Normen
BAO §280 Abs1 lite;
VwGG §41;
BAO §280 Abs1 lite;
VwGG §41;
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber erzielte im Jahr 2012 Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (insbesondere Einkünfte von der A GmbH in Höhe von ca. 100.000 EUR). Daneben bezog er in diesem Jahr auch Notstandshilfe in Höhe von insgesamt 7.121,30 EUR.
2 Im Einkommensteuerbescheid vom 10. Mai 2013 wurde "auf Grund der Kontrollrechnung nach § 3 Abs. 2 EStG 1988" ein Betrag von 7.121,30 EUR als Einkünfte angesetzt. Begründend wurde u. a. ausgeführt, bei der Ermittlung des Steuersatzes seien zuerst die steuerpflichtigen Einkünfte auf den Jahresbetrag umgerechnet worden und anhand der sich für das umgerechnete Einkommen ergebenden Tarifsteuer ein Durchschnittssteuersatz ermittelt worden, der auf das Einkommen angewendet worden sei (Umrechnungsvariante). Danach sei anhand einer Kontrollrechnung festzustellen, ob sich bei Hinzurechnung der Bezüge gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 gegenüber der Umrechnungsvariante eine niedrigere Steuer ergebe; dies treffe im vorliegenden Fall zu.
3 Der Revisionswerber erhob dagegen Berufung. Er machte geltend, ihm sei vom Arbeitsmarktservice zunächst ein Betrag von 7.121,30 EUR zugeflossen. Er habe jedoch den Großteil der Notstandshilfe wieder zurückzahlen müssen. Es werde daher ersucht, die Hochrechnung nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 um den zurückgezahlten Betrag von 6.100 EUR zu korrigieren.
4 Mit Berufungsvorentscheidung vom 25. Juni 2013 wies das Finanzamt die Berufung ab. Der Umstand, dass der Abgabenpflichtige einen Großteil der Notstandshilfe für 2010 zurückzahlen müsse, führe rückwirkend für das Jahr 2010 zu einer Änderung bei den progressionswirksamen Transferleistungen. Für das Jahr 2012 bewirke dies keine Änderung.
5 Der Revisionswerber beantragte die Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der (nunmehrigen) Beschwerde teilweise Folge und änderte den Einkommensteuerbescheid 2012 ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Mit Beschluss vom 19. November 2015 berichtigte das Bundesfinanzgericht die den Parteien zugestellten Ausfertigungen durch Anschluss eines Berechnungsblattes.
7 Begründend führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe im Jahr 2012 u.a. Notstandshilfe vom Arbeitsmarktservice erhalten (7.121,30 EUR). Diese Bezüge seien im Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 erfasst worden. Dabei seien - als für den Revisionswerber günstigere Variante - die steuerfreien Bezüge auf Grund der Kontrollrechnung nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 mit 7.121,30 EUR angesetzt worden und somit im Ergebnis nach Tarif versteuert worden (Hinzurechnungsvariante), als würde es sich um steuerpflichtige Einkünfte handeln.
8 Der Revisionswerber habe aber am 10. Dezember 2012 eine (Rück)zahlung an das Arbeitsmarktservice in Höhe von 6.100 EUR geleistet. Er habe nämlich auf Grund von zwei Bescheiden des Arbeitsmarktservice vom 12. September 2012 Arbeitslosengelder und Notstandshilfe aus den Jahren 2009 und 2010 als unberechtigt empfangen (Vergleich mit der A GmbH) wieder zurückzahlen müssen. Diese Zahlung - sowie ein darüber hinausgehender Einbehalt von Arbeitslosengeld im Jahr 2012 - habe mit einem Betrag von insgesamt 1.124,19 EUR Zeiträume des Jahres 2009 betroffen; der Rest habe Zeiträume des Jahres 2010 betroffen.
9 Im Einkommensteuerbescheid 2009 sei im Hinblick auf die erhaltenen Arbeitslosengelder der besondere Progressionsvorbehalt des § 3 Abs. 2 EStG 1988 zur Anwendung gelangt (Umrechnungsvariante). Im Ergebnis hätten daher die an sich steuerfreien Arbeitslosengelder zu einer höheren Steuerbelastung geführt. Im Jahr 2010 habe der Revisionswerber ausschließlich steuerfreie Einkommensersätze bezogen, sodass kein Einkommensteuerbescheid erlassen worden sei.
10 Arbeitslosengelder würden zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zählen, wären sie nicht steuerfrei. Der Erhalt der Arbeitslosengelder unterliege daher dem Zufluss- /Abflussprinzip. Der Zufluss der Arbeitslosengelder im Jahr 2009 habe somit im Zusammenhang mit dem Bezug von Aktiveinkünften die Hochrechnung gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 ausgelöst. Ein späterer Rückersatz an das Arbeitsmarktservice ändere weder die Qualifikation der Leistung als Arbeitslosengeld, noch mache dieser den ursprünglichen Zufluss des Arbeitslosengeldes im Jahr 2009 rückgängig. Auch der deutsche Bundesfinanzhof vertrete zur Rückzahlung von zu Unrecht ausbezahltem Arbeitslosengeld diese Rechtsansicht (Hinweis auf BFH, dBStBl. 1996 III 201).
11 Wenn die Bezüge aber dem Zu- und Abflussprinzip unterlägen, ergebe sich aus § 16 Abs. 2 iVm § 19 Abs. 2 EStG 1988, dass die Erstattung von Einnahmen in dem Jahr als Ausgabe anzusetzen sei, in dem die Erstattung erfolge. Im Hinblick auf diese Regelung liege auch kein rückwirkendes Ereignis iSd § 295a BAO vor.
12 Die Rückzahlung steuerfreier Einnahmen führe gemäß § 20 Abs. 2 EStG 1988 zu keinem Werbungskostenabzug. Dies würde aber im vorliegenden Fall zu einem teilweise unsachlichen Ergebnis führen. Die steuerfreien Einnahmen hätten im Jahr 2009 zu einer höheren Besteuerung geführt. Es würde dem Leistungsfähigkeitsprinzip und dem objektiven Nettoprinzip widersprechen, würden steuerfreie Einkünfte im Jahr des Zuflusses zu einer höheren Steuerbelastung führen und könnten diese im Jahr der Rückzahlung nicht berücksichtigt werden. Die Rückzahlungen im Streitjahr 2012, die auf die im Jahr 2009 erhaltenen Beträge entfielen, seien somit in Höhe von "1.106,49 EUR" (gemeint offenbar - wie auch aus einer Gegenüberstellung des Bescheides des Finanzamtes mit dem Berechnungsblatt des Bundesfinanzgerichtes hervorgeht - 1.124,19 EUR) als Abzugsposten (Werbungskosten) bei den die Hochrechnung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 auslösenden steuerfreien Bezügen zu erfassen. Anders verhalte es sich mit den Rückzahlungen im Jahr 2012, die auf die im Jahr 2010 erhaltenen Beträge entfallen seien. Im Jahr 2010 seien die erhaltenen Beträge keiner Hochrechnung unterzogen worden, die Beträge seien somit im Ergebnis tatsächlich steuerfrei geblieben. Die Rückzahlung dieser Beträge führe daher zu keinen Werbungskosten.
13 Da zur Rechtsfrage, wie die Rückzahlung steuerfreier Beträge, die im Jahr des Zuflusses der Steuerberechnung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 unterlegen seien, im Jahr der Rückzahlung zu behandeln sei, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege, sei die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
14 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision. Darin wird - auch zur Zulässigkeit der Revision - geltend gemacht, die Einkünfte von der A GmbH beträfen Gehaltsnachzahlungen aufgrund eines Gerichtsverfahrens für die Jahre 2009 und 2010. Es sei fraglich, ob es sich hiebei um "für den Rest des Kalenderjahres bezogene" Einkünfte iSd § 3 Abs. 2 EStG 1988 handle. Es sei weiters die Rechtsfrage zu lösen, ob § 20 Abs. 2 EStG 1988 auch dann anwendbar sei, wenn eine Ausgabe nur die Rückgängigmachung einer steuerfreien Einnahme darstelle. Ergänzend hiezu sei zu klären, ob Einkünfte, die der Hochrechnung nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 unterlägen, überhaupt als "steuerfreie" Einkünfte iSd § 20 Abs. 2 EStG 1988 anzusehen seien, wenn die Hinzurechnungsvariante des § 3 Abs. 2 EStG 1988 zur Anwendung komme und damit die Einkünfte wie steuerpflichtige Einkünfte behandelt würden.
15 Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht und führt darin aus, die Rückzahlung hätte zu einer Abänderung des Bescheides betreffend das Jahr 2009 gemäß § 295a BAO führen sollen. § 19 EStG 1988 komme gar nicht zur Geltung, da steuerfreies Arbeitslosengeld und Notstandshilfe weder Einnahmen noch Ausgaben sein könnten. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers sei die Hochrechnung der Gehaltsnachzahlungen im Jahr 2012, die aufgrund eines Gerichtsverfahrens für die Kalenderjahre 2009 bis 2010 (A GmbH) zugeflossen seien, zu Recht erfolgt (Hinweis auf das Erkenntnis vom 20. Juli 1999, 94/13/0024).
16 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
17 Die Revision ist zulässig, sie ist auch begründet. 18 Gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 sind das
versicherungsmäßige Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe oder an deren Stelle tretende Ersatzleistungen von der Einkommensteuer befreit.
19 Erhält der Steuerpflichtige u.a. steuerfreie Bezüge im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 nur für einen Teil des Kalenderjahres, so sind nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG 1988 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4 EStG 1988) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10 EStG 1988) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Dabei ist das Werbungskostenpauschale noch nicht zu berücksichtigen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde.
20 Diese Bestimmung wurde mit dem dritten Abgabenänderungsgesetz 1987, BGBl. Nr. 606/1987, - damals noch in das EStG 1972 - eingefügt. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (277 BlgNR 17. GP 6 f) wurde hiezu im Wesentlichen ausgeführt, die Steuerfreiheit der Transferleistungen führe dazu, dass es im Falle des Zusammentreffens mit steuerpflichtigen Einkünften zu einer Minderung der Steuerprogression komme. Insbesondere im Fall saisonal bedingter Arbeitslosigkeit könne dies dazu führen, dass das Nettoeinkommen eines nicht ganzjährig Beschäftigten höher sei als das Nettoeinkommen eines ganzjährig Beschäftigten. Die Begünstigung der Steuerfreiheit für Arbeitslosengeld solle daher nur mehr derart gewährt werden, dass die mit einer Steuerbefreiung einhergehende Progressionsmilderung in diesen Fällen ausgeschlossen werde. Mit der vorgeschlagenen Ergänzung solle dieser Effekt vermieden werden. Demnach solle jener Zeitraum, währenddessen der Steuerpflichtige Transferleistungen beziehe, neutralisiert werden. Der Jahresausgleich (die Veranlagung) werde in der Wirkung auf jenen Zeitraum beschränkt, in dem Erwerbs- bzw. Pensionseinkünfte oder überhaupt keine Einkünfte erzielt werden. Die Verkürzung des Jahresausgleichszeitraumes bzw. des Veranlagungszeitraumes werde dadurch erreicht, dass die steuerpflichtigen Lohnbezüge bzw. die Einkünfte der ersten vier Einkunftsarten für die Dauer des Bezuges von Transferleistungen auf fiktive Jahreseinkünfte hochgerechnet werden. Aus der Umrechnung dürfe aber keine höhere Steuerbelastung als im Falle der Vollbesteuerung der Transferleistungen als steuerpflichtiger Arbeitslohn eintreten.
21 Gemäß § 16 Abs. 2 EStG 1988 zählt zu den Werbungskosten auch die Erstattung (Rückzahlung) von Einnahmen, sofern weder der Zeitpunkt des Zufließens der Einnahmen noch der Zeitpunkt der Erstattung willkürlich festgesetzt wurde.
22 Nach § 20 Abs. 2 EStG 1988 dürfen bei der Ermittlung der Einkünfte u.a. Aufwendungen und Ausgaben nicht abgezogen werden, soweit sie mit nicht steuerpflichtigen Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.
23 Der Revisionswerber hat im Kalenderjahr 2012 Leistungen iSd § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 bezogen (Notstandshilfe). Er hat diese Bezüge aber nur für einen Teil des Kalenderjahres erhalten, sodass eine Hochrechnung von Einkünften iSd § 3 Abs. 2 EStG 1988 zu erfolgen hat. Weiters ist eine Kontrollrechnung unter Annahme der Steuerpflicht der Transferleistungen vorzunehmen.
24 Ausfertigungen von Erkenntnissen und Beschlüssen der Verwaltungsgerichte sind so zu begründen, dass der Denkprozess, der in der Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für diesen nachvollziehbar ist (vgl. zuletzt etwa das Erkenntnis vom 21. Dezember 2016, Ra 2015/13/0024).
25 Dem angefochtenen Erkenntnis (und auch dem Inhalt der Verfahrensakten, soweit diese dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt wurden) kann jedoch nicht entnommen werden, in welcher Weise die Hochrechnung der für das restliche Kalenderjahr bezogenen Einkünfte vorgenommen wurde. Damit entzieht sich das angefochtene Erkenntnis einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof.
26 Das angefochtene Erkenntnis war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
27 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 22. Februar 2017
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