Normen
32013R0604 Dublin-III Art2 litn;
32013R0604 Dublin-III Art28 Abs2;
AVG §37;
AVG §46;
B-VG Art133 Abs4 impl;
EURallg;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §17;
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, nach eigenen Angaben ein Staatsangehöriger von Guinea, stellte nach seiner Einreise nach Österreich am 13. April 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 25. August 2015 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 zurück. Gleichzeitig stellte das BFA fest, für die Prüfung des Antrags sei gemäß der Dublin III-VO Spanien zuständig, weshalb es weiter gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung des Revisionswerbers (nach Spanien) anordnete und gemäß § 61 Abs. 2 FPG feststellte, dass seine Abschiebung nach Spanien zulässig sei.
2 Dieser Bescheid wurde dem Revisionswerber am 2. September 2015 zugestellt; die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 28. September 2015 als unbegründet ab.
3 Eine dann für den 26. November 2015 geplante Flugabschiebung des Revisionswerbers nach Spanien scheiterte, weil er einer Ladung für den 25. November 2015 keine Folge leistete. Am 2. März 2016 fand sich der Revisionswerber allerdings selbst in der EAST Ost in Traiskirchen ein, um - wie es nunmehr in der Revision heißt - "den Stand seines Verfahrens zu erfragen und seine rechtliche Situation zu klären". Er wurde festgenommen und mit Mandatsbescheid vom 3. März 2016 verhängte das BFA in der Folge nach seiner Einvernahme gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung.
4 Der Revisionswerber erhob Beschwerde. Mit dem in der Beschwerdeverhandlung am 11. März 2016 mündlich verkündeten und insoweit im Spruchpunkt I. am 15. März 2016 schriftlich ausgefertigten Erkenntnis stellte das BVwG gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm Art. 28 Dublin III-VO und § 76 Abs. 2 Z 2 sowie Abs. 3 Z 1, 3, 8 und 9 FPG fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen. Diesbezüglich erklärte das BVwG eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig. Unter Spruchpunkt II. der schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses wies das BVwG überdies die erhobene Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid vom 3. März 2016 und die Anhaltung in Schubhaft gemäß Art. 28 Dublin III-VO und § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG sowie den Antrag des Revisionswerbers auf Kostenersatz gemäß § 35 VwGVG ab. Auch im Hinblick auf die Abweisung der Beschwerde sprach das BVwG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
5 Das BVwG stellte insbesondere fest, dass sich der Revisionswerber bis zur behördlichen Zurückweisung seines Antrags auf internationalen Schutz mit Bescheid des BFA vom 25. August 2015 in Grundversorgung befunden habe; diese (sein Grundversorgungsquartier) habe er nach Bescheidzustellung "unabgemeldet" verlassen, um sich einer Überstellung nach Spanien zu entziehen. Er sei dann (September 2015) unrechtmäßig nach Italien weiter gereist und habe sich dort bis Dezember 2015 unangemeldet aufgehalten. Ab Dezember 2015 habe er unangemeldet in Innsbruck gelebt, seit Februar 2016 verfüge er dort über eine Obdachlosenmeldung. Er leide an keinen schwerwiegenden Krankheiten und sei haftfähig, seine begleitete Abschiebung nach Spanien sei für den 29. März 2016 terminisiert.
6 Indem der Revisionswerber das Quartier der Grundversorgung verlassen und "in die Illegalität untergetaucht" sei, umgehe oder behindere er im Sinn des § 76 Abs. 3 Z 1 FPG seine Abschiebung. Er weise auch eine nur geringe soziale Verankerung in Österreich auf (§ 76 Abs. 3 Z 9 FPG), weshalb das BFA zutreffend vom Vorliegen erheblicher Fluchtgefahr ausgegangen sei. Diese liege weiterhin (auch im Hinblick auf § 76 Abs. 3 Z 3 und 8 FPG) vor und es könne nicht mit der Verhängung gelinderer Mittel das Auslangen gefunden werden.
7 Die dagegen erhobene Revision, zu der keine Revisionsbeantwortungen erstattet wurden, erweist sich entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG, an den der Verwaltungsgerichtshof nach § 34 Abs. 1a VwGG nicht gebunden ist, unter dem Blickwinkel des Art. 133 Abs. 4 B-VG als nicht zulässig.
8 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Unter diesem Gesichtspunkt macht der Revisionswerber, die Zulassungsbegründung des BVwG präzisierend, geltend, es gebe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Rechtsfrage, wann von einer "erheblichen Fluchtgefahr" im Sinn von Art. 28 Dublin III-VO auszugehen sei; ungeklärt sei insbesondere, ob die in § 76 Abs. 3 FPG demonstrativ aufgezählten Indizien "für eine Fluchtgefahr ausreichen, um im Einzelfall eine ‚erhebliche Fluchtgefahr' iSd Art. 28 Abs. 2 Dublin III-VO zu begründen". Im vorliegenden Fall sei jedenfalls im Hinblick darauf, dass sich der Revisionswerber (am 2. März 2016) selbst in der Erstaufnahmestelle gemeldet habe, er zuletzt über eine aufrechte polizeiliche Meldeadresse verfügte und eine soziale Integration aufweise, jedenfalls nicht von einer "erheblichen Fluchtgefahr" auszugehen.
10 Dem ist zunächst zu erwidern, dass der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Ro 2016/21/0021, auf dessen Entscheidungsgründe, insbesondere auf die Ausführungen in den Rz 22 ff, gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen werden kann, das Vorliegen einzelner Tatbestände des angesprochenen § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich als tauglich erachtete, um "Fluchtgefahr" im Sinn des Art. 2 lit n Dublin III-VO zu begründen. Insoweit liegt daher keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung (mehr) vor (vgl. dazu etwa den hg. Beschluss vom 28. August 2014, Ro 2014/21/0068). Dass eine so gegebene "Fluchtgefahr" nach Maßgabe der gebotenen Gesamtbewertung auch "erheblich" sein kann, versteht sich von selbst. Ob aber konkret von "erheblicher Fluchtgefahr" auszugehen ist, ist stets eine Frage des Einzelfalles, daher nicht generell zu klären und als einzelfallbezogene Beurteilung grundsätzlich nicht revisibel, wenn diese Beurteilung auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage in vertretbarer Weise vorgenommen wurde (vgl. den hg. Beschluss vom 15. September 2016, Ra 2016/21/0256, Rz 14).
11 Das ist hier der Fall. Zum einen führte das BVwG die beantragte Beschwerdeverhandlung durch, zum anderen ist es nicht zu beanstanden, dass es dem Verlassen des Grundversorgungsquartiers durch den Revisionswerber im September 2015 - in der (dann auch verwirklichten) Absicht, sich der Überstellung nach Spanien zu entziehen - besondere Bedeutung zumaß; das aus eigenen Stücken erfolgte Aufsuchen der Erstaufnahmestelle-Ost in Traiskirchen Anfang März 2016, "um den Stand seines Verfahrens zu erfragen und seine rechtliche Situation zu klären", schloss das Vorliegen "erheblicher Fluchtgefahr" per se ebensowenig aus wie die existierende Obdachlosenmeldung in Innsbruck. Von einer "maßgeblichen sozialen Integration" des Revisionswerbers allein im Hinblick auf den regelmäßigen und mit Engagement vorgenommenen Besuch eines Deutschkurses konnte entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht ohnehin nicht ausgegangen werden (vgl. zur Bedeutung dieses Umstands abermals das Erkenntnis vom heutigen Tag, Ro 2016/21/0021, Rz 31).
12 Das weitere Revisionsvorbringen knüpft daran an, dass der Revisionswerber in der der Erlassung des Schubhaftbescheides vorangegangenen Einvernahme angegeben hatte, er "habe eine Depression". In diesem Zusammenhang war in der Schubhaftbeschwerde beantragt worden, "zur Klärung des psychischen Gesundheitszustandes" des Revisionswerbers ein Gutachten einzuholen. Diesem Antrag hat das BVwG nicht stattgegeben und - siehe oben Rz 5 - festgestellt, dass der Revisionswerber an keinen schwerwiegenden Krankheiten leide und haftfähig sei.
13 Zunächst ist festzuhalten, dass sich auch unter diesem Aspekt keine spezifischen Rechtsfragen stellen. Wenn das BVwG aber - wie in der Revision gerügt - von der Einholung des beantragten Gutachtens absah, so erweist sich das in Anbetracht des nicht näher konkretisierten Vorbringens des Revisionswerbers zu einer Depression - ohne nähere Dartuung daraus im Einzelnen erfließender Konsequenzen - jedenfalls als vertretbar. Dass ein "Erkundungsbeweis" im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässig ist - damit hat das BVwG das Unterbleiben der beantragten Beweisaufnahme begründet -, entspricht im Übrigen entgegen der Ansicht des Revisionswerbers der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Dazu kann es genügen, auf die Judikaturnachweise in der vom Revisionswerber angeführten Literaturstelle (Kolonovits/Muzak/Stöger Verwaltungsverfahrensrecht10 (2014) Rz 320), deren Aussage in Bezug auf die hg. Judikatur vom Revisionswerber in ihr Gegenteil verkehrt wird, zu verweisen (vgl. daraus aber insbesondere das Erkenntnis vom 17. Dezember 2013, Zl. 2013/09/0161).
14 Auch unter dem letztgenannten Aspekt sind somit keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung erkennbar, von deren Lösung die Erledigung der gegenständlichen Revision abhängen würde. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 11. Mai 2017
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