VwGH Ra 2017/11/0255

VwGHRa 2017/11/025511.10.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und den Hofrat Dr. Schick sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des Dr. M V in W, vertreten durch Marschall & Heinz Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1010 Wien, Goldschmiedgasse 8, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 17. Juli 2017, Zl. VGW- 131/V/019/8856/2017-1, betreffend Wiederausfolgung eines Führerscheins (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §57 Abs3;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Mandatsbescheid der belangten Behörde vom 22. März 2017 wurde dem Revisionswerber die Lenkberechtigung unter gleichzeitiger Anordnung begleitender Maßnahmen entzogen. Mit dem vor dem Verwaltungsgericht angefochtenen Bescheid vom 9. Mai 2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Revisionswerbers auf Wiederausfolgung seines Führerscheins ab.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die gegen den Bescheid vom 9. Mai 2017 gerichtete Beschwerde abgewiesen und ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei. Begründend führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, der Revisionswerber habe mit Schriftsatz vom 9. April 2017 fristgerecht Vorstellung gegen den Mandatsbescheid vom 22. März 2017 erhoben. Daraufhin habe die belangte Behörde mit Schreiben vom 19. April 2017 bei der Verwaltungsstrafbehörde Erkundigungen über den Stand des Verwaltungsstrafverfahrens eingeholt, die ergeben hätten, dass ein Straferkenntnis bereits zugestellt, jedoch noch nicht rechtskräftig sei.

Die belangte Behörde habe somit gemäß § 57 Abs. 3 erster Satz AVG binnen zwei Wochen ab Einlangen der Vorstellung das Ermittlungsverfahren (betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und die daran anknüpfenden Maßnahmen) eingeleitet, sodass der Mandatsbescheid nicht außer Kraft getreten und der Antrag auf Wiederausfolgung des Führerscheins abzuweisen gewesen sei.

3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 In der vorliegenden Revision wird zu ihrer Zulässigkeit - nach Zitierung mehrerer Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes zur Revisionszulassung nach der ZPO - zusammengefasst vorgebracht, der Revisionswerber habe "weder eine Aufforderung zur Rechtfertigung noch sonst irgendein Schriftstück erhalten", es sei also "zu keinerlei Ermittlungstätigkeit der Behörde gekommen". Überdies sei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung "rechtsirrtümlich" unterlassen worden.

5 Mit diesem Vorbringen zeigt die Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zunächst schon deshalb nicht auf, weil sie nicht ausführt, von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das angefochtene Erkenntnis abweichen sollte (vgl. zu diesem Erfordernis etwa den hg. Beschluss vom 4. November 2015, Zl. Ra 2015/11/0078, mwN).

6 Im Übrigen steht die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts im Einklang mit der hg. Rechtsprechung, nach der für die Einleitung des Ermittlungsverfahrens iSd § 57 Abs. 3 AVG eine bestimmte Art von Ermittlungen oder eine bestimmte Form nicht vorgeschrieben ist (vgl. die bei Hengstschläger/Leeb, AVG (2005), § 57 Rz 40, referierte hg. Judikatur). Die Einleitung des Ermittlungsverfahrens kann demnach auch durch einen rein innerbehördlichen Vorgang, so auch durch eine Anfrage an eine andere Abteilung derselben Behörde, erfolgen (vgl. den hg. Beschluss vom 11. März 2016, Zl. Ra 2016/11/0025, mwN).

7 Vor diesem rechtlichen Hintergrund wird auch mit dem Hinweis auf das Unterbleiben der - vom Revisionswerber nicht beantragten - Verhandlung keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt. In der Revision wird vorgebracht, dass die Verhandlung zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Revisionswerbers und der Richtigkeit seiner Aussage nötig gewesen wäre.

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens war jedoch nicht die Klärung der Tatfrage (für die allein vorliegend die Glaubwürdigkeit des Revisionswerbers maßgebend sein könnte), sondern nur die Rechtsfrage, ob die Anfrage der belangten Behörde vom 19. April 2017 einen Ermittlungsschritt iSd § 57 Abs. 3 AVG darstellt (vgl. zum Entfall der Verhandlungspflicht, wenn Verfahrensgegenstand nur die Lösung einer Rechtsfrage ist, etwa das Urteil des EGMR vom 18. Juli 2013, Nr. 56422/09, Schädler-Eberle gegen Liechtenstein).

8 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 11. Oktober 2017

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