VwGH Ro 2015/15/0017

VwGHRo 2015/15/00171.6.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Revision des Mag. G P in F, vertreten durch die Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Karmeliterplatz 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 26. März 2015, Zl. RV/2100203/2013, betreffend Feststellung von Einkünften für 2006 und 2007, den Beschluss gefasst:

Normen

BAO §21 Abs1;
BAO §22 Abs1;
EStG 1988 §2 Abs5;
EStG 1988 §23 Z2;
UmgrStG 1991 Art4;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Im Rahmen einer Außenprüfung bei der X GmbH und atypisch Still hat das Finanzamt folgende Feststellungen getroffen: Die X GmbH führe einen Betrieb, der die Entwicklung und den Vertrieb von Projektführungssoftware zum Gegenstand habe. Zu den Stichtagen 31. März und 31. Dezember 2006 habe sich nach den Zusammenschlussverträgen vom 27. Dezember 2006 und 28. September 2007 die X GmbH u.a. mit dem Revisionswerber gemäß Art. IV UmgrStG in Form einer atypisch stillen Gesellschaft (Anteile: X GmbH: 90,88% und Revisionswerber: 5,32%) zusammengeschlossen.

2 Ein neu eingetretener atypisch stiller Gesellschafter würde an den ab dem Zusammenschlussstichtag entstandenen Gewinnen bzw. Verlusten entsprechend der gesellschaftsvertraglich festgelegten Beteiligungsquote am Vermögen der Unternehmerin beteiligt werden. Ergänzend sei im Zusammenschlussvertrag vereinbart worden, dass ein neu eintretender atypisch stiller Beteiligter im Jahr seines Beitritts einen über seine Beteiligungsquote hinaus gehenden Verlust bis zur Höhe von 190% seiner stillen Einlage zu übernehmen habe. Als wirtschaftlicher Grund für diese Vereinbarung sei in der Vorhaltsbeantwortung vom 21. Mai 2010 ausgeführt worden, dass die "Beteiligungsnehmerin" (X GmbH als Inhaberin des Unternehmens) in den letzten Geschäftsjahren zur Sicherstellung der Finanzierungsbasis und des operativen Geschäftsbetriebes erhöhte Aufwendungen, insbesondere in Forschung und Entwicklung, tätigen habe müssen. Diese in der Vergangenheit durch die Geschäftsherrin erbrachten Vorleistungen würden durch eine überproportionale Übernahme von Verlusten durch den neu eintretenden stillen Beteiligten abgegolten werden.

3 Da die Beteiligung der atypisch stillen Gesellschafter jeweils rückwirkend unter Anwendung des Art. IV UmgrStG erfolgt sei, sei davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der Vertragsunterfertigung der überproportional zur Beteiligungsquote zu übernehmende Verlust von 190% der Einlage bereits festgestanden bzw. bereits im Wesentlichen abschätzbar gewesen sei. Die unternehmensrechtlich getroffene Gewinn- bzw. Verlustverteilung sei auch für steuerliche Belange anzuerkennen, wenn sie dem unterschiedlichen Kapital-, Arbeits- und etwaigen Haftungsrisiko der Gesellschafter Rechnung trage oder Gegenstand der Vorsorge gegen Steuerlastverschiebungen bei einem Zusammenschluss nach Art. IV UmgrStG sei. Wenn diese Vereinbarung aber in einem offenbaren Missverhältnis zur Beteiligung und Mitarbeit der einzelnen Gesellschafter stehe, sei sie mit steuerlicher Wirkung zu korrigieren.

4 Wirtschaftlicher Gehalt der vorliegenden Verlustaufteilungsvereinbarung sei, dass durch die überproportionale Verlustzuweisung an die neu eintretenden atypisch stillen Gesellschafter die durch Entwicklungsaufwendungen bereits in Vorjahren entstandenen Aufwendungen bzw. Verluste des Unternehmers bzw. der Mitunternehmerschaft von den jeweils neu eintretenden atypisch stillen Gesellschaftern übernommen werden würden. Diese Übernahme von Aufwendungen aus Zeiträumen, in denen der neu beigetretene atypisch stille Gesellschafter gar nicht beteiligt gewesen sei, bedeute aber nichts anderes als eine rückwirkende Beteiligung an Verlusten des Unternehmers. Eine Teilnahme eines neu beigetretenen Gesellschafters an Gewinnen/Verlusten, die vor seinem Beitritt entstanden seien, sei steuerlich nicht zulässig. Die bisher vorgenommene Verlustaufteilung sei daher mit steuerlicher Wirkung in der Weise zu korrigieren, dass den jeweils neu beigetretenen atypisch stillen Gesellschaftern jeweils nur die ihrer Beteiligungsquote entsprechenden Verluste in den einzelnen Jahren zuzurechnen seien.

5 Gegen die auf dieser Basis (Verlustzuweisung nach Beteiligungsquoten) geänderten Gewinnfeststellungsbescheide erhob der Revisionswerber das Rechtsmittel der Berufung (nunmehr Beschwerde). Begründend führte er im Beschwerdeverfahren aus, den atypisch stillen Gesellschaftern seien weder Aufwendungen bzw. Verluste aus Perioden vor dem jeweiligen Zusammenschlussstichtag zugewiesen worden, noch sei die Ergebnisverteilung willkürlich erfolgt. Die Verbesserung des Bilanzbildes der X GmbH gepaart mit den aus der Sicht der X GmbH reduzierten Kapitalkosten aufgrund der geschaffenen Entnahmebeschränkung rechtfertigten die alineare Ergebnisverteilung und würden das Vorliegen wesentlicher sachlicher und außersteuerlicher Gründe beweisen.

6 Die aus der überproportionalen Verlusttragung durch die stillen Gesellschafter resultierende Entnahmebeschränkung sei äußerst effizient gewesen und auf die Bedürfnisse eines in der Start-Up-Phase befindlichen High-Tech-Unternehmens zugeschnitten:

Die Risikokapitalgeber hätten dadurch solange überhaupt keinen Anspruch auf eine Vergütung bzw. Verzinsung des von ihnen eingesetzten Kapitals, als sich das Unternehmen in der Verlustphase (Entwicklungsphase) befunden habe. Dadurch seien dem Unternehmen in dieser Zeit keine Kapitalkosten für das überlassene Risikokapital entstanden, sodass daraus weder die Liquidität noch das Ergebnis belastet worden seien. Erst nach Überwindung der Entwicklungsphase sei mit Vergütungsansprüchen der stillen Gesellschafter in Form von Gewinnanteilen zu rechnen. Diese hätten jedoch erst nach Auffüllen des Verlustverrechnungskontos zu Liquiditätsabflüssen bei der Geschäftsherrin führen können. Die mit dieser Regelung verbundene Minimierung der Kapitalkosten für das stille Beteiligungskapital und der positive Liquiditätseffekt jeweils in der Anlaufphase seien den Bedürfnissen eines forschungsintensiven High-Tech-Unternehmens in der Start-Up-Phase ideal entgegen gekommen.

7 Es seien keine Verluste verteilt worden, die vor dem Zusammenschlussstichtag entstanden seien. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der wirtschaftliche Beweggrund für die alineare Verteilung der laufenden Verluste zum Teil darin gelegen sei, dass die Geschäftsherrin - ein forschungsintensives High-Tech-Unternehmen - verlusttragendes Risikokapital benötigt habe, weil sie in Zeiträumen vor den Zusammenschlüssen selbst hohe Verluste, insbesondere aus Aufwendungen für Forschung und Entwicklung zu tragen gehabt habe. Diese hohen Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen der Geschäftsherrin hätten einerseits zu einem entsprechend hohen Finanzierungsbedarf geführt. Da aber derartige Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen gemäß § 197 UGB nicht aktiviert werden dürften, habe der Betrieb der Geschäftsherrin zudem hohe Bilanzverluste und eine entsprechend niedrige Eigenkapitalbasis ausgewiesen. Da auch für die Zukunft weitere Verluste aus der Fortsetzung der Entwicklungstätigkeit zu erwarten gewesen seien, sei es für die Geschäftsherrin von besonderer Bedeutung gewesen, Risikokapital zu akquirieren, das einen überproportionalen Anteil an den zukünftigen Verlusten tragen würde. Erst durch eine überproportionale Verlusttragung durch die neu beitretenden Stillen sei es ermöglicht worden, auch die Eigenkapitalbasis und damit das Bilanzbild des zusammenschlussgegenständlichen Betriebes entscheidend zu verbessern.

8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde ab. Begründend führte es u. a. aus, die Argumentation, dass in den Jahren vor den Zusammenschlussstichtagen erhöhte Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen angefallen seien, die von der X GmbH allein zu tragen gewesen wären, überzeuge nicht, weil dieser Umstand kein zulässiges Kriterium für eine vom Beteiligungsverhältnis abweichende Verlust- bzw. Gewinnverteilung darstelle. Überdies sei wohl davon auszugehen, dass sich dieser Umstand bereits in der Ausmessung der für die Ergebnisverteilung maßgeblichen Beteiligungsquote der X GmbH niedergeschlagen habe. Der vom Revisionswerber zur Erreichung des Gesellschaftszweckes durch bloße Zahlung der vereinbarten Einlage geleistete Beitrag rechtfertige die über sein Beteiligungsverhältnis von 5,32% hinausgehende Verlustzuteilung in Höhe von 190% der Einlage in den Streitjahren nicht.

9 Die Revision ließ das Bundesfinanzgericht zu, weil "für die strittige Rechtsfrage der steuerlichen Anerkennung einer alinearen Verlustzuweisung an atypisch stille Gesellschafter im Zuge eines Zusammenschlusses nach Art. IV UmgrStG eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes" fehle.

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

13 Die Revision ist nicht zulässig.

14 Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, kann bei nicht durch Nahebeziehung verbundenen Vertragspartnern üblicherweise davon ausgegangen werden, dass eine Vereinbarung über die Gewinnverteilung einer Mitunternehmerschaft dem Beitrag der Gesellschafter zur Erreichung des Gesellschaftszweckes entspricht (VwGH vom 26. April 2006, 2001/14/0196; und vom 24. September 1996, 93/13/0022).

15 Der Revisionswerber rechtfertigte die alineare Verlustzuweisung im Abgabenverfahren insbesondere damit, dass die Inhaberin des Unternehmens X GmbH in den letzten Geschäftsjahren zur Sicherstellung der Finanzierungsbasis und des operativen Geschäftsbetriebes erhöhte Aufwendungen, insbesondere in Forschung und Entwicklung, habe tätigen müssen. Diese in der Vergangenheit durch die Inhaberin des Unternehmens erbrachten Vorleistungen würden durch eine überproportionale Übernahme von Verlusten durch den neu eintretenden stillen Gesellschafter abgegolten werden.

16 Auch in der Revision räumt der Revisionswerber ein, dass "die wirtschaftliche Rechtfertigung für die alineare Verteilung laufender Verluste im Anlassfall zum Teil auf Entwicklungen in der Vergangenheit (in Form der für das Geschäftsmodell eines forschungsintensiven High-Tech-Unternehmens typischen Verlustsituation und des damit verbundenen Kapitalbedarfs) zurückgeht". Dies könne nach Ansicht des Revisionswerbers "aus steuerlicher Sicht jedoch nicht dazu führen, dass die Verteilung laufender Verluste in eine Verteilung von Verlusten aus Vorperioden umqualifiziert werde".

17 Die Darstellung des Revisionswerbers zeigt jedoch - wie im Übrigen schon das Finanzamt zutreffend festgestellt hat -, dass der Revisionswerber über eine Teilnahme am Verlust des laufenden Wirtschaftsjahres ab dem Zusammenschlussstichtag hinaus in wirtschaftlicher Betrachtung an Vorperiodenverlusten der X GmbH teilnehmen wollte.

18 Eine solche rückwirkende Ergebnisverteilung im Wege zivilrechtlicher Vereinbarungen ist im Ertragssteuerrecht aber nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich unzulässig und hat daher für steuerliche Zwecke - auch bei Gewinnverteilungsvereinbarungen unter nicht durch Nahebeziehung verbundenen Vertragspartnern - unberücksichtigt zu bleiben (vgl. zB VwGH vom 20. Jänner 2016, 2012/13/0013, vom 25. Mai 2016, 2013/15/0276, oder vom 27. September 2000, 97/14/0047).

19 Dem Bundesfinanzgericht kann daher im Ergebnis nicht entgegengetreten werden, wenn es der alinearen Verlustzuweisung an den Revisionswerber vor dem Hintergrund der getroffenen Sachverhaltsfeststellungen die steuerliche Anerkennung versagte.

20 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 1. Juni 2017

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