VwGH Ra 2015/05/0035

VwGHRa 2015/05/003524.1.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Lorenz, über die Revision der Marktgemeinde L, vertreten durch Onz, Onz, Kraemmer, Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26. März 2015, Zl. W225 2009944- 1/7E, betreffend Feststellung gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde:

Niederösterreichische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: T G in L, vertreten durch Allinger Ludwiger Rechtsanwälte GesbR in 2700 Wiener Neustadt, Herrengasse 25), zu Recht erkannt:

Normen

MRK Art6 Abs1;
UVPG 2000 §1;
UVPG 2000 §3 Abs4;
UVPG 2000 §3 Abs7;
UVPG 2000 §3a Abs6;
UVPG 2000 §3a;
UVPG 2000 Anh1 Z43;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
VwGVG 2014 §24;
MRK Art6 Abs1;
UVPG 2000 §1;
UVPG 2000 §3 Abs4;
UVPG 2000 §3 Abs7;
UVPG 2000 §3a Abs6;
UVPG 2000 §3a;
UVPG 2000 Anh1 Z43;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
VwGVG 2014 §24;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Eingabe vom 30. April 2014 beantragte der Mitbeteiligte die Feststellung der Umweltverträglichkeitsprüfungspflicht (UVP-Pflicht) für den Neubau eines Schweinemaststalles für 1.200 Stück auf dem Grundstück Nr. 3735, KG L, laut beigelegten Projektunterlagen des Planungsbüros M.

2 Im Akt befindet sich ein Aktenvermerk der Einreichbehörde vom 6. Mai 2014, wonach eine telefonische Rückfrage beim Planungsbüro M ergeben habe, dass der Einreicher derzeit über 540 Mastplätze im Ortsgebiet verfüge und diese nach dem Neubau Zug um Zug aufgelassen werden sollten.

3 In der Folge gab Dipl.-Ing. S als Amtssachverständiger für Agrartechnik ein Gutachten vom 14. Mai 2014 ab. Nach einer näheren Beschreibung des Vorhabens hielt der Amtssachverständige im Wesentlichen fest, dass das Objekt auf einer als Grünland-Land- und Fortwirtschaft gewidmeten Fläche unmittelbar neben einer Biogasanlage liege. Das nächste Wohnobjekt sei in südlicher Richtung in einer Entfernung von ca. 800 m beim Hhof. Dort befinde sich auch ein Pferdestall für 20 Pferde und würden weiters Schweine, Schafe und Ziegen gehalten. Südwestlich des Projektes befinde sich eine Tierhaltungsanlage des M, umfassend 1.670 Ferkel- und 1.962 Mastschweineplätze. Ca. 2000 m in südöstlicher Richtung liege das Gut S, wo Junghennenaufzucht mit ca. 100.000 Plätzen betrieben werde. Das nächste Siedlungsgebiet sei ca. 1.400 m entfernt, annähernd in westlicher Richtung. Der nächste Wald befinde sich im Westen in einer Entfernung von ca. 170 m. Das Vorhaben liege in keinem Schutzgebiet.

4 In der Folge beschrieb der Amtssachverständige bezüglich Geruchsimmissionen zwei Ausbreitungs- oder Screeningmodelle. Nach dem ersten Modell werde der Hhof nur irrelevant (weniger als 2 % Jahresgeruchsstunden) mit Geruchsimmissionen beaufschlagt. Das Siedlungsgebiet werde gar nicht erreicht. Die auffällige Einbuchtung der Isolinien im Bereich des Hhofes ergebe sich nachvollziehbar aus der geringen Windhäufigkeit aus Norden. Mit den Geruchsemissionen der Schweinemastanlage M kumuliere das Projekt in relevantem Ausmaß nur im Bereich nicht bebauten Ackerlandes.

5 Beim zweiten Modell würden die Quellen als Flächenquellen modelliert, "beim Projekt, der Biogasanlage, der Güllegrube und den Stallungen des Hhofes dem Wesen der Anlage entsprechend bzw. da sie über freie Lüftung verfügen, beim Stall M bzw. beim Fondsgut S, da über eine Vielzahl von Einzelkaminen entlüftet werde". Erstere seien als bodennahe Quellen berechnet worden, letztere mit entsprechender Quellhöhe. Aus der Berechnung ergebe sich, dass die Zusatzbelastung für Geruch im Bereich des Siedlungsgebietes unter 2 % der Jahresgeruchsstunden liege, im Bereich des Wohnobjektes beim Hhof unter 4 %. Die Gesamtbelastung aus den Tierhaltungsbetrieben sowie der Biogasanlage liege im Siedlungsgebiet unter 5 % Jahresgeruchsstunden, beim Hhof im Bereich des Wohnhauses bei 26 %. Ersichtlich sei, dass dieser Wert zu einem erheblichen Anteil der eigenen Tierhaltung "geschuldet" sei, nehme doch die Geruchshäufigkeit von den Stallungen M und der des Mitbeteiligten ausgehend in Richtung Hhof kontinuierlich ab, beim Hhof aber wieder zu.

6 Zur Abschätzung der Erheblichkeit verwies der Gutachter auf die Geruchsimmissions-Richtlinie, BRD (GIRL), weiters auf den Leitfaden "Medizinische Fakten zur Beurteilung von Geruchsimmissionen", erstellt von "Ärztinnen und Ärzten für eine gesunde Umwelt" im Auftrag der Umweltanwaltschaft des Landes Steiermark.

7 Insgesamt ergebe sich aus den Berechnungen, dass nach dem ersten Modell eine relevante Kumulierung von Geruchsimmissionen im Bereich des Siedlungsgebietes oder beim Hhof gar nicht eintrete. Die Zusatzbelastung bleibe dort unter 2 %. Nach der zweiten Methode bleibe die Zusatzbelastung mit weniger als 4 % bzw. 3 % unter Einbeziehung der Gewichtsfaktoren deutlich unter den 5 %, die sich aus der GIRL für Tierhaltungsanlagen als irrelevante Zusatzbelastung ableiteten.

8 Des Weiteren legte der Gutachter dar, dass bezüglich Ammoniak laut "TA-Luft" Anhaltspunkte für das Vorliegen erheblicher Nachteile dann nicht gegeben seien, wenn die Gesamtbelastung an Ammoniak an keinem Beurteilungspunkt 10 µg/m3 überschreite und die Zusatzbelastung 3 µg/m3 nicht überschreite. Die Ammoniakgesamtbelastung aus den betrachteten Anlagen für die dem Projekt nächstliegenden Waldflächen betrage nach Realisierung des Vorhabens maximal ca. 4 µg/m3. Eine wesentliche Grundbelastung sei nicht anzunehmen. Unter diesem Aspekt sei auch eine Überschreitung der Gesamtbelastung von 10 µg/m3 nicht zu erwarten.

9 Schließlich legte der Gutachter dar, hinsichtlich Nitrats gebe es zahlreiche Maßnahmen, die die Ausbringung von stickstoffhältigen Düngemitteln regelten und damit zum Ziel hätten, eine Beeinträchtigung von Gewässern hintanzuhalten. Diese seien einerseits rechtlicher Natur, z.B. § 32 Wasserrechtsgesetz oder "Aktionsprogramm Nitrat", andererseits werde die Zuerkennung von landwirtschaftlichen Förderungen von der Einhaltung bestimmter Rahmenbedingungen abhängig gemacht. Diesbezüglich erfolgten auch Kontrollen, Verstöße hätten empfindliche Kürzungen der Zahlungen zur Folge. Es sei daher davon auszugehen, dass schon in diesem Rahmen sichergestellt sei, dass der anfallende Wirtschaftsdünger mit den zur Verwendung dieser Nährstoffe zur Verfügung stehenden Flächen (selbst bewirtschafte Flächen oder über Abnahmeverträge) im Einklang stehe und darüber auch Kontrollen stattfänden. Nach dem Wasserrechtsgesetz sei eine ordnungsgemäße land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung gegeben, wenn sie unter Einhaltung der bezüglichen Rechtsvorschriften, insbesondere betreffend Chemikalien, Pflanzenschutz- und Düngemittel, Klärschlamm, Bodenschutz und Waldbehandlung, sowie besonderer wasserrechtlicher Anordnungen erfolge. Unter diesen Umständen seien Einwirkungen nur als geringfügig und nicht als Beeinträchtigung anzusehen. Von einem gesetzeskonformen Verhalten des Projektwerbers sei jedenfalls auszugehen.

10 Im Rahmen des dazu gewährten Parteiengehörs gab die revisionswerbende Standortgemeinde eine (negative) Stellungnahme vom 2. Juni 2014 ab.

11 Mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 5. Juni 2014 wurde festgestellt, dass das Vorhaben des Mitbeteiligten, das den Neubau eines Schweinemaststalles mit einer Gesamtkapazität von 1.200 Mastplätzen auf dem Grundstück Nr. 3735, KG L, unter gleichzeitiger Auflassung der bestehenden Tierhaltung im Ortsgebiet (540 Mastplätze) vorsehe, keinen Tatbestand im Sinn des Anhanges 1 zum UVP-G 2000 erfülle und daher nicht der Verpflichtung zur Durchführung einer UVP nach dem UVP-G 2000 unterliege. Als Rechtsgrundlagen wurden § 3 Abs. 7 in Verbindung mit § 3a und Anhang 1 Z 43 UVP-G 2000 angeführt.

12 Begründend wurde nach Wiedergabe des Verfahrensganges und von Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, das Vorhaben selbst erfülle den Schwellenwert der Z 43 lit. a (Spalte 2) des Anhanges 1 zum UVP-G 2000 nicht. Es liege in keinem schutzwürdigen Gebiet der Kategorie C oder E, weshalb der Tatbestand der Z 43 lit. b (Spalte 3) nicht zu prüfen sei. Für das geplante Vorhaben sei daher gemäß § 3a UVP-G 2000 zu prüfen, ob einer der Änderungstatbestände verwirklicht werde. Der Schwellenwert des Anhanges 1 Z 43 lit. a (Spalte 2) UVP-G 2000 von

1.400 Mastschweineplätzen werde auch nach der Änderung/Erweiterung nicht erreicht. Es sei daher zu prüfen, ob das Vorhaben mit anderen in einem räumlichen Zusammenhang stehe und mit diesen gemeinsam den Schwellenwert der Z 43 lit. a erreiche. Dies sei gemeinsam mit bestehenden Tierhaltungen in der näheren Umgebung gegeben, weshalb ein agrartechnisches Gutachten eingeholt worden sei (dieses wird in der Begründung in der Folge vollständig wiedergegeben). Gemeinsam mit den emittierenden Betrieben in der Gemeinde werde der Schwellenwert überschritten, daher sei eine Einzelfallprüfung durchgeführt worden, ob es durch die verschiedenen Eingriffe zur Überlagerung der Wirkungsebenen im Sinne kumulativer und additiver Effekte kommen könne und wie diese Auswirkungen auf die Umwelt durch die Kumulierung zu bewerten seien. Umweltbelastungen, die nur auf das eingereichte Vorhaben allein zurückzuführen seien, seien dagegen nicht relevant. Auch dass Kumulationen nicht auszuschließen seien, sei nicht entscheidend. Es komme vielmehr darauf an, ob es auf Grund der Kumulationen zu erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen kommen könne. Die Einzelfallprüfung habe den Zweck, unter Berücksichtigung der konkreten Situation eine Grobbeurteilung eines Vorhabens vorzunehmen. Eine konkrete Beurteilung der Auswirkungen eines Vorhabens in allen Einzelheiten bleibe den hiefür vorgesehenen Bewilligungsverfahren vorbehalten. Die Feststellung der Auswirkungen baue auf Prognosen und Erwartungen auf. Zur Beurteilung müsse auch auf das allgemeine menschliche Erfahrungsgut zurückgegriffen werden. Durch das geplante Vorhaben werde es zu keiner zusätzlichen Geruchsbelastung im Siedlungsgebiet der Marktgemeinde L kommen. Auf Grund der gleichzeitigen Auflassung des dort bestehenden Betriebes sei hier sogar eine Erleichterung zu erwarten. Die zusätzliche Geruchsbelastung beim Hhof erreiche nur ein irrelevantes Ausmaß. Bei dieser zusätzlichen Geruchsbelastung sei daher davon auszugehen, dass das Vorhaben die belästigende Wirkung der vorhandenen Belastung nicht relevant erhöhe, sodass nicht mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf Grund einer Kumulation auf die Umwelt zu rechnen sei. Der Hinweis der Revisionswerberin auf bestehende Belastungen werde im nachfolgenden Bewilligungsverfahren zu beachten sein. Hier werde dann der Immissionsschutz für die Nachbarschaft eine Rolle spielen und gegebenenfalls auch ein medizinisches Gutachten einzuholen sein. Im Hinblick auf die für den Grundwasserschutz maßgebliche Gülleausbringung werde die Beeinträchtigung von Gewässern einerseits durch rechtliche Bestimmungen hintangehalten, an die der Antragsteller gebunden sei. Es könne ihm kein rechtswidriges Verhalten unterstellt werden. Zum anderen hingen landwirtschaftliche Förderungen von der Einhaltung bestimmter Rahmenbedingungen ab, die bei Nichteinhaltung zu Kürzungen führten. Damit sei schon in diesem Rahmen sichergestellt, dass der anfallende Wirtschaftsdünger mit den zur Verwendung dieser Nährstoffe zur Verfügung stehenden Flächen im Einklang stehe und darüber auch Kontrollen stattfänden. Nach dem Wasserrechtsgesetz sei eine ordnungsgemäße land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung gegeben, wenn sie unter Einhaltung der bezüglichen Rechtsvorschriften, insbesondere betreffend Chemikalien, Pflanzenschutz- und Düngemittel, Klärschlamm, Bodenschutz und Waldbehandlung sowie besondere wasserrechtliche Anordnungen erfolge. Unter diesen Umständen seien Einwirkungen nur als geringfügig und nicht als Beeinträchtigung anzusehen. Von einem gesetzeskonformen Verhalten des Projektwerbers sei auszugehen. Aus diesem Grund werde auf die Grundwassersituation nicht zusätzlich eingegangen. Die sachverständige Grobprüfung habe ergeben, dass im Siedlungsgebiet keine Kumulierung der Emissionen mit denen anderer Stallungen zu erwarten sei. Daraus folge, dass keine UVP durchzuführen sei.

13 Gegen diesen Bescheid erhob die Revisionswerberin Beschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Festlegung, dass 540 Mastplätze im Ortsgebiet aufgelassen werden sollten, finde sich nicht in den Einreichunterlagen. Bei der Erheblichkeitsprüfung sei nicht auf das sogenannte Schwellenwertkonzept abzustellen. Es wären vielmehr die Kriterien des § 3 Abs. 4 Z 1 bis 3 UVP-G 2000 zu berücksichtigen gewesen, insbesondere betreffend den Standort des Vorhabens. In unmittelbarer Nähe befänden sich bedeutsame Schutzgebiete. Beachtet worden sei ferner nicht, dass der nach der Behörde aufzulassende Bestand vom gegenständlichen Vorhaben rund 2,5 km Luftlinie entfernt liege. Der fehlende räumliche Zusammenhang mache die Einbeziehung der Stilllegung in das Vorhaben unmöglich. Unklar sei, ob der Sachverständige die Saldierung nachvollzogen habe oder seinerseits von einer Neuerrichtung ausgegangen sei. Der Sachverständige gehe im Übrigen davon aus, dass die bestehende, extrem hohe Gesamtbelastung (26 % Jahresgeruchsstunden) ohne weiteres (jedenfalls geringfügig) überschritten werden dürfe. 25 % Jahresgeruchsstunden stellten die absolute fachliche Grenze der Zulässigkeit dar. Dieser Wert sei bereits überschritten. Durch den neuen Betrieb sollten nochmals 3 bis 4 % hinzukommen. Die Zusatzbelastung sei nicht irrelevant.

14 Die Gesamtbelastung beim Hhof im Bereich des Wohnhauses von 26 % stamme nicht aus einem landwirtschaftlichen Betrieb, vielmehr lägen Gerüche einer gewerblichen Tierhaltung vor. Es sei unzulässig, alle Gerüche aus Tierhaltungen unabhängig von der Betriebsgröße gleich zu behandeln. Es könne nicht allein auf die immissionsseitigen Auswirkungen der Änderung Bezug genommen werden. Vielmehr bildeten die bestehenden Geruchsquellen die Kumulationsbasis. Ist-Zustand und Zusatzbelastung bildeten in Summe das "Kumulationsmaterial".

15 In den Einreichunterlagen finde sich der Vermerk, dass in den Stallungen mit den unterhalb gelegenen Güllekanälen Gülle produziert werde, die in den Kanälen gelagert und nach Bedarf zur angrenzenden Biogasanlage zur Vergärung gepumpt werde. Die Behörde und auch der Sachverständige seien dagegen davon ausgegangen, dass im Hinblick auf die für den Grundwasserschutz maßgebliche Gülleausbringung die Beeinträchtigung von Gewässern durch rechtliche Bestimmungen hintangehalten werde, an die der Antragsteller gebunden sei. Dies könne nur so verstanden werden, dass die in der Biogasanlage anfallenden Rückstände doch auf landwirtschaftlichen Flächen ausgebracht würden. Jedenfalls müsste eine behördliche Einzelfallprüfung nach dem UVP-G 2000 der Frage der Güllebehandlung, -verwertung oder -ausbringung entsprechende Beachtung schenken. Es wären auch die Auswirkungen der Rückstandsentsorgung aus der Biogasanlage zu überprüfen. Unklar bleibe, ob auch im Schongebiet Z (schutzwürdiges Gebiet der Kategorie C im Sinne des Anhanges 2 zum UVP-G 2000) Gülle aufgetragen werde. Dann wäre der geringere Schwellenwert der Spalte 3 maßgebend. Der Grenzwert für Nitrat werde ferner im Nutzwasserbrunnen des Hhofes laut beigelegtem Prüfbericht der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH vom 11. Juni 2014 bereits überschritten. Schließlich fehle eine umweltmedizinische Beurteilung. Das agrartechnische Gutachten sei unzureichend. Beispielsweise ordne es der bestehenden Massentierhaltung M mit 1.670 Ferkel- und

1.962 Mastschweineplätzen 12.753 Geruchseinheiten pro Sekunde zu, während aus dem verfahrensgegenständlichen Vorhaben von

1.200 Mastschweineplätzen 13.344 Geruchseinheiten pro Sekunde resultieren sollten. Dies erscheint unhaltbar. Außerdem lägen Begründungsmängel vor. Beantragt werde schließlich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

16 Vor dem Bundesverwaltungsgericht erstattete der Mitbeteiligte eine Beschwerdegegenschrift vom 6. August 2014, in der unter anderem ausgeführt wurde, dass es sich im Zusammenhang mit der Gülle bzw. deren Verarbeitung in der Biogasanlage "auch um einen wertvollen Wirtschaftsdünger handelt, der nach biologischen Grundsätzen nur auf betriebseigene Felder ausgebracht wird, wobei keinerlei Gerüche entstehen."

17 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde der Revisionswerberin gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG in Verbindung mit § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 abgewiesen.

18 Begründend wurde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und von Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, beim gegenständlichen Vorhaben handle es sich nach der Beurteilung des Zusammenhanges mit dem bisherigen Bestand im Ortgebiet mangels räumlichen Zusammenhangs (2,5 km Entfernung) um eine Neuerrichtung. Diese erreiche mit 1.200 Mastplätzen für sich nicht den Schwellenwert von 2.500 Mastschweineplätzen gemäß Anhang 1 Z 43 Spalte 2 des UVP-G 2000. Das Vorhaben weise eine Kapazität von mehr als 25 % des Schwellenwertes auf, nämlich 48 % des Schwellenwertes für Mastschweine. § 3 Abs. 1 bis 4 iVm Anhang 1 Z 43 lit. a Spalte 2 UVP-G 2000 sei anzuwenden. Ein räumlicher Zusammenhang mit dem Betrieb M und dem Betrieb Hhof sei gegeben. Das gegenständliche Vorhaben und das in einem räumlichen Zusammenhang stehende Vorhaben M überschritten gemeinsam den gemäß Anhang 1 Z 43 lit. a Spalte 2 UVP-G 2000 maßgeblichen Schwellenwert von 2.500 Mastschweineplätzen. Das Vorhaben Hhof liege mit seinem Bestand unter 5 % der Platzzahlen und bleibe daher unberücksichtigt. Gemeinsam mit dem in einem räumlichen Zusammenhang stehenden Tierhaltungsbetrieb M würden mehr als 100 % des jeweiligen Schwellenwertes erreicht (48 % + 78,48 % = 126,48 % des Schwellenwertes für Mastschweineplätze von 2.500 Stück).

19 Aus dem Gutachten des Amtssachverständigen für Agrartechnik gehe eindeutig hervor, dass es im Hinblick auf die Kumulierung der schon bestehenden Geruchsimmissionen aus dem Betrieb M und aus dem Hhof mit den zu erwartenden zusätzlichen Geruchsimmissionen zu keiner erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkung auf die Umwelt kommen werde. Eine Kumulierung mit den Betrieben M und Hhof liege nur im Bereich des nicht bebauten Ackerlandes vor. In weiterer Folge komme es bei den relevanten bebauten Freilandparzellen des Hhofes bei kumulativer Betrachtung der Gerüche mit dem Vorhaben zu keinen wahrnehmbaren Geruchsimmissionen, die über den tolerierbaren Bereich hinausgingen. Das Vorhaben sei keiner UVP zu unterziehen. Es sei irrelevant, ob die bestehende Tierhaltung aufgelassen werde, da diese nicht in einem räumlichen Zusammenhang im Sinne des § 3a Abs. 6 UVP-G 2000 stehe.

20 Die gutachterliche Beurteilung eines Amtssachverständigen für Umweltmedizin erfolge ausschließlich auf der Basis des Gutachtens des Amtssachverständigen für Agrartechnik. Dies bedeute, dass das Gutachten des Amtssachverständigen für Agrartechnik Anhaltspunkte für die Einholung eines umweltmedizinischen Gutachtens liefern müsse. Dies sei hier nicht der Fall. Die Einholung eines medizinischen Gutachtens im Feststellungsverfahren sei entbehrlich, wenn bereits das agrartechnische Gutachten überzeugend ergäbe, dass Immissionen auf schutzwürdige Gebiete nicht erheblich seien. Die Einholung eines humanmedizinischen Gutachtens sei nicht erforderlich, weil der Amtssachverständige für Agrartechnik eindeutig zum Schluss komme, dass es zu keinen erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt kommen werde, zudem fänden sich keine Hinweise auf medizinische Auswirkungen, die die Beiziehung eines Umweltmediziners erforderten. Das gegenständliche Vorhaben sei unter anderem nach dem österreichischen Leitfaden "Medizinische Fakten zur Beurteilung von Geruchsimmissionen" geprüft worden. Dass eine Begutachtung aus dem Blickwinkel der Agrartechnik die Auswirkungen der Emissionen auf Gesundheit beinhalte, sei evident. Die Grenzwerte gäben die Schwelle einer relevanten Gesundheitsgefährdung an bzw. würde diese durch die Festlegung von Schwellenwerten berücksichtigt. Im Falle einer Überschreitung der Grenzwerte wäre in einem weiteren Schritt deren Auswirkung zu prüfen gewesen. Im gegenständlichen Fall würden der tolerierbare Bereich der Zusatzbelastung für Geruch im Bereich des Siedlungsgebietes (unter 2 % Jahresgeruchsstunden), im Bereich des Wohnobjektes Hhof (unter 4 % Jahresgeruchsstunden) sowie der tolerierbare Bereich der Gesamtbelastung für Geruch nicht überschritten. Inwiefern die Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen im Rahmen eines nachfolgenden baubehördlichen Verfahrens zur Beurteilung von unterhalb der in § 3 Abs. 4 UVP-G 2000 geregelten Schwelle liegenden Auswirkungen auf den menschlichen Organismus erforderlich wäre, sei nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

21 Dasselbe gelte für ein Gutachten aus dem Bereich der Geohydrologie. Erst das Gutachten des Amtssachverständigen für Agrartechnik müsse Anhaltspunkte für die Einholung eines hydrologischen Gutachtens liefern. Dies sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die projektbezogenen Grundstücke lägen außerhalb eines Wasserschutzgebietes. Der Sachverständige sei zum Schluss gekommen, dass mit keinen erheblichen Umweltauswirkungen zu rechnen sei. Aus dem Beschwerdevorbringen gehe nicht hervor, worin die Erheblichkeit der Auswirkungen auf Grund der Kumulierung der Betriebe auf das genannte Wasserschutzgebiet oder den Nutzwasserbrunnen bestehe.

22 Die Revisionswerberin moniere, dass sich die Behörde nicht mit der Geruchsmehrbelastung auseinandergesetzt und die GIRL unrichtig angewendet habe. Festgehalten werde, dass sich die Behörde tatsächlich unzureichend mit dem agrartechnischen Gutachten auseinandergesetzt habe. Die Behörde habe ausschließlich das Gutachten in den Bescheid kopiert. Eine Beweiswürdigung und nachvollziehbare Bescheidbegründung seien verabsäumt worden. Auch die rechtliche Würdigung falle sehr dürftig aus. Der dadurch bedingte Verfahrensmangel sei aber unwesentlich, da das Bundesverwaltungsgericht bei richtiger rechtlicher Würdigung zu keinem anderen Ergebnis komme. Das Ergebnis sei, dass keine UVP durchzuführen sei. Die Argumente zur unrichtigen Anwendung der GIRL könnten nicht nachvollzogen werden. Offenbar übersehe die Revisionswerberin, dass für die Frage der Erheblichkeit der Umweltauswirkungen die Differenz zwischen Vorbelastung und Zusatzbelastung durch das neue Vorhaben maßgeblich sei. Richtigerweise sei die Behörde unter Zugrundelegung des Sachverständigengutachtens zu dem Schluss gekommen, dass es zu keiner zusätzlichen Geruchsbelastung im Siedlungsgebiet der Marktgemeinde L kommen werde und die zusätzliche Geruchsbelastung beim Hhof nur ein irrelevantes Ausmaß erreiche.

23 Soweit die Beschwerdeführerin die Ausführungen im agrartechnischen Gutachten zu den Geruchseinheiten rüge, beruhe dies nicht auf einer Auseinandersetzung auf gleicher fachlicher Ebene. Unabhängig davon sei festzuhalten, dass keine Widerspruch erblickt werden könne, da für die Berechnung der Geruchseinheiten pro Sekunde nicht nur die Anzahl der Tiere maßgeblich sei, sondern diverse weitere Parameter, wie insbesondere das Lüftungssystem, die Auswurfhöhe, die Auswurfgeschwindigkeit sowie das Fütterungssystem. Der Gutachter habe diese Parameter auch angeführt. So verfüge das Vorhaben M unter anderem über eine entsprechende Quellhöhe, das bedeute, es werde über eine Vielzahl an Einzelkaminen entlüftet. Im Gegensatz dazu verfüge das Vorhaben des Projektwerbers beispielsweise über freie Lüftungen und werde daher als bodennahe Quelle berechnet. Der Gutachter habe nachvollziehbar dargelegt, weshalb die Geruchseinheiten beim Vorhaben des Projektwerbers höher ausfielen.

24 Es sei unrichtig, dass der Amtssachverständige festgestellt habe, dass die Gesamtbelastung von 26 % Jahresgeruchsstunden ohne weiteres jedenfalls geringfügig überschritten werden dürfe. Er habe festgehalten, dass die Gesamtbelastung aus den Tierhaltungsbetrieben sowie der Biogasanlage im Bereich des Wohnhauses des Hhofes bei 26 % Jahresgeruchsstunden liege. Nachvollziehbar habe er dargelegt, dass dieser Wert zu einem erheblichen Anteil aus der eigenen Pferdetierhaltung komme, da die Geruchshäufigkeit von den Stallungen M und dem gegenständlichen Vorhaben in Richtung Hhof kontinuierlich abnehme, beim Hhof aber wieder zunehme.

25 Der Amtssachverständige weise im Übrigen ausdrücklich darauf hin, dass für die Tierhaltung, wie im vorliegenden Fall, eine höhere irrelevante Zusatzbelastung von 5 % gegenüber der in der derzeit gültigen GIRL für industrielle Anlagen geltenden 2 %igen Zusatzbelastung abgeleitet werde. Durch den neuen Betrieb würden nochmals 3 bis 4 % Jahresgeruchsstunden an Belastung im Bereich des Wohnobjektes Hhof hinzukommen. Dieser Wert liege allerdings entgegen dem Beschwerdevorbringen unter dem von der GIRL vorgesehenen Wert von 5 % und sei daher als irrelevant zu betrachten. Die in der Beschwerde vorgebrachte Zusatzbelastung von 2 % gelte für den Bereich von industriellen Anlagen. Die Behauptungen stellten keine Auseinandersetzung auf gleicher fachlicher Ebene mit dem Gutachten dar.

26 Die Beschwerde moniere, dass es sich um keine "landwirtschaftlichen" Gerüche im Sinne der GIRL handle, sondern vielmehr um Gerüche aus einer gewerblichen Tierhaltung, wobei sie auf eine Entscheidung des deutschen Verwaltungsgerichtes verweise. Dieser Verweis stelle keine Auseinandersetzung auf gleicher fachlicher Ebene dar. Die vom Amtssachverständigen angewandten Methoden seien in Österreich anerkannt und böten eine objektiv nachvollziehbare Anleitung zur quantitativen Abschätzung des zu erwartenden Ausmaßes an Geruchsimmissionen.

27 Zur Gülleverwertung bzw. Gülleausbringung werde in den Einreichunterlagen angegeben, dass in den Stallungen mit den unterhalb gelegenen Güllekanälen Gülle produziert werde. Diese werde in den Kanälen gelagert und nach Bedarf zur angrenzenden Biogasanlage zur Vergärung gepumpt. Einen Widerspruch von großer rechtlicher Bedeutung erkenne das Bundesverwaltungsgericht darin nicht. Die Revisionswerberin gehe davon aus, dass die anfallende Gülle zur Gänze in der Biogasanlage verarbeitet werde und es sohin zu keiner Ausbringung auf landwirtschaftliche Böden komme. Worin hier ein Widerspruch liegen solle zu den Ausführungen der Behörde und des Sachverständigen sei nicht ersichtlich. Die Biogasanlage selbst sei nicht Gegenstand der Einzelfallprüfung. Die Annahme, dass die Rückstände sehr wahrscheinlich auf den umliegenden Feldern entsorgt würden, sei eine haltlose Unterstellung, und es sei jedenfalls von einem gesetzeskonformen Verhalten des Antragstellers auszugehen.

28 Schließlich berühre das gegenständliche Vorhaben in keiner Weise ein Schutzgebiet. Die Revisionswerberin führe das selbst aus. Daher sei auch nicht ersichtlich, weshalb ein Tatbestand der Spalte 3 zur Anwendung kommen sollte. Laut Angaben des Antragstellers werde die Gülle in die benachbarte Biogasanlage gepumpt. Eine Ausbringung auf Felder erfolge nicht. Aus diesem Grund hätten diesbezüglich keine Ermittlungsschritte zu erfolgen gehabt. Der Einwand, dass die Flächen, auf denen die Gülle ausgebracht werde, nicht konkretisiert seien, sei damit unbegründet, ebenso die Behauptung, dass unklar sei, ob die Gülle im Schongebiet Z aufgetragen werde.

29 Zum Nutzwasserbrunnen Hhof werde festgehalten, dass das Vorhaben in keinem Wasserschutz- oder Wasserschongebiet liege. Ein schutzwürdiges Gebiet der Kategorie C nach Anlage 2 UVP-G 2000 liege nicht vor. Der Amtssachverständige habe im Rahmen der Prüfung, ob auf Grund der Kumulierung mit erheblichen schädlichen, belastenden oder belästigenden Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen sei, solche nicht feststellt. Daher sei auch die Einholung einer wasserfachlichen Stellungnahme nicht erforderlich. Durch die bloße Vorlage eines Prüfberichtes einer näher genannten Agentur habe die Revisionswerberin keine Erheblichkeit darlegen können. Sie hätte das Gutachten des Sachverständigen nur auf gleicher fachlicher Ebene bekämpfen können. Die Lage des Nutzwasserbrunnens werde im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren zu berücksichtigen sein. Richtig sei, dass die Behörde den Bescheid mangels hinreichender Begründung mit einem unwesentlichen Verfahrensfehler belastet habe. Unrichtig sei die Behauptung, dass die Geruchszusatzbelastungen relevant seien (wurde näher dargelegt). Nach der "Vorläufigen Richtlinie zur Beurteilung von Immissionen aus der Nutztierhaltung in Stallungen" habe der Geruch, der durch die landwirtschaftliche Nutztierhaltung bedingt sei, für den Menschen ein primäres Belästigungspotential. Daher werde vorausgesetzt, dass bei Unterschreitung der Immissionsgrenze für Geruchsstoffe auch jene für gasförmige (z.B. Ammoniak) und feste (z.B. Staub) Luftbeimengungen eingehalten würden.

30 Von einer mündlichen Beschwerdeverhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG habe abgesehen werden können, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen sei. Die mündliche Erörterung lasse eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten.

31 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, es wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

32 Die mitbeteiligte Partei und die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde haben Revisionsbeantwortungen erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

33 Die Revision ist in Anbetracht der Frage der Rechtmäßigkeit des Unterlassens einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zulässig und auch begründet.

34 § 24 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), lautet:

"Verhandlung

§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende

Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(3) Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

(5) Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden."

35 In der Revision wird im Wesentlichen ausgeführt, das Bundesverwaltungsgericht habe seine Entscheidung ausschließlich mit dem sogenannten Schwellenwertkonzept bzw. Irrelevanzkriterium begründet. Dies sei unzutreffend. Es wären die im § 3 Abs. 4 Z 1 bis 3 UVP-G 2000 normierten Kriterien zu berücksichtigen gewesen, insbesondere der Standort, da sich in unmittelbarer Nähe zwei hochwertige Schutzgebiete befänden. Ob auf Grund einer Kumulierung der Auswirkungen mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen sei, sei eine Rechtsfrage. Das Verwaltungsgericht habe daher insofern zu Unrecht darauf verwiesen, dass die Revisionswerberin dem Amtssachverständigen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten sei. Entgegen der Ansicht des Amtssachverständigen sei nicht davon auszugehen, dass irrelevante Geruchszusatzbelastungen jedenfalls zu tolerieren seien (wurde näher ausgeführt). Eine Irrelevanzschwelle von 5 % entspreche nicht mehr dem Stand der Technik bzw. Wissenschaft (wurde näher ausgeführt). Die Gerüche aus der Tierhaltungsanlage M seien als solche einer gewerblichen Tierhaltung zu behandeln. Dadurch ergäben sich durch die GIRL in Verbindung mit der deutschen Judikatur andere Grenzwerte. Es erscheine unzulässig, einerseits die GIRL heranzuziehen und andererseits der einschlägigen deutschen Judikatur keine Relevanz zuzugestehen. Obwohl nach dem agrartechnischen Gutachten eine Zusatzbelastung von bis zu 350 Geruchsstunden beim nächsten Wohnobjekt und von bis zu 175 Stunden im Gemeindegebiet der Revisionswerberin eintrete, habe das Bundesverwaltungsgericht kein humanmedizinisches Gutachten eingeholt. Auf den Prüfbericht der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit vom 11. Juni 2014 betreffend den Nutzwasserbrunnen in unmittelbarer Nähe vom Hhof, der deutliche Grenzwertüberschreitungen für Nitrat zeige, sei das Bundesverwaltungsgericht nicht eingegangen. Eine mündliche Verhandlung hätte eine weitere Klärung der Rechtssache ergeben. Dies betreffe insbesondere den von der Revisionswerberin erhobenen Einwand, dass Gülle bzw. der in der Biogasanlage anfallende Rückstand auf landwirtschaftliche Flächen ausgebracht werde und damit noch nicht berücksichtigte Geruchsemissionen verbunden seien. Die Stellungnahme der mitbeteiligten Partei vom 6. August 2014 sei der Revisionswerberin nicht im Wege des Parteiengehörs zugestellt worden. Dieser Stellungnahme sei, entgegen der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes, zu entnehmen, dass es sich bei der Gülle bzw. den Rückständen aus der Biogasanlage um einen wertvollen Wirtschaftsdünger handle, der nach biologischen Grundsätzen nur auf betriebseigene Felder aufgebracht werde, wobei keinerlei Gerüche entstünden. Bereits auf Grund dieses Vorbringens wäre eine mündliche Verhandlung zur Klärung der Sachlage notwendig gewesen. Die Revisionswerberin hätte im Zuge der mündlichen Verhandlung auf die Fehlinterpretation der GIRL und weiters darauf hinweisen können, dass die Beiziehung eines humanmedizinischen Sachverständigen erforderlich sei.

36 Auf der Grundlage des § 24 Abs. 4 VwGVG ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber als Zweck einer mündlichen Verhandlung die Klärung des Sachverhaltes und die Einräumung von Parteiengehör vor Augen gehabt hat, darüber hinaus auch die mündliche Erörterung einer nach der Aktenlage strittigen Rechtsfrage zwischen den Parteien und dem Gericht, und ferner kommt eine ergänzende Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht regelmäßig erst nach einer mündlichen Verhandlung in Frage (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 2015, Ra 2015/06/0007, mwN). Bei sachverhaltsbezogenem Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien ist ebenfalls eine mündliche Verhandlung durchzuführen, dies sogar dann, wenn kein Antrag auf eine solche gestellt worden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. März 2015, Ra 2014/06/0033, mwN).

37 Für den vorliegenden Fall ist auszuführen, dass das Bundesverwaltungsgericht in seiner Begründung auf die mangelhafte Begründung des Bescheides der Niederösterreichischen Landesregierung vom 5. Juni 2014 hingewiesen hat und insbesondere darauf, dass eine Beweiswürdigung verabsäumt worden sei. Tatsächlich hat das Bundesverwaltungsgericht in dem angefochtenen Erkenntnis eine umfassende Beweiswürdigung vorgenommen. Dies wäre aber nur nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung statthaft gewesen (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 30. September 2015). Darüber hinaus lag auch sachverhaltsbezogenes Vorbringen der Revisionswerberin vor, etwa betreffend den Nutzwasserbrunnen in der Nähe des Hhofes. Auch aus diesem Grund wäre eine mündliche Verhandlung vonnöten gewesen (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 19. März 2015).

38 Das angefochtene Erkenntnis war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, wobei es sich angesichts des damit gegebenen Verfahrensstandes erübrigt, auf das weitere Revisionsvorbringen näher einzugehen. Bemerkt wird aber, dass bei der Frage, ob mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, das alleinige Abstellen auf Schwellenwerte grundsätzlich nicht in Frage kommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2015, Zl. 2012/05/0153, mwN).

39 Der Ausspruch über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF Nr. 8/2014.

Wien, am 24. Jänner 2017

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