VwGH Ro 2016/12/0016

VwGHRo 2016/12/001627.6.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Hofrat Dr. Zens, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, Hofrat Mag. Feiel und Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revisionen 1. der Marktgemeinde P (Ro 2016/12/0016) und 2. der DI (FH) T C in P (Ro 2016/12/0017), beide vertreten durch die Holzer Kofler Mikosch Kasper Rechtsanwälte OG in 9020 Klagenfurt am Wörthersee, Bahnhofstraße 51/DG, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom 25. April 2016, Zl. KLVwG- 2418-2419/8/2015, betreffend Aufhebung eines Gemeinderatsbeschlusses i.A. Ernennung in ein öffentlichrechtliches Dienstverhältnis (vor dem Landesverwaltungsgericht Kärnten belangte Behörde: Kärntner Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §6;
ABGB §7;
ABGB §8;
DienstrechtsG Krnt 1994 §145 Abs1;
DienstrechtsG Krnt 1994 §145 Abs2 Z1 lita;
DienstrechtsG Krnt 1994 §145 Abs3;
DienstrechtsG Krnt 1994 §145;
GdBedG Krnt 1992 §10 Abs3;
GdBedG Krnt 1992 §29 Abs1;
GdBedG Krnt 1992 §8 Abs1;
GdBedG Krnt 1992 §8;
GdBedG Krnt 1992;
GdmitarbeiterinnenG Krnt 2011 §1;
GdmitarbeiterinnenG Krnt 2011 §126;
GdmitarbeiterinnenG Krnt 2011;
GdVBG Krnt 1992 §67 Abs1 litc;
GdVBG Krnt 1992;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revisionen werden als unbegründet abgewiesen.

Die Revisionswerberinnen haben dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 276,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Zweitrevisionswerberin steht in einem dem Kärntner Gemeindevertragsbedienstetengesetz, LGBl. Nr. 95/1992 (im Folgenden: K-GVBG), unterliegenden Dienstverhältnis zur Erstrevisionswerberin.

2 Am 15. Juli 2014 beschloss der Gemeinderat der Erstrevisionswerberin, die Zweitrevisionswerberin in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zu ernennen.

3 Mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 17. Juni 2015 wurde dieser Beschluss in Ausübung des Gemeindeaufsichtsrechtes gemäß § 100 Abs. 1 der Kärntner allgemeinen Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 66/1998, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

4 Begründend führte die Aufsichtsbehörde - zusammengefasst - aus, § 1 des am 1. Jänner 2012 in Kraft getretenen Kärntner Gemeindemitarbeiterinnengesetzes, LGBl. Nr. 96/2011 (im Folgenden: K-GMG), schließe die Neubegründung öffentlich-rechtlicher Dienstverhältnisse zu Kärntner Gemeinden (mit Ausnahme der Städte mit eigenem Statut) aus. Eine solche Neubegründung eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses sei aber mit dem aufgehobenen Gemeinderatsbeschluss beabsichtigt. Eine (gedachte) Ernennung der Zweitrevisionswerberin in Anwendung des § 8 Abs. 1 des (für öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse geltenden) Kärntner Gemeindebedienstetengesetzes, LGBl. Nr. 56/1992 (im Folgenden: K-GBG), hätte - wie § 67 Abs. 1 lit. c K-GVBG zeige - eine Beendigung ihres bisherigen privatrechtlichen Dienstverhältnisses zur Folge, weshalb eine solche Ernennung auch eine nach § 1 Abs. 1 K-GMG verbotene Begründung eines öffentlichrechtlichen Dienstverhältnisses zu einer Kärntner Gemeinde darstellen würde.

5 Gegen diesen Bescheid erhoben die Revisionswerberinnen jeweils Beschwerde vor dem Landesverwaltungsgericht Kärnten. Darin vertraten sie im Wesentlichen gleichlautend die Rechtsauffassung, § 1 K-GMG möge zwar unmittelbaren Neuernennungen in öffentlichrechtliche Dienstverhältnisse zu Kärntner Gemeinden entgegen stehen; dies gelte jedoch nicht für die als bloße Umgestaltung des Dienstverhältnisses anzusehende Übernahme von - dem K-GVBG unterliegenden - Vertragsbediensteten in ein öffentlichrechtliches Dienstverhältnis. Insoweit sei dem formell nicht aufgehobenen § 8 K-GBG auch nicht durch § 1 K-GMG materiell derogiert worden.

6 Eine solche - von der Gemeindeaufsichtsbehörde angenommene -

Derogation sei auch - wie sich aus den der Regierungsvorlage vorangegangenen Gesprächen in Arbeitsgruppen der Sozialpartner ergebe - nicht beabsichtigt gewesen. Die Revisionswerberinnen wiederholten in diesen Beschwerden ihre schon während des aufsichtsbehördlichen Verfahrens gestellten Anträge zur Einvernahme näher genannter, in diesen Arbeitsgruppen tätig gewesener Zeugen.

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Kärnten die Beschwerden der Revisionswerberinnen gegen den Bescheid vom 17. Juni 2015 gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ab, ohne die beantragten Zeugeneinvernahmen durchzuführen.

8 Das Landesverwaltungsgericht Kärnten sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

9 Begründend führte das Landesverwaltungsgericht Kärnten nach Wiedergabe des Verfahrensganges sowie der maßgeblichen Rechtsvorschriften aus, gemäß § 67 Abs. 1 lit. c K-GVBG ende das Dienstverhältnis des Vertragsbediensteten durch seine Übernahme in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zur Gemeinde. Sodann heißt es in den Entscheidungsgründen:

"Daraus ergibt sich jedoch zwingend, dass, wenn ein Dienstverhältnis nach dem K-GVBG - wie gegenständlich - nach dem 1.1.2012 endet, dass im Hinblick auf den klaren Wortlaut des § 1 K-GMG ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis gemäß den Bestimmungen des K-GBG nicht mehr begründet werden kann.

Unabhängig davon, dass § 8 K-GBG formal noch dem Rechtsbestand angehört und diese Bestimmung die Aufnahme öffentlich-rechtlicher Bediensteter durch den jeweiligen Gemeinderat der Gemeinde regelt, kann diese Bestimmung gegenständlich nicht mehr herangezogen werden, zumal sie im Widerspruch zu § 1 des K-GMG steht.

Die belangte Behörde hat in diesem Zusammenhang, unter Hinweis auf die diesbezügliche Stellungnahme des Verfassungsdienstes des Amtes der Kärntner Landesregierung vom 25.3.2014, zu Recht die Auffassung vertreten, dass nach dem 1.1.2012 die Begründung eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses nicht mehr in Betracht kommt, da § 8 K-GBG zwar nicht explizit aufgehoben worden ist, jedoch davon auszugehen ist, dass diese Bestimmung durch § 1 K-GMG materiell derogiert worden ist.

Die materielle Derogation kann auch in einem anderen Gesetz erfolgen (wie gegenständlich), wobei der Grundsatz, dass die jüngere Norm alle mit ihr im Widerspruch stehenden älteren Normen verdrängt, auch im gegenständlichen Fall seine Anwendung findet.

Ebenso ist die Rechtsauffassung der belangten Behörde schlüssig, dass es die Intention des Gesetzgebers gewesen ist, dass durch das K-GMG die erforderlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen für ein modernes dienstleistungs- und ergebnisorientiertes Dienstrecht geschaffen werden sollten.

Würde man demgegenüber der Auffassung der Beschwerdeführer folgen, dass ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis auch dann noch begründet werden kann, wenn die betroffenen Mitarbeiter bereits vor dem 1.1.2012 in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zur Gemeinde gestanden sind, so hätte dies zur Folge, dass über einen noch unverhältnismäßig langen Zeitraum öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse begründet werden können, was zweifellos nicht mit den Intentionen des Gesetzgebers in Einklang zu bringen ist.

In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, dass es denkmöglich wäre, dass dann die Begründung eines öffentlichrechtlichen Dienstverhältnisses nicht mehr möglich ist, wenn der betroffene Mitarbeiter vor dem 1.1.2012 an einer anderen Gemeinde als Vertragsbediensteter tätig gewesen ist.

Auch der Hinweis der Beschwerdeführer darauf, dass im Falle des Wechsels von einem privatrechtlichen in ein öffentlichrechtliches Dienstverhältnis der Urlaubsanspruch des jeweiligen Mitarbeiters nicht verloren geht und § 74 Abs. 2 des K-GVBG auch vorsieht, dass im Falle der Beendigung eines Dienstverhältnisses durch Übernahme in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis eine Abfertigung nicht zur Auszahlung gelangt, steht nicht im Widerspruch zur Auffassung des Landesverwaltungsgerichtes, dass gegenständlich durch die Ernennung eines Mitarbeiters in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis das zuvor bestehende Vertragsbedienstetenverhältnis endet (§ 67 Abs. 1 lit. c K-GVBG), zumal es sachlich wohl nicht gerechtfertigt ist, einen Vertragsbediensteten eine allfällige Abfertigung zu bezahlen, wenn unmittelbar daran ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis begründet wird (vor dem 1.1.2012).

Ebenso wäre es sachlich wohl auch nicht gerechtfertigt, dass ein Urlaubsanspruch verfällt und hat der Gesetzgeber daher auch eine gesetzliche Regelung geschaffen.

Der Umstand, dass Urlaubsansprüche weiter gelten und eine allfällige Abfertigung nicht bezahlt wird, ist jedenfalls nicht dazu geeignet darzutun, dass gegenständlich nicht von der Neubegründung eines Dienstverhältnisses sondern lediglich von einer Überleitung des Dienstverhältnisses auszugehen ist."

10 Die Einvernahme der angebotenen Zeugen sei nicht geboten, weil "hinsichtlich der Interpretation des Gesetzes ausschließlich der Gesetzestext maßgeblich" sei.

11 Das Landesverwaltungsgericht Kärnten erachtete die ordentliche Revision erkennbar deshalb für zulässig, weil keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage bestehe, inwieweit § 1 K-GMG nach seinem Inkrafttreten der Ernennung eines dem K-GVBG unterliegenden Vertragsbediensteten in ein öffentlichrechtliches Dienstverhältnis entgegenstehe.

12 Gegen dieses Erkenntnis richten sich die Revisionen vor dem Verwaltungsgerichtshof, welche Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Erkenntnisses sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend machen, es aus diesen Gründen aufzuheben; hilfsweise wird beantragt, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden und den aufsichtsbehördlichen Bescheid ersatzlos aufheben.

13 Die Revisionen machen - zusammengefasst - im Wesentlichen gleichlautend geltend, dass dem § 8 K-GBG für die hier vorliegende Fallkonstellation nicht materiell derogiert worden sei. Auch nach Inkrafttreten des K-GMG bestünden neben diesem die Dienstrechte nach dem K-GVBG und dem K-GBG weiter. Das K-GMG regle lediglich private Dienstverhältnisse. Zwar gehe aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum K-GMG hervor, dass der Gesetzgeber mit dessen § 1 beabsichtigt habe, die Neubegründung öffentlichrechtlicher Dienstverhältnisse hintanzuhalten. Als eine solche Neubegründung sei aber die Übernahme eines dem K-GVBG unterliegenden Vertragsbediensteten in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis nicht anzusehen.

14 Jedenfalls wäre das Landesverwaltungsgericht Kärnten auch gehalten gewesen, die von den Revisionswerberinnen angebotenen Zeugen zu vernehmen.

15 Die Kärntner Landesregierung erstattete Revisionsbeantwortungen, in welchen die Abweisung der Revisionen beantragt wird.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbundenen Revisionen erwogen:

16 § 1 Abs. 1 und 2 sowie § 2 K-GMG (Stammfassung) lauten:

"§ 1

Anwendungsbereich des Gesetzes

(1) Dienstverhältnisse der Dienstnehmerinnen der Kärntner Gemeinden und Gemeindeverbände - im Folgenden Gemeindemitarbeiterinnen genannt - sind nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu begründen, zu gestalten und zu beenden, soweit in Abs. 2 bis 5 nichts anderes bestimmt ist.

(2) Dieses Gesetz gilt für alle Gemeindemitarbeiterinnen, deren Dienstverhältnis mit oder nach dem In-Kraft-Treten dieses Gesetzes begründet wurde oder die eine Erklärung nach § 126 abgegeben haben, dass sich ihr Dienstverhältnis nach dem vorliegenden Gesetz bestimmen soll.

...

§ 2

Gemeindemitarbeiterinnen, Begriffe

(1) Gemeindemitarbeiterinnen nach diesem Gesetz sind Dienstnehmerinnen, deren Dienstverhältnis durch Vertrag begründet wird und kündbar ist."

17 In der Regierungsvorlage zum K-GMG (zu Zl. -2V-LG-1272/47- 2011) heißt es (auszugsweise):

"Das für die Beamten geltende Dienstrecht ist älterer Natur, wurde nach dem Vorbild des seinerzeitigen Beamtendienstrechts auf Bundesebene entwickelt und weist große Unterschiede zum Gemeindevertragsbedienstetengesetz auf. Diesen Dienstrechten ist gemein, dass sie nicht mehr die heutigen Anforderungen an ein modernes, dienstleistungs- und ergebnisorientiertes Besoldungsschema erfüllen. Darüber hinaus gibt es große Unterschiede in der Entlohnung, je nachdem, welchem Bedienstetentyp (Beamter oder Vertragsbediensteter) der Mitarbeiter angehört. Ferner sind bei den derzeitigen Gehaltssystemen neben der Eingliederung in eine der angeführten Bedienstetengruppen vor allem die Schulausbildung und das Lebensalter entscheidend für die Höhe der Entlohnung und weniger die geleistete Arbeit. Nach modernen Vorstellungen soll hingegen vor allem Funktion und Leistung für das Gehalt ausschlaggebend sein.

Das für Beamte geltende Gehaltsschema belohnt langjährige Diensttreue mit höheren Gehältern in der zweiten Laufbahnhälfte und einen Ruhebezug durch den Dienstgeber. Leistung und Engagement wirken sich nur im begrenzten Maß bei den Gehältern aus. Zudem stellt ein Gehaltssystem, in dem die Einstiegsgehälter relativ niedrig sind, und erst im späteren Verlauf ansteigen, keinen Anreiz für das Anwerben junger qualifizierter Mitarbeiter dar.

Das neue Gehaltssystem soll für alle Gemeindebediensteten, deren Dienstverhältnis nach Inkrafttreten des Gesetzes begründet wird, bzw. die eine Optionserklärung auf Übertritt in das neue Dienstrecht abgeben, gelten. Ausgenommen sind die Bediensteten der Städte mit eigenem Statut. Auch Lehrlinge und Ferialarbeiter werden im Gesetz geregelt, soweit dienstrechtliche Vorschriften erforderlich sind, die im Rahmen der Dienstrechtskompetenz des Landesgesetzgebers liegen. Unberührt bleiben die im Rahmen des Gewerberechts getroffenen Vorschriften des Bundes für Lehrlinge (zB. Berufsausbildungsgesetz).

...

II. ZU DEN EINZELNEN BESTIMMUNGEN DES GESETZES Zum 1. Abschnitt (Allgemeine Bestimmungen - §§ 1 bis 20):

Der Anwendungsbereich des Gesetzes (§ 1) erfasst alle Bediensteten, deren Dienstverhältnis nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes begründet wurde. Es gilt weiter für alle Gemeindebediensteten, die in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes optieren (§ 126). Für alle anderen bereits bestehenden Dienstverhältnisse gilt weiterhin das Kärntner Gemeindebedienstetengesetz oder das Kärntner Gemeindevertragsbedienstetengesetz.

Aufgrund des in § 1 Abs. 2 normierten Anwendungsbereiches wird es in Hinkunft keine neuen Beamtendienstverhältnisse in der Gemeindeverwaltung mehr geben. Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes dürfen Bedienstete nur mehr als Gemeindemitarbeiterinnen aufgenommen werden. Die Option aus bestehenden Beamtendienstverhältnissen in den Anwendungsbereich des Gemeindemitarbeiterinnengesetzes ist mit dem Verlust sämtlicher aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis resultierenden Ansprüche verbunden (z. B. Ruhegenuss)."

18 § 126 und § 127 Abs. 1 und 2 K-GMG (Stammfassung) lauten:

"§ 126

Optionsrecht

(1) Die Gemeindebediensteten, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes Gemeindebedienstete sind, können eine schriftliche Erklärung abgeben, wonach sich ihr Dienstverhältnis nach dem vorliegenden Gesetz bestimmen soll. Wenn die Erklärung bis 31. März 2012 abgegeben wird, wird sie am 1. Juli 2012 wirksam. Wird die Erklärung nach dem 31. März 2012 abgegeben, wird sie mit dem jeweils nächstfolgenden 1. Jänner oder 1. Juli wirksam. Sie ist unwiderrufbar, die Beifügung einer Bedingung ist bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit der Erklärung unzulässig.

(2) Mit der Wirksamkeit der Erklärung von Beamten wird das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis in ein unbefristetes privatrechtliches Dienstverhältnis zur Gemeinde übergeleitet, auf das die Bestimmungen dieses Gesetzes anzuwenden sind. Die im Rahmen des öffentlichen-rechtlichen Dienstverhältnisses zurückgelegte Dienstzeit zur Gemeinde ist für Ansprüche, die sich nach der Dauer der Dienstzeit richten, so zu behandeln, als wäre sie im privatrechtlichen Dienstverhältnis zur Gemeinde zurückgelegt worden.

§ 127

Übergangsbestimmungen für Gemeindebedienstete und Altansprüche

(1) Jene Gemeindebediensteten, die eine Erklärung nach § 126 abgegeben haben, sind ihrer Verwendung entsprechend der zutreffenden Modellstelle zuzuordnen.

(2) Für jene Gemeindebediensteten, die eine Erklärung nach § 126 abgegeben haben, bleiben Urlaubsansprüche, die auf der Grundlage des Kärntner Gemeindebedienstetengesetzes, LGBl. Nr. 56/1992, oder des Kärntner Gemeindevertragsbedienstetengesetzes, LGBl. Nr. 95/1992, erworben wurden, aufrecht."

19 § 67 Abs. 1 lit. c K-GVBG (die wiedergegebenen Teile in der Stammfassung) lautet:

"§ 67

Gründe für das Enden des Dienstverhältnisses

(1) Das Dienstverhältnis des Vertragsbediensteten endet unbeschadet der Bestimmungen des § 50 Abs. 9

...

c) durch Übernahme des Vertragsbediensteten in ein

öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zur Gemeinde,

..."

20 Gemäß § 74 Abs. 2 Z 8 K-GVBG (Stammfassung) besteht u. a. dann kein Anspruch auf Abfertigung, wenn das Dienstverhältnis gemäß § 67 Abs. 1 lit. c leg. cit. endet.

21 § 8 Abs. 1 K-GBG (Stammfassung) lautet:

"Ernennung

(1) Die Aufnahme als öffentlich-rechtlicher Bediensteter erfolgt vom Gemeinderat durch Ernennung auf eine hinsichtlich der Verwendungsgruppe und der Dienstklasse bestimmte Planstelle. Sie ist nur zulässig, wenn eine solche Planstelle frei ist und alle Erfordernisse für die Ernennung in das Dienstverhältnis im allgemeinen (§ 4) sowie für die Erlangung der Planstelle im besonderen (§ 6) erfüllt sind."

22 § 10 Abs. 3 K-GBG idF LGBl. Nr. 66/2000 lautet:

"§ 10

Ernennungsbescheid, Begründung des Dienstverhältnisses

...

(3) Durch die Ernennung einer Person, die nicht bereits Beamter ist, wird das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis begründet."

23 Im Zeitpunkt der Erlassung des K-GMG galt aus dem Grunde des § 29 Abs. 1 erster Satz (Stammfassung) K-GBG, dass in Ermangelung gegenteiliger Anordnungen die für das Dienstrecht der Kärntner Landesbeamten geltenden Vorschriften auch auf öffentlichrechtliche Bedienstete im Sinne des K-GBG anzuwenden sind.

24 § 145 Abs. 1, Abs. 2 Z 1 lit.a und Abs. 3 des für Kärntner Landesbeamte geltenden Kärntner Dienstrechtsgesetzes 1994, LGBl. Nr. 71 (im Folgenden: K-DRG) in der Fassung dieses Paragrafen nach dem Landesgesetz LGBl. Nr. 82/2011, lautete:

"(1) Der Vorrückungsstichtag ist dadurch zu ermitteln, dass Zeiten nach dem 30. Juni des Jahres, in dem nach der Aufnahme in die erste Schulstufe neun Schuljahre absolviert worden sind oder worden wären, unter Beachtung der einschränkenden Bestimmungen der Abs. 4 bis 8 dem Tag der Anstellung vorangesetzt werden:

1. die im Abs. 2 angeführten Zeiten zur Gänze,

2. sonstige Zeiten, die

a) die Erfordernisse des Abs. 3 erfüllen, zur Gänze,

b) die Erfordernisse des Abs. 3 nicht erfüllen,

aa) bis zu drei Jahren zur Gänze und

bb) bis zu weiteren drei Jahren zur Hälfte.

(2) Gemäß Abs. 1 Z 1 sind voranzusetzen

1. die Zeit, die

a) in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen

Gebietskörperschaft, einem Gemeindeverband oder

...

zurückgelegt worden ist.

...

(3) Zeiten gemäß Abs. 1 Z 2, in denen der Beamte eine Tätigkeit ausgeübt oder ein Studium betrieben hat, können von der Landesregierung im öffentlichen Interesse insoweit zur Gänze berücksichtigt werden, als die Tätigkeit oder das Studium für die erfolgreiche Verwendung des Beamten von besonderer Bedeutung ist. Soweit solche Zeiten bereits im unmittelbar vorangegangenen Landesdienstverhältnis nach dem ersten Satz, nach § 37 Abs. 3 des Kärntner Landesvertragsbedienstetengesetzes oder nach einer gleichartigen Bestimmung einer anderen Rechtsvorschrift zur Gänze berücksichtigt worden sind und der Beamte nach wie vor die hiefür maßgebende Verwendung ausübt, sind diese Zeiten zur Gänze zu berücksichtigen."

25 Zur Parteistellung der Zweitrevisionswerberin genügt es, auf das hg. Erkenntnis vom 29. März 1982, 81/12/0016, zu verweisen.

26 Infolge der Grundsätzlichkeit der oben unter Rz 11 angeführten Rechtsfrage erweisen sich die gegenständlichen Revisionen auch - unstrittig - gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG als zulässig.

27 Die Revisionen sind jedoch nicht berechtigt:

28 Sie rügen zunächst als Verfahrensmangel das Unterbleiben der von den Revisionswerberinnen beantragten Zeugeneinvernahmen.

Dem ist Folgendes zu erwidern:

29 Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes hat sich die subjektiv-historische Interpretation grundsätzlich an den Gesetzesmaterialien zu orientieren; die Einvernahme von Personen, die am Gesetzgebungsprozess beteiligt waren, ist hingegen unzulässig (vgl. hiezu JBl. 1950, 507, EvBl. Nr. 337/1972, und zuletzt das Urteil vom 31. August 2016, 2Ob 121/16g, mit weiteren Hinweisen).

30 Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich dieser Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshofes an. Absichten von Personen, welche - hier im außerparlamentarischen Vorfeld - am Gesetzgebungsprozess beteiligt waren, können nämlich nur dann für die historische Auslegung bedeutsam sein, wenn sie in den (dem Gesetzgebungsorgan zugeleiteten) Gesetzesmaterialien ihren Niederschlag gefunden haben. Nur von solchen Absichten kann sich das gesetzgebende Organ (hier der Kärntner Landtag) durch Umformulierung des Gesetzes oder durch entsprechende Erklärungen in Ausschüssen oder im Plenum distanzieren, bzw. sie durch die Unterlassung einer solchen Distanzierung stillschweigend akzeptieren. Dies gilt jedoch nicht für Absichten, welche sich überhaupt erst durch Zeugeneinvernahmen erschließen lassen. Auch erscheint es den Normunterworfenen unzumutbar, an solche, typischerweise mit ihnen zugänglichen Mitteln gar nicht eruierbare Absichten gebunden zu werden.

31 Der gerügte Verfahrensmangel liegt daher nicht vor. 32 Soweit die Revisionswerberinnen darauf verweisen, dass

weder das K-GVBG noch das K-GBG mit Inkrafttreten des K-GMB aus dem Rechtsbestand ausgeschieden sind, sondern alle drei Systeme weiterhin parallel existieren, sind sie durchaus im Recht. Unstrittig finden die Bestimmungen des K-GBG und des K-GVBG auf "Altbedienstete", welche nicht nach § 126 K-GMG in dieses Gesetz optieren, weiterhin Anwendung.

33 Damit ist freilich für die Zulässigkeit der hier vom Gemeinderat der Erstrevisionswerberin beschlossenen Ernennung nichts gewonnen:

34 Ob nämlich - wie die Revisionswerberinnen meinen - der formell nicht aufgehobene § 8 Abs. 1 K-GBG eine taugliche Rechtsgrundlage (Ermächtigung) zur Ernennung der Zweitrevisionswerberin in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis darstellt oder - weil ihm durch § 1 K-GMG materiell derogiert wurde - nicht, hängt von der Auslegung der zuletzt zitierten Norm ab.

35 Wie sich aus den oben zitierten Gesetzesmaterialien zu § 1 K-GMG unzweifelhaft ergibt, beabsichtigte der Kärntner Landesgesetzgeber mit der zitierten Gesetzesbestimmung die Hintanhaltung "neuer Beamtendienstverhältnisse" (also solcher die dem K-GBG unterliegen) zu Kärntner Gemeinden (mit Ausnahme der Städte mit eigenem Statut). § 1 K-GMG ist daher entsprechend dem aus den Materialien hervorleuchtenden Gesetzeszweck jedenfalls dahin auszulegen, dass er die Neubegründung von Dienstverhältnissen auf Grundlage anderer Gesetze als dem K-GMG selbst, also insbesondere auch durch Ernennung gemäß § 8 K-GBG, ausschließt.

36 Dies wird in den Revisionen auch gar nicht bestritten, freilich vertreten diese die Rechtsauffassung, eine Neubegründung eines Dienstverhältnisses der Zweitrevisionswerberin zur Erstrevisionswerberin läge im Hinblick auf das bereits bestehende Vertragsbedienstetenverhältnis gar nicht vor.

37 Die Richtigkeit dieser in den Revisionen vertretenen Auslegung des § 1 K-GMG hängt wiederum davon ab, ob die Ernennung eines (dem K-GVBG unterliegenden) Vertragsbediensteten in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis nach dem K-GBG eine nach § 1 K-GMG verbotene "Begründung" eines Dienstverhältnisses zu einer Gemeinde nach anderen Bestimmungen als dem K-GMG selbst (oder bloß eine Umgestaltung eines durchgehend bestehenden "Altdienstverhältnisses") darstellt.

38 Zur Klärung dieser Frage ist wiederum maßgeblich, ob - auf Basis der Bestimmungen des K-GVBG und des K-GBG - im Falle der Ernennung eines Vertragsbediensteten in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis von der bloßen Umgestaltung eines einheitlichen Dienstverhältnisses oder aber von der Beendigung des Vertragsbedienstetenverhältnisses und der Neubegründung eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses auszugehen ist.

39 In diesem Zusammenhang führt das Landesverwaltungsgericht Kärnten zutreffend die Bestimmung des § 67 Abs. 1 lit. c K-GVBG ins Treffen, wonach das Vertragsbedienstetenverhältnis durch Übernahme in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zur Gemeinde endet. Mit dieser Bestimmung wiederum korrespondiert § 10 Abs. 3 K-GBG, welcher anordnet, dass durch die Ernennung einer Person, die nicht bereits Beamter ist, das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis begründet wird.

40 Schon diese dienstrechtlichen Bestimmungen schließen es aus, ein nach dem K-GVBG begründetes Vertragsbedienstetenverhältnis und ein unmittelbar daran anschließendes öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis nach dem K-GBG als einheitliches Dienstverhältnis anzusehen.

41 Für das Vorliegen zweier aufeinander folgender Dienstverhältnisse (verschiedener Natur) spricht auch die gemäß § 29 Abs. 1 erster Satz K-GBG auf Gemeindebedienstete im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis anzuwendende Norm des § 145 K-DRG.

42 Nach deren Abs. 1 ist der Vorrückungsstichtag dadurch zu ermitteln, dass näher genannte Zeiten "dem Tag der Anstellung" vorangesetzt werden. Der solcherart bezeichnete "Tag der Anstellung" ist auch für einen zum Beamten ernannten Vertragsbediensteten jener der Wirksamkeit seiner Ernennung. Aus diesem Grund bedarf es auch der Bestimmung des § 145 Abs. 2 Z 1 lit. a K-DRG, um durch Anrechnung von "Vordienstzeiten" die Zeit des Vertragsbedienstetenverhältnisses vorrückungswirksam zu gestalten. Schließlich spricht § 145 Abs. 3 zweiter Satz K-DRG auch im Zusammenhang mit Vertragsbedienstetenverhältnissen von einem "unmittelbar vorangegangen Landesdienstverhältnis", was gleichfalls der Annahme entgegensteht, ein solches Vertragsbedienstetenverhältnis bilde mit dem folgenden Beamtendienstverhältnis eine Einheit.

43 Entgegen der in den Revisionen vertretenen Auffassung steht auch der Gebrauch der Wendung "Übernahme des Vertragsbediensteten in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis" durch den Gesetzgeber (etwa in § 67 Abs. 1 lit. c K-GVBG) der hier vertretenen Auslegung nicht entgegen, ist diese Wendung doch insoweit neutral, als weder von einer Fortsetzung des Vertragsbedienstetenverhältnisses als öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis noch - ausdrücklich - von einer Neubegründung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses die Rede ist. Dass es sich aber bei der Ernennung eines Vertragsbediensteten zum Beamten um eine solche Neubegründung handelt, ergibt sich aus den in Rz 39 - 42 dargelegten Erwägungen.

44 Die im K-GVBG und im K-GBG enthaltenen Sonderbestimmungen betreffend die Rechtsfolgen einer Ernennung von Vertragsbediensteten in ein öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis durch welche diese Personen in bestimmten Aspekten eine Sonderstellung erlangen (Entfall der Abfertigung, Anrechnung von Vordienstzeiten, Erhalt des Anspruches auf Erholungsurlaub) erweisen sich eben gerade deshalb als erforderlich, weil es sich beim Vertragsbedienstetenverhältnis und bei dem daran anschließenden öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis von der Begrifflichkeit her nicht um ein und dasselbe Dienstverhältnis handelt.

45 Zu einem entsprechenden Auslegungsergebnis gelangte der Verwaltungsgerichtshof auch für burgenländische Landesbedienstete in seinem Erkenntnis vom 30. Mai 2006, 2004/12/0210, wo es heißt:

"... Dem ist entgegenzuhalten, dass die dem im Ergebnis zugrunde liegende Auffassung, das Dienstverhältnis als Vertragsbediensteter und als öffentlich-rechtlicher Bediensteter sei als eine Einheit anzusehen, so dass es für die Vollanrechnung privater Vortätigkeiten nach § 10 Abs. 9 Satz 1 LBBG 2001 genüge, wenn deren besondere Bedeutung für den Erfolg einer Tätigkeit als Vertragsbediensteter gegeben sei, im Gesetz keine Stütze findet. ..."

46 Soweit sich die Revisionswerberinnen schließlich auf den in § 126 Abs. 2 K-GMG verwendeten Begriff der (als Folge der Option eines Beamten in das genannte Gesetz eintretenden) "Überleitung" beruft, genügt es darauf zu verweisen, dass die zitierte Norm eben nicht die hier in Rede stehende Ernennung eines Vertragsbediensteten in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis regelt, weshalb aus ihrer Auslegung für die hier maßgebliche Rechtsfrage nichts zu gewinnen ist.

47 Aus all diesen Erwägungen waren die Revisionen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

48 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 53 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013.

Wien, am 27. Juni 2017

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