VwGH Ra 2016/17/0163

VwGHRa 2016/17/016312.5.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Hofrat Mag. Brandl als Richterin bzw Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision des Bundesministers für Finanzen in 1010 Wien, Johannesgasse 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 4. Dezember 2015, LVwG-WN-14-1038, betreffend Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Landespolizeidirektion Niederösterreich; mitbeteiligte Partei: ST in W, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4), zu Recht erkannt:

Normen

GSpG 1989 §52 Abs1;
GSpG 1989 §53 Abs1;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 11. Juni 2014 wurde gegenüber der Mitbeteiligten gemäß § 53 Abs 1 Z 1 lit a iVm § 53 Abs 3 Glücksspielgesetz (GSpG) die Beschlagnahme von zwei näher bezeichneten Glücksspielgeräten angeordnet.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich der dagegen erhobenen Beschwerde Folge und hob den angefochtenen Bescheid sowie die von den Organen der öffentlichen Aufsicht am 7. Mai 2014 gemäß § 53 Abs 2 GSpG vorgenommene Beschlagnahme der gegenständlichen Geräte (ersatzlos) auf. Weiters sprach das Landesverwaltungsgericht aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

3 Das Verwaltungsgericht stellte dazu zusammengefasst fest, dass die beiden Glücksspielgeräte von zumindest 7. März bis 7. Mai 2014 im Lokal S während der Öffnungszeiten betriebsbereit aufgestellt gewesen seien. Auf diesen Geräten seien virtuelle Walzenspiele gespielt worden, bei welchen nach Eingabe eines Geldbetrages, Auswahl des Spiels und Aufrufung zur Durchführung ein Spieleinsatz habe gewählt werden können, dem ein entsprechender Gewinnplan mit den in Aussicht gestellten, unterschiedlich hohen Gewinnen in Verbindung mit bestimmten Symbolkombinationen zugeordnet gewesen sei. Nach Abzug des gewählten Einsatzbetrags sei das Walzenspiel ausgelöst worden, wobei der Spieler keine Möglichkeit gehabt habe, gezielt Einfluss auf das Zustandekommen gewinnbringender Symbolkombinationen zu nehmen, vielmehr sei das jeweilige Spielergebnis zufallsabhängig zustandegekommen. Die Mitbeteiligte sei Mieterin und Betreiberin des gegenständlichen Lokals S.

4 Weiters führte das Landesverwaltungsgericht aus, dass nicht festgestellt werden könne, wer die konkreten Ausspielungen veranstaltet habe, ebenso nicht, ob die Mitbeteiligte als Betreiberin des gegenständlichen Lokals für die Zugänglichmachung der gegenständlichen Ausspielungen Provisionen, ein Entgelt oder eine Miete für das Aufstellen der Geräte erhalten habe oder an den mit diesen Ausspielungen erzielten Gewinnen beteiligt gewesen sei. Es fehle jedes Beweisergebnis, dass die Mitbeteiligte durch eine nachhaltige Tätigkeit Einnahmen aus der Durchführung von Glücksspielen erzielt habe. Auch könne nicht festgestellt werden, ob ein zwischen dem Lokal S und der SC s.r.l. abgeschlossener Vermittlungsvertrag tatsächlich mit den auf den gegenständlichen Geräten veranstalteten Ausspielungen in Verbindung gebracht werden könne.

5 Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 4. Dezember 2015 sei das Straferkenntnis aufgehoben und das Bezug habende Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt worden, weil das Tatbestandselement des "unternehmerisch" Zugänglichmachens nicht habe erwiesen werden können. Wegen der Einstellung dieses Verwaltungsstrafverfahrens liege daher der Verdacht im Sinn des § 53 Abs 1 Z 1 lit a GSpG im Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlichen Erkenntnisses nicht mehr vor, sodass der Beschwerde Folge zu geben und die Beschlagnahme aufzuheben gewesen sei. Aus diesem Grund erübrige es sich, auf unionsrechtliche Einwände einzugehen.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, mit dem Antrag das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

7 Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Die Revision erweist sich hinsichtlich der Frage, ob das Beschlagnahmeverfahren und das Verwaltungsstrafverfahren im Glücksspielgesetz hinsichtlich der Prüfung der Tatbestandsmerkmale zueinander in einer rechtlichen Bedingtheit stünden als zulässig, weil das Verwaltungsgericht von der hg Rechtsprechung abgewichen ist.

9 Die - soweit hier - maßgeblichen Bestimmungen des Glücksspielgesetzes, BGBl Nr 620/1989 (§ 52 Abs 1 Z 1 idF BGBl I Nr 13/2014, § 53 Abs 1 lit a idF BGBl I Nr 111/2010) lauten auszugsweise wie folgt:

"Verwaltungsstrafbestimmungen

§ 52. (1) Es begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde in den Fällen der Z 1 mit einer Geldstrafe von bis zu 60 000 Euro und in den Fällen der Z 2 bis 11 mit bis zu 22 000 Euro zu bestrafen,

1. wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 daran beteiligt;

...

Beschlagnahmen

§ 53. (1) Die Behörde kann die Beschlagnahme der Glücksspielautomaten, der sonstigen Eingriffsgegenstände und der technischen Hilfsmittel anordnen, und zwar sowohl wenn der Verfall als auch wenn die Einziehung vorgesehen ist, wenn

1. der Verdacht besteht, dass

a) mit Glücksspielautomaten oder sonstigen Eingriffsgegenständen, mit denen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, fortgesetzt gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird, oder

..."

10 Nach den Ausführungen des Landesverwaltungsgerichts steht fest, dass es sich bei den gegenständlichen Geräten um den Spielern zugängliche Glücksspielgeräte handelt, bei denen Spieler eine vermögenswerte Leistung in Zusammenhang mit der Teilnahme am Glücksspiel erbrachten und dafür ein Gewinn in Aussicht gestellt wurde. Dass die Glücksspielgeräte zur Erzielung von Einnahmen aus der Durchführung von Glücksspielen aufgrund einer selbstständigen und nachhaltigen Tätigkeit aufgestellt waren, ist offenkundig.

11 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, ist für die Rechtmäßigkeit einer Beschlagnahme, die bei Vorliegen eines bestimmten Verdachts zulässig ist, nicht erforderlich, dass die Übertretung des Gesetzes zum Zeitpunkt der Beschlagnahme bereits erwiesen ist. Tatbestandsvoraussetzung bei der Beschlagnahme ist nach § 53 Abs 1 GSpG das Vorliegen eines Verdachts, dass mit Glücksspielgeräten oder sonstigen Eingriffsgegenständen, mit denen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, fortgesetzt gegen die Bestimmung des § 52 Abs 1 GSpG verstoßen wird (vgl zB VwGH vom 29. April 2002, 96/17/0431). Dieser Verdacht muss auch ausreichend substantiiert sein (vgl zB VwGH vom 23. Februar 2012, 2012/17/0033 und vom 10. Oktober 2011, 2011/17/0158).

12 Ein derartiger ausreichender Verdacht ist nach den Feststellungen des Landesverwaltungsgerichts jedenfalls gegeben gewesen. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts war ungeachtet der Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gegen die Mitbeteiligte der objektive Tatbestand einer Übertretung gemäß § 52 Abs 1 GSpG erfüllt. Ob dieser von der Mitbeteiligten selbst (oder einer anderen Person) verwirklicht wurde und ob bereits eine Bestrafung einer Person wegen einer Übertretung des § 52 Abs 1 GSpG erfolgt ist, ist für die Beurteilung der Frage, ob mit Beschlagnahme vorzugehen ist, nicht entscheidungswesentlich.

13 Da das Landesverwaltungsgericht insofern die Rechtslage verkannte, war das angefochtene Erkenntnis aus den dargelegten Gründen aufgrund Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 12. Mai 2017

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