VwGH Ra 2017/02/0086

VwGHRa 2017/02/008627.7.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision des W in S, vertreten durch Heinzle - Nagel Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 7. März 2017, Zl. 405-4/834/1/8-2017, betreffend Übertretung der StVO (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Landespolizeidirektion Salzburg), zu Recht erkannt:

Normen

StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017020086.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe sich nach Aufforderung eines besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organes der Straßenaufsicht geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, wobei vermutet habe werden können, dass er ein näher angeführtes Kraftfahrzeug in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand in Betrieb genommen habe.

2 Über den Beschwerdeführer wurde wegen Verletzung des § 99 Abs. 1 lit. b iVm. § 5 Abs. 2 StVO eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.600,-- (14 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

3 In der Begründung hat das Verwaltungsgericht festgestellt, der Revisionswerber habe Alkoholisierungsmerkmale aufgewiesen. Durch Zeugenbefragung hätten die Beamten in Erfahrung gebracht, der Revisionswerber sei vor ihrem Eintreffen bei laufendem Motor im Fahrzeug gesessen.

4 Durch den Verdacht, der Alkoholisierungssymptome aufweisende Revisionswerber habe zuvor das Fahrzeug in Betrieb genommen, sei die Aufforderung zum Alkomattest rechtmäßig gewesen.

5 Dagegen richtet sich die Revision erkennbar wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

6 Die belangte Behörde hat eine Revisionsbeantwortung erstattet und die kostenpflichtige Ab- bzw. Zurückweisung der Revision beantragt.

 

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Nach § 5 Abs. 2 erster Satz StVO sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und - soweit es sich nicht um Organe der Bundespolizei handelt - von der Behörde hierzu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen.

9 Sie sind gemäß § 5 Abs. 2 zweiter Satz Z 1 StVO außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, auf Alkoholgehalt zu untersuchen.

10 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung zu § 5 Abs. 2 zweiter Satz StVO, dass der bloße Verdacht, der Aufgeforderte habe ein Fahrzeug in alkoholisiertem Zustand gelenkt, ausreicht. Der Verdacht muss sich demnach einerseits auf die Alkoholisierung und andererseits auf das Lenken eines Fahrzeuges in alkoholisiertem Zustand beziehen (vgl. VwGH vom 29. Juni 2012, 2012/02/0067, mwN).

11 Hinsichtlich der Übertretung des § 5 Abs. 2 StVO kommt es insbesondere darauf an, dass die einschreitenden Beamten im Zeitpunkt der von ihnen durchgeführten Amtshandlung auf Grund der näheren Tatumstände den begründeten Verdacht hatten, dass der Beschuldigte in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt habe (vgl. VwGH vom 14. Dezember 2012, 2011/02/0046, mwN).

12 Unter dem "Inbetriebnehmen" eines Fahrzeuges ist nach der Rechtsprechung eine Tätigkeit zu verstehen, die der Lenkung desselben vorausgeht. Dazu gehören Handlungen, die notwendig sind, um durch Einwirkung der motorischen Kräfte das Fahrzeug zur Fortbewegung zu verwenden, vor allem die Ingangsetzung des Verbrennungsmotors (vgl. VwGH vom 26. Jänner 2001, 96/02/0232, mwN).

13 Weder der dem Wortlaut nach klare Gesetzestext noch die Rechtsprechung zu § 5 Abs. 2 zweiter Satz Z 1 StVO erlaubt eine Untersuchung auf Alkoholgehalt, wenn sich bei vermuteter Alkoholisierung der Verdacht lediglich auf die Inbetriebnahme eines Fahrzeuges bezogen hat. Die rechtmäßige Aufforderung zur Untersuchung auf Alkoholgehalt nach dieser Bestimmung setzt den Verdacht des Lenkens voraus.

14 Nur auf Letzteres beziehen sich die vom Verwaltungsgericht und von der belangten Behörde in der Revisionsbeantwortung zahlreich zitierten Erkenntnisse, weshalb daraus für den Standpunkt des Verwaltungsgerichtes nichts gewonnen werden kann.

15 Nachdem der Verdacht auf die Inbetriebnahme eines Fahrzeuges bei vermuteter Alkoholisierung nicht berechtigt, gemäß § 5 Abs. 2 zweiter Satz Z 1 StVO die Atemluft von Personen auf Alkoholgehalt zu untersuchen, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

16 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2013, BGBl II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 27. Juli 2017

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