VwGH Ra 2015/15/0069

VwGHRa 2015/15/006927.4.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Revision des Ing. H D in M, vertreten durch die ECA Schmidt und Hertwich Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. in 5280 Braunau am Inn, Bahnhofstraße 2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 27. Juli 2015, Zl. RV/5101232/2014, betreffend Einkommensteuer 2012 und 2013, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §16 Abs1 Z10;
EStG 1988 §4 Abs4 Z7;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber absolvierte in den Jahren 2007 bis 2009 eine Umschulung zum Berufspiloten und bewarb sich in den Jahren 2010 bis 2013 bei insgesamt elf Fluggesellschaften als Pilot. Bei vier Fluggesellschaften wurde er zu "assessments" eingeladen. Eine Gesellschaft sagte ab, bei einer Gesellschaft bestand er die erste Stufe des "assessments" und bei einer weiteren die ersten drei Stufen. Eine Anstellung erfolgte - trotz der Zusage einer Gesellschaft, dass er die nächste freie Stelle erhalten werde - bis Juli 2015 nicht. In den Jahren 2012 und 2013 machte der Revisionswerber neben den Aufwendungen für den Erhalt der Berufspilotenlizenz und den Bewerbungskosten noch Aufwendungen für "Typeratings" geltend, die ihn zum Fliegen bestimmter Flugzeugtypen berechtigten. Die angeführten Aufwendungen haben im Jahr 2012 22.152,97 EUR und im Jahr 2013 5.091,28 EUR betragen.

2 Vom Finanzamt wurden die in den Jahren 2012 und 2013 angefallenen Aufwendungen bei der Einkommensteuerveranlagung dieser Jahre nicht als Umschulungskosten anerkannt, weil sich trotz der zahlreichen erfolglosen Bewerbungen die Frage stelle, inwieweit jemals ein Steuersubstrat vorliegen werde, das die Absetzung der Kosten für die Lizenzerhaltung und Ausweitung der Berechtigungen rechtfertige. Als Indiz für eine Beschäftigung werde derzeit nur die mündliche Zusage einer Fluggesellschaft für die nächste freie Stelle angeführt. Der Aufwand werde daher vorerst nicht berücksichtigt, könne aber im Zuge einer Erledigung gemäß § 295a BAO ab einer Beschäftigung rückwirkend erfolgen.

3 Der Revisionswerber berief gegen den Einkommensteuerbescheid 2012 und brachte gegen den Einkommensteuerbescheid 2013 Beschwerde ein. In den (nunmehrigen) Beschwerden brachte er u.a. vor, er sei Vater zweier schulpflichtiger Kinder und verfüge über kein Vermögen, von dem er und seine Familie leben könnten. In der bisherigen beruflichen Tätigkeit habe er nicht dauerhaft Fuß fassen können, weshalb die Umschulungsmaßnahmen selbstverständlich darauf abzielten, die Tätigkeit als Berufspilot auch tatsächlich auszuüben. Die dafür geltend gemachten Kosten dienten auch nicht der Befriedigung privater Interessen, weil "Typeratings" für eine "Cessna Citation C525 Business Jet" und eine "Boeing 737-300/400" nicht hobbymäßig verwertet werden könnten. Speziell das "Typerating" für den "Cessna Citation C525 Business Jet" sei eine sinnvolle Qualifizierungsmaßnahme, weil viele Bedarffluggesellschaften, darunter auch jene, die ihm eine Anstellung zugesagt habe, diesen Flugzeugtyp in ihrer Flotte hätten.

4 Das Finanzamt wies die Beschwerden mittels Beschwerdevorentscheidung ab, woraufhin der Revisionswerber deren Vorlage an das Bundesfinanzgericht beantragte.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht den Beschwerden keine Folge und begründete die abweisende Erledigung im Wesentlichen damit, dass der Revisionswerber ab 2010 erfolglos versucht habe, eine Anstellung als Berufspilot zu erlangen. Es sei daher davon auszugehen, dass er seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt seiner Familie auch in Zukunft nicht mit einer Tätigkeit als Berufspilot bestreiten werde. Die beschwerdegegenständlichen Kosten würden demnach "nicht zur Sicherung des künftigen Lebensunterhaltes des Steuerpflichtigen beitragen und i.d.F. Kosten der Lebensführung darstellen". Dass zum Fliegen von Privatflugzeugen keine Berufspilotenausbildung erforderlich sei, stehe dem nicht entgegen, "da ein spezielles Interesse an der Berufspilotenausbildung i.V.m. dem Führen nur von diesen zu bedienenden Flugzeugen durchaus Motiv für diese Ausbildung sein kann". Auch die Sorgepflicht für zwei Kinder und das Fehlen von Vermögen führten zu keinem anderen Ergebnis, weil der Revisionswerber Einkünfte aus selbständiger Arbeit beziehe und seine Frau als Lehrerin erwerbstätig sei.

6 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, zu deren Zulässigkeit dargelegt wird, das Bundesfinanzgericht habe die Rechtslage zur Abzugsfähigkeit von Umschulungskosten verkannt, indem die Ernsthaftigkeit der Bemühungen um eine tatsächliche Ausübung des neuen Berufes ohne erkennbaren Grund in Frage gestellt und eine Nähe zur privaten Lebensführung behauptet worden sei, die schon der Natur der geltend gemachten Kosten evident widerspreche.

7 Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

 

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9 Die Revision ist zulässig und begründet.

10 Gemäß § 16 Abs. 1 Z 10 erster Satz EStG 1988 und § 4 Abs. 4 Z 7 erster Satz EStG 1988 in der ab der Veranlagung 2003 geltenden Fassung des AbgÄG 2004 (BGBl. I Nr. 180/2004) sind Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben auch Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit und Aufwendungen für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen.

11 Dass Aufwendungen zum Erwerb der Berufspilotenlizenz zu Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben führen, wenn sie im Rahmen einer erwerbsorientierten Umschulung anfallen, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen (vgl. VwGH vom 28. Februar 2012, 2009/15/0105).

12 Für eine erwerbsorientierte Umschulung spricht es, wenn der Steuerpflichtige seine bisherige Tätigkeit aufgibt oder wesentlich einschränkt. Dass die steuerliche Berücksichtigung von Umschulungskosten auf diesen Fall beschränkt wäre, ergibt sich aber weder aus dem Wortlaut der Bestimmung noch führt eine am Zweck der Bestimmung orientierte Auslegung zu diesem Verständnis (vgl. wiederum VwGH vom 28. Februar 2012, 2009/15/0105).

13 Im Erkenntnis vom 25. Oktober 2011, 2011/15/0047, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass steuerlich zu berücksichtigende Umschulungskosten solche Aufwendungen sind, die zur Sicherung des künftigen Lebensunterhaltes des Steuerpflichtigen beitragen sollen und daher künftiges Steuersubstrat darstellen.

14 Ob der Wille des Steuerpflichtigen darauf gerichtet ist, sich eine neue Einkunftsquelle durch die Ausübung eines anderen Berufes zu verschaffen, ist im Einzelfall an Hand objektiver Kriterien nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen (vgl. VwGH vom 15. September 2011, 2008/15/0321).

15 Im Erkenntnis vom 23. Mai 2013, 2011/15/0159, hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht erkannt, dass die steuerliche Abzugsfähigkeit einer mit der konkreten Absicht auf künftige Einnahmenerzielung betriebenen Umschulungsmaßnahme nicht davon abhängt, ob es dem Steuerpflichtigen nach Abschluss der Umschulung tatsächlich gelingt, im angestrebten Beruf Fuß zu fassen, verschafft doch grundsätzlich keine Ausbildung eine Garantie, nach ihrem Abschluss in einem vorher festgelegten Bereich beruflich tätig sein zu können.

16 Entgegen der im angefochtenen Erkenntnis zum Ausdruck gebrachten Auffassung des Bundesfinanzgerichts kann es dem Revisionswerber daher nicht zum Nachteil gereichen, wenn er neben der Umschulung zum Berufspiloten und den daran anschließenden Versuchen, eine Stelle als Berufspilot zu erlangen, einer anderweitigen Tätigkeit nachgegangen ist. Auch der Umstand, dass es dem Revisionswerber trotz zahlreicher Bewerbungen - und dem Erwerb von zusätzlichen Qualifikationen ("Typeratings") - nicht gelungen ist, im angestrebten Beruf Fuß zu fassen, steht einer Anerkennung der hier in Rede stehenden Aufwendungen als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben nicht entgegen (vgl. dazu auch Doralt in Doralt et al, EStG13, § 16 Tz 203/4/2).

17 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

18 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet in §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das Mehrbegehren findet in diesen Bestimmungen keine Deckung.

Wien, am 27. April 2017

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