Normen
32005L0036 Anerkennungs-RL Berufsqualifikationen Art11 lite;
EURallg;
ZivTG 1993 §36;
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Sachverhalt gleicht in den entscheidungswesentlichen Punkten jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 29. Juni 2017, Ro 2017/06/0002, zugrunde lag.
2 Der Revisionswerber absolvierte zunächst eine Höhere Technische Lehranstalt (HTL) in Österreich und anschließend den berufsbegleitenden Studiengang Bauingenieurwesen an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig (HTWK). Im Rahmen dieses Studiums wurden ihm der HTL-Abschluss und Berufspraxiszeiten bei einem Baumeister im Ausmaß von insgesamt 120 ECTS-Punkten angerechnet, weitere 120 ECTS-Punkte erwarb der Revisionswerber an der HTWK, sodass ihm der akademische Grad "Diplom-Ingenieur (FH)" verliehen wurde. Unter Hinweis auf das an der HTWK abgeschlossene Studium beantragte der Revisionswerber die Zulassung zur Ziviltechnikerprüfung gemäß § 9 Abs. 2 Ziviltechnikergesetz (ZTG).
3 Der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) wies mit Bescheid vom 10. Februar 2016 den Antrag des Revisionswerbers ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Voraussetzungen für die Zulassung zur Ziviltechnikerprüfung nach dem ZTG nicht erfüllt seien, weil der Studienabschluss des Revisionswerbers einem Studienabschluss im Sinn des § 3 ZTG nicht gleichwertig sei.
4 Die gegen diesen Bescheid vom Revisionswerber erhobene Beschwerde vom 7. März 2016 wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis (vom 28. Februar 2017) als unbegründet ab. Begründend wurde - soweit dies für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof relevant ist - zusammengefasst ausgeführt, der Revisionswerber erfülle zwar die notwendige Anforderung des § 6 Abs. 1 Z 2 ZTG durch den Nachweis von Berufspraxiszeiten, das vom ihm absolvierte Studium sei jedoch weder ein Nachweis eines Studiums im Sinn des § 3 Z 4 ZTG noch eines diesem qualitativ gleichwertigen. Das LVwG stellte die allgemeinen ingenieurwissenschaftlichen, die grundlegend fachbezogenen und die vertiefend fachbezogenen Lernergebnisse und Qualifikationen des verfahrensgegenständlichen berufsbegleitenden Studienganges an der HTWK jenen gegenüber, die in einem Bachelorstudiengang Bauingenieurwesen sowie darauf aufbauend in einem Masterstudiengang Bauingenieurwesen den Studierenden an der HTWK vermittelt werden. Dabei kam es zu dem Ergebnis, dass sich die Lernergebnisse des berufsbegleitenden Studienganges kaum von jenen des Bachelorstudienganges, jedoch deutlich von jenen des Masterstudienganges unterschieden. Der vom Revisionswerber absolvierte Studiengang berechtige nicht unmittelbar zu einem Doktoratsstudium, Absolventen eines Masterstudienganges an der HTWK würden jedoch unmittelbar zu einem solchen zugelassen. Die taxative Aufzählung in § 3 ZTG führe Bachelor-Studiengänge nicht an. Eine ordentliche Revision wurde zugelassen, weil noch keine hg. Rechtsprechung zu der Frage vorliege, ob der berufsbegleitende Studiengang Bauingenieurwesen an der HTWK Leipzig einem Fachhochschul-Masterstudium bzw. einem Fachhochschul-Diplomstudium iSd Fachhochschulstudiengesetzes gemäß § 3 Z 4 ZTG gleichwertig sei bzw. ob es sich beim gegenständlichen Diplom um einen Nachweis im Sinn des Art. 11 lit. e der Richtlinie 2005/36/EG gemäß § 36 ZTG handle.
5 In der dagegen erhobenen ordentlichen Revision wurde beantragt, der Revision stattzugeben und das angefochtene Erkenntnis dahingehen abzuändern, dass der Revisionswerber zur Ziviltechnikerprüfung zugelassen werde, in eventu wurde beantragt, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
6 Der BMWFW erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7 In ihrer Zulässigkeitsbegründung bringt die Revision unter anderem vor, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil das LVwG die Gleichwertigkeit des Studiums im Hinblick auf ein Diplomstudium einer österreichischen Fachhochschule oder Universität hätte prüfen müssen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 19. März 1998, 97/06/0074).
8 Die Revision ist zulässig und auch berechtigt. 9 Zur Begründung wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das
hg. Erkenntniss vom 29. Juni 2017, Ro 2017/06/0002 (insbesondere Rzen 21 und 22), verwiesen.
Im gegenständlichen Verfahren erkannte das LVwG zwar, dass im Rahmen einer Gleichwertigkeitsprüfung ein Vergleich der verschiedenen Studiengänge anzustellen ist. Es verkannte jedoch - wie die Revision zutreffend aufzeigt -, dass fallbezogen die Gleichwertigkeit des berufsbegleitenden Studiums an der HTWK anhand der für die in Betracht kommende Studienrichtung geltenden Studienvorschriften, nämlich den Studiengesetzen, Studienordnungen und den Studienplänen mit jenen einer vergleichbaren Ausbildung an einer österreichischen Fachhochschule zu prüfen gewesen wäre, wobei nur jene Fächer miteinbezogen werden könnten, deren erfolgreiche Absolvierung durch entsprechende Nachweise belegt werden könne, und die in der beruflichen Praxis erworbenen Qualifikationen - ausgenommen hinsichtlich der Anrechenbarkeit auf das Praxissemester - grundsätzlich außer Betracht zu bleiben hätten.
10 Aus den im hg. Erkenntnis Ro 2017/06/0002 angeführten Gründen war daher auch das angefochtene Erkenntnis - ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen war - gemäß § 42 Abs. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
11 Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass der 3. Abschnitt des ZTG betreffend die Anerkennung ausländischer Befähigungsnachweise, wozu auch § 36 leg. cit. zu rechnen ist, Sachverhalte regelt, in denen unter anderem Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der EU, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU niedergelassen sind und dort den Beruf eines freiberuflichen Ingenieurkonsulenten befugt ausüben, berechtigt sind, unter bestimmten Voraussetzungen vorübergehend und gelegentlich Dienstleistungen in Österreich zu erbringen. Ein solcher Sachverhalt liegt fallbezogen jedoch nicht vor. Der Revisionswerber ist österreichischer Staatsbürger, lebt im Bundesgebiet und beantragte hier die Zulassung zur Ziviltechnikerprüfung. Dass er in einem anderen Mitgliedstaat der EU niedergelassen sei, dort den Beruf eines freiberuflichen Ingenieurkonsulenten befugt ausübe sowie vorübergehend und gelegentlich Dienstleistungen in Österreich erbringe wolle, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Daher ist der Verweis in § 36 Abs. 1 ZTG auf Art. 11 lit. e der Richtlinie 2005/36/EG betreffend den Nachweis einer fachlichen Befähigung fallbezogen nicht entscheidungsrelevant.
12 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013.
Wien, am 7. September 2017
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