VwGH Ro 2017/08/0012

VwGHRo 2017/08/00127.11.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, über die Revision des Dr. P F in W, vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gauermanngasse 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Mai 2017, Zl. W228 2107195-1/7E, betreffend ersatzlose Behebung eines Bescheides in einer Angelegenheit des ASVG (belangte Behörden vor dem Verwaltungsgericht: Landesschiedskommission für Wien und Paritätische Schiedskommission; mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse in 1100 Wien, Wienerbergstraße 15-19), den Beschluss gefasst:

Normen

ASVG §347b Abs1;
ASVG §347b Abs2;
B-VG Art131 Abs1;
B-VG Art131 Abs2;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §25a Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §10;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Schreiben vom 3. März 2014 kündigte die mitbeteiligte Wiener Gebietskrankenkasse (im Folgenden: GKK) gemäß § 343 Abs. 4 ASVG den mit dem Revisionswerber, einem Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe, abgeschlossenen Einzelvertrag per 30. Juni 2014. Dagegen erhob der Revisionswerber fristgerecht Einspruch an die Landesschiedskommission für Wien (im Folgenden: LSK).

2 Der Revisionswerber stellte am 22. April 2014 außerdem gemäß § 344 ASVG den Antrag an die paritätische Schiedskommission, sie möge 1. aussprechen, dass die GKK schuldig sei, ihm den Betrag von EUR 481,92 zuzüglich Zinsen wegen unberechtigten Abzugs dieses Betrages binnen 14 Tagen zu bezahlen; 2. feststellen, dass er berechtigt sei, bei kurzen diagnostischen und therapeutischen Gesprächen die Fallpauschale zu verrechnen, auch wenn die Patientinnen zusätzlich private Leistungen in Anspruch nähmen;

3. feststellen, dass die Vorgangsweise der GKK, strittige Beträge von der Honorarrechnung eigenmächtig einzubehalten, gegen die Verpflichtung nach § 47 Abs. 1 des Gesamtvertrages verstoße und die GKK verpflichtet sei, eine derartige Vorgehensweise in Zukunft zu unterlassen.

3 In Erledigung des Einspruchs gegen die Kündigung und der genannten Anträge wurde ein mit 20. März 2015 datierter Bescheid erlassen. Der Kopf lautete: "Die Landesschiedskommission für Wien und die Paritätische Schiedskommission für Wien haben durch ihren Vorsitzenden Dr. S. HRdOGHiR. sowie den Beisitzern Mag. D., Dr. G., Mag. S., Mag. M., Prim. Prof. DDr. M. und Dr. H. in den Schiedssachen des Antragstellers Dr. F. (Revisionswerber), vertreten durch (...), wider die Antragsgegnerin Wiener Gebietskrankenkasse (...) wegen Einwendungen gegen die Honorarrechnung und Kündigung nach öffentlicher Sitzung wie folgt erkannt:". Mit den Spruchpunkten 1. bis 4. wurde der Antrag auf Überweisung von EUR 481,92 zuzüglich Zinsen abgewiesen, der Antrag auf Feststellung der Berechtigung, unter den vom Antragsteller genannten Umständen Fallpauschalen zu verrechnen, zurückgewiesen, der Antrag auf Feststellung der Unterlassung von eigenmächtigen Honorarabzügen abgewiesen und die Kündigung des Einzelvertrages vom 3. März 2014 aufgehoben. Der Bescheid war gefertigt mit "Paritätische Schiedskommission und Landesschiedskommission für Wien, Der Vorsitzende Dr. K.S. e.h.".

4 Gegen diesen Bescheid erhob die GKK Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

5 Dieses gab mit dem angefochtenen Erkenntnis der Beschwerde statt und behob den Bescheid vom 20. März 2015 ersatzlos. Begründend führte es im Wesentlichen aus, dass durch die gemeinsame "zuständigkeitsübergreifende" Entscheidung der LSK und der paritätischen Schiedskommission in einem einheitlichen Bescheid das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt worden sei. Das resultiere auch daraus, dass nicht stimmberechtigte Mitglieder gar nicht an den Verhandlungen teilnehmen dürften; schon deswegen sei es unzulässig, zwei Verfahren über getrennte Behördenzuständigkeiten hinweg zu verbinden. Der Bescheid sei daher wegen Unzuständigkeit ersatzlos zu beheben.

6 Das Bundesverwaltungsgericht erklärte, dass bei der Senatszusammensetzung § 347b Abs. 2 ASVG (der bestimmte Laienrichter ausschließt) zu berücksichtigen gewesen sei, weil es sich um die (gegenüber dem für Beschwerden gegen Bescheide der paritätischen Schiedskommission, der LSK und der Bundesschiedskommission generell geltenden § 347b Abs. 1 ASVG) speziellere Norm handle.

7 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei, weil es keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes über die Zusammensetzung des Senates einer Rechtsmittelinstanz gebe, wenn über den gemeinsamen Bescheid einer unzuständigen Behörde abzusprechen sei und sich die Zusammensetzung des Senates je nach belangter Behörde unterscheide.

8 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

10 Auch in der ordentlichen Revision hat der Revisionswerber von sich aus die unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung maßgeblichen Gründe der Zulässigkeit der Revision darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet.

11 Was zunächst die in der Zulässigkeitsbegründung durch das Bundesverwaltungsgericht genannte Rechtsfrage, auf die auch die Revision zurückkommt, betrifft, so wird nicht dargelegt, dass die Revision von der Lösung dieser Rechtsfrage abhängt (vgl. zu diesem Erfordernis etwa VwGH 17.2.2015, Ro 2015/09/0001). Es wird nämlich nicht erklärt - und ist im Übrigen auch aus den vorgelegten Akten nicht ersichtlich -, dass sich die Senatszusammensetzung durch die Anwendung des § 347b Abs. 2 ASVG tatsächlich geändert hat.

12 Die Revision macht unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung außerdem geltend, dass die Erledigung vom 20. März 2015 gar kein Bescheid sei, weil eine Behörde "Paritätische Schiedskommission und Landesschiedskommission für Wien" nicht existiere. Es fehle somit für die Qualifikation als Bescheid am Tätigwerden einer Behörde im Rahmen ihrer abstrakten Kompetenz in Ausübung von Hoheitsgewalt.

Dies trifft jedoch nicht zu: Dem Bundesverwaltungsgericht kann nicht entgegen getreten werden, wenn es die Erledigung vom 20. März 2015 letztlich so gedeutet hat, dass sie von zwei verschiedenen Behörden in jeweils unrichtiger Zusammensetzung - und nicht von einer "Nicht-Behörde" - stammte. Schon aus diesem Grund ist auch dem weiteren Einwand der Revision der Boden entzogen, dass nicht geklärt sei, ob für Beschwerden gegen die Entscheidung durch eine "Nicht-Behörde" gemäß Art. 131 Abs. 1 und 2 B-VG das Bundesverwaltungsgericht oder ein Landesverwaltungsgericht zuständig wäre.

13 Soweit die Revision schließlich - ebenfalls zur Begründung ihrer Zulässigkeit gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG - rügt, dass das Bundesverwaltungsgericht dem Revisionswerber entgegen § 10 VwGVG keine Möglichkeit zur Äußerung eingeräumt habe, unterlässt sie es, die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels darzulegen (vgl. zu diesem Erfordernis etwa VwGH 9.10.2014, Ra 2014/18/0036-0039).

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 7. November 2017

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