VwGH Ra 2017/02/0020

VwGHRa 2017/02/00206.3.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Dr. Lehofer und Dr. N. Bachler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision des AF in P, vertreten durch Dr. Erik Kroker, Dr. Simon Tonini, Dr. Fabian Höss und Mag. Harald Lajlar, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Sillgasse 12/IV, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 21. November 2016, Zl. LVwG-2015/24/2635-4, betreffend Übertretungen kraftfahrrechtlicher Vorschriften (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Kufstein), den Beschluss gefasst:

Normen

32006R0561 Harmonisierung best Sozialvorschriften Strassenverkehr Art4 litj;
32006R0561 Harmonisierung best Sozialvorschriften Strassenverkehr Art7;
B-VG Art133 Abs4;
EURallg;
KFG 1967 §134 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
32006R0561 Harmonisierung best Sozialvorschriften Strassenverkehr Art4 litj;
32006R0561 Harmonisierung best Sozialvorschriften Strassenverkehr Art7;
B-VG Art133 Abs4;
EURallg;
KFG 1967 §134 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 2. September 2015 wurden dem Revisionswerber als Fahrer eines näher bezeichneten Kraftfahrzeuges, welches zur Güterbeförderung im Straßenverkehr eingesetzt sei und dessen zulässige Höchstmasse einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger 3,5 t übersteige, folgende Übertretungen des § 134 Abs. 1 Kraftfahrgesetz (KFG) iVm Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 zur Last gelegt:

1. "Am 02.03.2015 wurde von 07.37 Uhr bis 02.03.2015 um 15.10 Uhr erst nach einer Lenkzeit von 6 Stunden 15 Minuten eine Lenkpause eingelegt, die die Anforderungen an eine ununterbrochene Fahrtunterbrechung erfüllt. Die Überschreitung der ununterbrochenen Lenkzeit betrug somit 01 Stunde und 45 Minuten. Dies stellt daher anhand des Anhanges III der Richtlinie 2006/22/EG i.d.g.F. einen sehr schwerwiegenden Verstoß dar."

2. " Am 09.03.2015 wurde von 09.39 Uhr bis 09.03.2015 um 17.15 Uhr erst nach einer Lenkzeit von 05 Stunden 49 Minuten eine Lenkpause eingelegt, die die Anforderung an eine ununterbrochene Fahrtunterbrechung erfüllt. Die Überschreitung der ununterbrochenen Lenkzeit betrug somit 1 Stunde und 19 Minuten. Dies stellt daher anhand des Anhanges III der Richtlinie 2006/22/EG i.d.g.F. einen schwerwiegenden Verstoß dar."

2 Über den Revisionswerber wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 300,-- (Ersatzfreiheitsstrafe drei Tage) verhängt.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis vom 21. November 2016 als unbegründet ab. Unter einem sprach das LVwG aus, dass eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Der Revisionswerber macht in der Begründung der Zulässigkeit seiner Revision im Wesentlichen geltend, die Feststellungen des LVwG hinsichtlich der "ununterbrochenen Lenkzeit" von 6 Stunden und 15 Minuten bzw. 5 Stunden und 49 Minuten würden auf der unrichtigen Rechtsansicht beruhen, wonach eine "ununterbrochene Lenkzeit" auch dann vorliege, wenn die Lenktätigkeit (mehrfach) von anderen Tätigkeiten unterbrochen worden sei. Eine "ununterbrochene Lenkzeit" von 6 Stunden und 15 Minuten bzw. 5 Stunden und 49 Minuten und damit eine Verletzung von Art. 7 der VO (EG) Nr. 561/2006 sei jedoch nur dann gegeben, wenn der Lenker sein Fahrzeug tatsächlich durchgehend 6 Stunden und 15 Minuten bzw. 5 Stunden und 49 Minuten gelenkt habe. Zur Bedeutung der Begriffe "Lenkzeit" des Art. 7 der VO (EG) Nr. 561/2006 einerseits und "ununterbrochener Lenkzeit" im Sinne des Anhanges III der Richtlinie 2006/22/EG (idF der Richtlinie 2009/5/EG ) andererseits sowie zur rechtlichen Relevanz und den Auswirkungen von Ruhezeiten/Pausen auf den Zeitraum, der als "Lenkzeit" bzw. "ununterbrochene Lenkzeit" zu werten sei, fehle es an einschlägiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung. Weiters fehle betreffend die in § 134 Abs. 1a KFG  geregelten Fälle, insbesondere betreffend Verstöße gegen die VO (EG) Nr. 561/2006, höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu, welche Tatzeit zur (ausreichenden) Beschreibung der Tat im Sinne des § 44a Z 1 VStG anzuführen sei.

8 Mit diesem Vorbringen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vor, wenn die Rechtslage eindeutig ist, und zwar selbst dann nicht, wenn dazu noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist, sofern nicht fallbezogen (ausnahmsweise) eine Konstellation vorliegt, die es im Einzelfall erforderlich macht, aus Gründen der Rechtssicherheit korrigierend einzugreifen (vgl. für viele den hg. Beschluss vom 20. Jänner 2016, Ra 2016/02/0004, mwN).

10 Art. 7 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 561/2006 sieht vor, dass ein Fahrer nach einer "Lenkdauer" von viereinhalb Stunden eine ununterbrochene Fahrtunterbrechung von wenigstens 45 Minuten einzulegen hat, sofern er keine Ruhezeit einlegt. Der Begriff "Lenkdauer" wird in Art. 4 lit. q leg. cit. als "die Gesamtlenkzeit zwischen dem Zeitpunkt, zu dem ein Fahrer nach einer Ruhezeit oder einer Fahrtunterbrechung beginnt, ein Fahrzeug zu lenken, und dem Zeitpunkt, zu dem er eine Ruhezeit oder Fahrtunterbrechung einlegt", definiert. Die Lenkdauer kann ununterbrochen oder unterbrochen sein. Als "Fahrtunterbrechung" gilt gemäß Art. 4 lit. d leg. cit. jeder "Zeitraum, in dem der Fahrer keine Fahrtätigkeit ausüben und keine anderen Arbeiten ausführen darf und der ausschließlich zur Erholung genutzt wird."

"Lenkzeit" ist gemäß Art. 4 lit. j leg. cit. die Dauer der Lenktätigkeit selbst.

11 Damit geht bereits aus dem Wortlaut der VO (EG) Nr. 561/2006 eindeutig hervor, dass Lenkpausen, die nicht den zeitlichen Vorgaben des Art. 7 leg. cit. entsprechen oder - wie der Revisionswerber anhand der Fahrerkartenauswertung in seiner Revision selbst aufzeigt - zur Verrichtung einer anderen Arbeitstätigkeit genutzt werden, zwar eine Unterbrechung der Lenktätigkeit und somit der "Lenkzeit" iSd Art. 4 lit. j leg. cit. darstellen, im Zusammenhang mit der Strafnorm des Art. 7 leg. cit. aber insofern unbeachtlich sind, als sie nicht als "Fahrtunterbrechung" im Sinne dieser Bestimmung gelten. Daraus folgt aber auch, dass die Ermittlung der für eine allfällige Strafbarkeit nach § 134 Abs. 1 KFG  iVm Art. 7 der VO (EG) Nr. 561/2006 relevanten "Lenkdauer" durch das Addieren aller Lenkzeiten bis zu einer den Vorgaben dieser Bestimmung entsprechenden Fahrtunterbrechung zu erfolgen hat, was vom LVwG im Ergebnis richtig vorgenommen wurde. Angesichts des klaren Wortlautes der Strafnorm des Art. 7 VO (EG) Nr. 561/2006 iVm Art. 4 lit. d und q leg. cit. kann die Verwendung des Begriffes "ununterbrochene Lenkzeit" im Anhang III der RL 2006/22/EG idF der RL 2009/5/EG , der unter der Nr. C ausdrücklich auf Art. 7 der VO (EG) Nr. 561/2006 Bezug nimmt und eine Grundlage für die Strafbemessung nach § 134 Abs. 1b KFG bildet, nur als unbeachtliches Redaktionsversehen gewertet werden. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Revisionswerber die Begriffe "Lenkdauer" und "Lenkzeit" in seiner Revision selbst nicht einheitlich verwendet.

12 Sofern der Revisionswerber mit seinem weiteren Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision rügt, das angefochtene Erkenntnis entspreche nicht den Anforderungen des § 44a VStG, genügt es auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Tatumschreibung so präzise zu sein hat, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 2016, Ra 2016/02/0189, mwN). Für den Verwaltungsgerichtshof bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die dem Revisionswerber zur Last gelegten Tatvorwürfe nicht diesen Grundsätzen entsprochen hätten.

13 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen. Wien, am 6. März 2017

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