VwGH Ra 2017/11/0015

VwGHRa 2017/11/001527.4.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision der Dr. M J in M, vertreten durch Dr. Alfred Feitsch, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Hetzgasse 45, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 16. Dezember 2016, Zl. LVwG-AV-670/001-2016, betreffend Krankenunterstützung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Verwaltungsausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich), den Beschluss gefasst:

Normen

ÄrzteG 1998 §106;
AVG §71;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK NÖ §63 Abs4;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Mit Bescheid vom 2. März 2016 wies die belangte Behörde den Antrag der Revisionswerberin vom 27. Jänner 2016 auf Gewährung von Krankenunterstützung gemäß § 63 Abs. 4 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich (Satzung) zurück.

2 Die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wurde von der belangten Behörde mit Beschwerdevorentscheidung vom 18. Mai 2016 abgewiesen.

3 Nach einem Vorlageantrag der Revisionswerberin wurde die Beschwerde vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit dem angefochtenen Erkenntnis abgewiesen. Unter einem wurde gemäß §25a VwGG ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

4 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin sei wegen einer Kieferhöhlenoperation (Zystenentfernung) und einer chronischen Sinusitis von 6. bis 9. Dezember 2015 in stationärer und danach am 15. und am 23. Dezember 2015 in ambulanter Behandlung gewesen. Von 6. bis 27. Dezember 2015 sei sie berufsunfähig gewesen. Postoperativ habe sie an sehr schmerzhaften Infektionen gelitten, weshalb sie sich in Nachbehandlung begeben hätte und am 12. und am 19. Jänner 2016 in einem Krankenhaus in Linz ambulant behandelt worden sei. Erst am 27. Jänner 2016 habe sie ohne Kommentar eine Arztbestätigung und eine Aufenthaltsbestätigung an die Ärztekammer für Niederösterreich geschickt. Sie habe erst, als er ihr besser gegangen sei, daran gedacht, Unterlagen an den Wohlfahrtsfonds zu schicken. Die vierwöchige Einreichfrist sowie deren Überschreitung sei ihr nicht bewusst gewesen.

5 Im Hinblick auf das Ende der Berufsunfähigkeit am 27. Dezember 2015 habe die vierwöchige Antragsfrist gemäß § 63 Abs. 4 der Satzung am 24. Jänner 2016 geendet. Der erst am 27. Jänner 2016 eingebrachte Antrag sei demnach verspätet gewesen. Die Satzung ermögliche allerdings ein Nachsehen der Fristversäumung bei ausreichender Begründung derselben. Es müsse freilich ein Grund für die Versäumung vorliegen, der zumindest ebenso wie eine ernsthafte Erkrankung geeignet sei, an der Antragstellung zu hindern. Dabei könne auf die Bestimmungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach AVG und VwGVG zurückgegriffen werden.

6 Ungeachtet einer Beeinträchtigung der Dispositionsfähigkeit der Revisionswerberin könne diese mit Ausnahme der Zeit in stationärer Behandlung nicht als so stark angesehen werden, dass die Revisionswerberin nicht in der Lage gewesen wäre, den Antrag selbst oder über Vertreter zu stellen, wofür es weder eines besonderen Aufwandes noch besonderer Rechtskenntnisse bedürfe.

7 2.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. die hg. Beschlüsse vom 25. März 2014, Zl. Ra 2014/04/0001 und vom 18. Februar 2015, Zl. Ra 2015/08/0008).

10 2.2. Die Revision erblickt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG darin, dass keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dahin bestehe, dass die Kriterien des § 71 AVG über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf § 63 Abs. 4 der Satzung übertragen werden könnten.

11 2.3.1.1. Gemäß § 63 Abs. 4 der Satzung sind Anträge auf Krankenunterstützung spätestens binnen vier Wochen nach Ende der Berufsunfähigkeit infolge Erkrankung oder Unfall einzubringen, andernfalls sie als verspätet eingebracht zurückzuweisen sind. Bei ausreichender Begründung der Fristversäumnis kann das Versäumen der Antragsfrist nachgesehen werden.

12 2.3.1.2. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes und der Revision ist zunächst festzuhalten, dass es sich bei der in § 63 Abs. 4 der Satzung umschriebenen Frist um eine materiellrechtliche Frist handelt (vgl. zur Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Tirol das hg. Erkenntnis vom 27. September 2007, Zl. 2003/11/0063), was der Satzungsgeber ausreichend mit der gebotenen Zurückweisung im Falle der Fristversäumung und dem damit verbundenen Untergang des Anspruchs auf Krankenunterstützung zum Ausdruck bringt. Dass die Satzung für Ausnahmefälle, nämlich bei ausreichender Begründung der Fristversäumung, eine Nachsicht ermöglicht und damit im Ergebnis eine Rechtswohltat schafft, die einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Antragsfrist gleichkommt, beruht auf einer autonomen Entscheidung des Satzungsgebers und vermag am Vorliegen einer materiellrechtlichen Frist nichts zu ändern.

13 2.3.1.3. Angesichts des grundsätzlichen Gebots der Zurückweisung eines verspäteten Antrags auf Krankenunterstützung besteht kein Zweifel daran, dass eine ausnahmsweise Nachsicht gemäß § 63 Abs. 4 der Satzung nur in Betracht kommt, wenn entsprechend gewichtige Gründe dafür bestehen, dass der Antragsteller trotz zumutbarer Sorgfalt bei der Führung seiner Angelegenheiten an der Einhaltung der Antragsfrist gehindert war. Insoweit ist es nicht zu beanstanden, wenn das Verwaltungsgericht auf die - mangels Vorliegen einer verfahrensrechtlichen Frist nicht unmittelbar anzuwendenden - Kriterien für die Bewilligung einer Wiedereinsetzung zurückgegriffen hat.

14 2.3.2. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass der Revisionswerberin die Antragsfrist "nicht bewusst" gewesen sei. Dass ihr die Antragsfrist bekannt gewesen sei, hat die Revisionswerberin im gesamten Verfahren nicht vorgebracht. Auch die von der belangten Behörde als Antragstellung gewertete bloße Übermittlung von Unterlagen über die Berufsunfähigkeit an die Ärztekammer lässt dies nicht erkennen.

15 Vor diesem Hintergrund kann nicht erkannt werden, dass die dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde liegende Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Revisionswerberin falle mehr als nur ein minderer Grad des Versehens zur Last, der im Ergebnis das Vorliegen einer ausreichenden Begründung für die Versäumung der Antragsfrist ausschließe, eine Rechtsfrage aufwirft, der über den Einzelfall hinaus im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

16 2.3.3. Der erkennende Senat hat aus diesen Erwägungen beschlossen, die Revision zurückzuweisen.

Wien, am 27. April 2017

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