, "aufgrund des ermittelten Sachverhaltes und der dadurch berührten Tatbestände war spruchgemäß zu entscheiden."

2 Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Ing. M K Beschwerde.

3 Mit Erkenntnis vom 9. Februar 2017 gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark der Beschwerde mit der Maßgabe Folge, dass der Feststellungsbescheid hinsichtlich der Grundstücke Nr. 505 und 508 KG G mangels Antrages des Bundes ersatzlos behoben werde. Hinsichtlich der Grundstücke Nr. 454/1 und Nr. 564, KG M, sowie des Grundstückes Nr. 529 KG G änderte das Verwaltungsgericht mit Abs. 2 in Spruchpunkt I seines Erkenntnisses den Feststellungsbescheid dahingehend ab, "dass es sich bei dem vom Beschwerdeführer durchgeführten Geländeveränderungen mit Erdmaterial im Zeitraum Oktober 2013 bis Jänner 2014 auf den Grundstücken Nr. 571, 572/1, 566, 564, 454/1, 454/2 und 455 KG M sowie auf den Grundstücken Nr. 529 und 516 KG G, um keine beitragspflichtige Tätigkeit im Sinn des § 3 gemäß § 10 Z 5 ALSAG handelt".

Weiters sprach das Gericht aus, dass gegen diesen Erkenntnis gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

4 Im Rahmen der Entscheidungsgründe des angefochtenen Erkenntnisses gab das Gericht zunächst den Gang der Verfahren vor der belangten Behörde und vor Gericht wieder, um anschließend von folgenden Erwägungen auszugehen:

Am 30. Jänner 2017 habe eine mündliche Verhandlung vor Ort stattgefunden, bei welcher Vertreter des Bundes, der Beschwerdeführer samt Rechtsvertreter, der abfalltechnische Amtssachverständige und ein namentlich genannter Rechtsanwalt als Zeuge anwesend gewesen seien. Nach Durchführung eines Ortsaugenscheines und eingehender Erörterung der Sach- und Rechtslage habe der beigezogene Amtssachverständige Befund und Gutachten erstattet, das das Gericht in der Folge wörtlich zitiert.

Nach weiterer Zitierung der für das Verfahren maßgeblichen Bestimmungen des ALSAG schließt das Gericht mit folgender "Beweiswürdigung":

"Im vorliegenden Fall wurde vom Beschwerdeführer

Bodenaushubmaterial der Qualitätsklasse A1 zur Errichtung eines

Weges und eines Spring- und Reitplatzes gemäß der baurechtlichen

Bewilligung vom 08.08.2013 ... des Bürgermeisters der Gemeinde F,

auf den Grundstücken Nr. 505, 508 und 529, KG G, sowie auf Grund

der forstrechtlichen Bewilligung der Bezirkshauptmannschaften Graz-

Umgebung vom 12.11.2013 ... für Schüttungen, Erdbewegungen und

Geländeveränderungen auf den Grundstücken Nr. 571, 572/1, 566, 564, 454/1, 454/2 und 455, KG M, sowie auf den Grundstücken Nr. 529 und 516, KG G, verwendet. Ausdrücklich festzuhalten ist, dass für die vorgenommenen Aufschüttungen zum Zeitpunkt der Schüttungsmaßnahmen die hiefür erforderlichen Genehmigungen vorgelegen sind und auf Grund des Gutachtens des beigezogenen Sachverständigen auch in dem hiefür erforderlich Ausmaß erfolgt sind.

Zum Vorbringen der mitbeteiligten Partei, dass gemäß Bundesabfallwirtschaftsplan 2011 eine Einbaudokumentation nicht vorliegen würde, wird ausgeführt, dass zwar auf Grund des Bundesabfallwirtschaftsplan dieser als allgemeines Gutachten anzusehen ist. Gemäß Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist aber im vorliegenden Fall auf Grund der Beweisergebnisse und der Sachverständigenaussagen davon auszugehen, dass eine gesonderte Einbaudokumentation für die vorgelegenen Maßnahmen nicht mehr erforderlich ist, da auf Grund der vorgelegten Unterlagen und der bau- sowie forstrechtlichen Bewilligungen sowie des Beurteilungsnachweises Bauvorhaben Mhof vom 11.10.2013, erstellt von der W & W Gesellschaft für Umweltschutz und chemische Laboratorien GmbH ... alle geforderten Punkte mit einer Ausnahme nachgewiesen sind.

Gemäß Kapitel 7.15.7 des Bundesabfallwirtschaftsplan 2011 sind zur Dokumentation einer Verwertungsmaßnahme nämlich folgende Punkte zu beachten:

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

7 Gemäß Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Die Revision erweist sich aus folgenden Gründen - entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes - als zulässig und als begründet:

10 Der angefochtene Spruchpunkt ist vor dem Hintergrund des Inhaltes des verfahrenseinleitenden Antrages des Zollamtes Graz vom 20. Juni 2014 und des teils davon abweichenden Abspruches der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 26. September 2016 dahingehend zu deuten, dass bezüglich aller vom verfahrenseinleitenden Antrag umfassten Grundstücke für Geländeveränderungen im Zeitraum Oktober 2013 bis Jänner 2014 die mangelnde Beitragspflicht nach § 10 Abs. 1 Z 3 ALSAG aus dem Grunde des § 3 Abs. 1a Z 4 ALSAG festgestellt wurde.

11 Zur Darstellung der maßgebenden Bestimmungen des Altlastensanierungsgesetzes wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das Erkenntnis vom 20. Februar 2014, 2013/07/0117 verwiesen.

12 Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis ausführte, hat die Verwirklichung der in § 3 Abs. 1a Z 4 bis 6 iVm Abs. 1 Z 1 lit. c ALSAG normierten Ausnahmetatbestände (u.a.) zur Voraussetzung, dass alle erforderlichen Bewilligungen (nach dem WRG 1959, dem AWG 2002 oder anderen Materiengesetzen) für die Vornahme der Verfüllung oder der Geländeanpassung im Sinn dieser Bestimmungen in dem für das Entstehen der Beitragsschuld maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt (§ 7 Abs. 1 ALSAG) vorgelegen sind. § 3 Abs. 1a Z 4 bis 6 ALSAG ordnet ausdrücklich an, dass die darin genannten Materialien nur dann von der Beitragspflicht ausgenommen sind, wenn sie "zulässigerweise" für eine Tätigkeit gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 lit. c ALSAG verwendet werden. Daher müssen für die Erfüllung der Voraussetzungen dieser Bestimmung alle erforderlichen Bewilligungen für die Verwendung oder Behandlung des Abfalls vorliegen.

13 Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof jüngst etwa in seinen Erkenntnissen vom 28. Februar 2017, Ra 2016/16/0019 und Ra 2016/16/0022, seiner ständigen Rechtsprechung folgend ausgeführt, allenfalls erforderliche Bewilligungen müssten im Zeitpunkt des zum Entstehen der Altlastenbeitragsschuld führenden Lagerns vorliegen. Das Entstehen in dem in § 7 Abs. 1 ALSAG genannten Zeitpunkt könne durch nachträglich eingeholte Bewilligungen nicht wieder rückgängig gemacht werden.

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat in der Beurteilung des Entstehens der Altlastenbeitragsschuld nach § 7 Abs. 1 ALSAG nie auf die subjektive Einschätzung des Beitragsschuldners abgestellt.

15 Zur Beantwortung der Frage, ob im Revisionsfall die Voraussetzungen nach § 3 Abs. 1a Z 4 ALSAG vorlagen, sind daher Feststellungen notwendig, ob alle erforderlichen Bewilligungen für die Vornahme der Verfüllung oder der Geländeanpassung in dem für das Entstehen der Beitragsschuld maßgebliche Beurteilungszeitpunktes vorgelegen sind. Hiebei erweisen sich die Erwägungen des angefochtenen Erkenntnisses schon insofern nicht als tragfähig, als sich die Tatsachenfeststellungen auf die wörtliche Wiedergabe des Gutachtens des beigezogenen abfalltechnischen Amtssachverständigen beschränken, das allerdings nur ein Beweismittel darstellt, sodass diese Erwägungen die Feststellung des für die Entscheidung relevanten Sachverhaltes nicht ersetzen können (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22. März 2017, Ra 2016/19/0350, mwN).

16 Gleichfalls ist die unter dem Titel "Beweiswürdigung" enthaltene Aussage hinsichtlich einer "forstrechtlichen Bewilligung der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 12.11.2013" nicht nachvollziehbar, ist doch weder den Feststellungen, respektive auch den Ausführungen des wiedergegebenen Sachverständigengutachtens, noch den vorgelegten Verwaltungsakten eine derartige bescheidmäßige Bewilligung zu entnehmen.

17 Schließlich weist die Revision zutreffend darauf hin, dass das Verwaltungsgericht entgegen der ständigen Rechtsprechung in der Beurteilung der Frage des Vorliegens der erforderlichen Bewilligungen für die Vornahme von Verfüllungen oder Geländeanpassungen auch Bewilligungen in die Beurteilung miteinbezog, die erst nach dem für das Entstehen der Beitragsschuld maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt (§ 7 Abs. 1 ALSAG) erteilt wurden.

18 Das angefochtene Erkenntnis ist daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 29. Juni 2017

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