VwGH Ra 2015/02/0207

VwGHRa 2015/02/02077.4.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und den Hofrat Dr. Lehofer sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Gruber, über die Revision des A K in M, vertreten durch MMag. Dr. Michael Michor & Mag. Walter Dorn, Rechtsanwälte in 9500 Villach, Bahnhofstraße 16, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom 28. August 2015, Zl. KLVwG-1982-1983/5/2014, betreffend Übertretung des KFG (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
KFG 1967 §101 Abs1 lita;
KFG 1967 §102 Abs1;
KFG 1967 §2 Abs1 Z32;
KFG 1967 §2 Abs1 Z34;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §17;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2015020207.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg vom 15. Mai 2014 wurde dem Revisionswerber Folgendes zur Last gelegt:

"Sie haben als Lenker des Sattelkraftfahrzeuges (Sattelzugfahrzeug (...) mit Sattelanhänger (...)) nachstehende Verwaltungsübertretungen wie folgt zu verantworten:

1. Sie haben sich als Lenker, obwohl es Ihnen zumutbar war,

vor Antritt der Fahrt nicht davon überzeugt, dass das von Ihnen verwendete Fahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht, da festgestellt wurde, dass das höchste zulässige Gesamtgewicht des Sattelzugfahrzeuges von 17.990 kg durch die Beladung um 2.531 kg überschritten wurde.

2. Sie haben sich als Lenker, obwohl es Ihnen zumutbar war,

vor Antritt der Fahrt nicht davon überzeugt, dass das von Ihnen verwendete Fahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht, da festgestellt wurde, dass die höchste zulässige Achslast der zweiten Achse des Sattelzugfahrzeuges von 11.500 kg durch die Beladung um 1.076 kg überschritten wurde.

Tatzeit: Datum : 11.02.2013, Uhrzeit: 12.15 Uhr

Tatort: A10-Tauernautobahn, Verkehrskontrollplatz Kellerberg

(...)

(...)"

Der Revisionswerber habe dadurch zu beiden angelasteten Tatvorwürfen jeweils die Bestimmungen § 102 Abs. 1 iVm § 101 Abs. 1 lit. a KFG verletzt, weshalb über ihn gemäß § 134 Abs. 1 KFG jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 150,-- sowie je eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen verhängt wurde. Weiters wurde der Revisionswerber zur Kostentragung im Verwaltungsstrafverfahren verpflichtet.

2 Begründend führte die Behörde hierzu aus, die angelasteten Tatbestände gingen aus einer näher bezeichneten Anzeige der Landesverkehrsabteilung für Kärnten hervor. Im behördlichen Ermittlungsverfahren seien Stellungnahmen des Meldungslegers zu der vom Revisionswerber abgegebenen Rechtfertigung abgegeben, sowie das Wiegeprotokoll und der Eichschein angefordert worden. Der Meldungsleger habe in seinen Stellungnahmen ausgeführt, dass zum Zeitpunkt der Übertretung ein tatsächliches Achsgewicht von

13.100 kg festgestellt worden sei. Nach Abzug der entsprechenden Toleranz habe dies ein strafrelevantes Gewicht von 12.576 kg und damit eine Überschreitung der Achslast von 1.076 kg ergeben. Das Gesamtgewicht des Sattelzugfahrzeuges habe 20.950 kg betragen; nach Abzug der Toleranz habe sich ein strafrelevantes Gewicht von

20.531 kg und damit ein Übertretungsgewicht von 2.531 kg ergeben. Zur Tatzeit sei eine gültige Eichung vorgelegen, der Eichschein sei in Kopie beigelegt worden. Zum Vorbringen des Revisionswerbers, dass die erhobenen Gewichtsüberschreitungen durch Verwägung in Fahrt nicht als Grundlage für die Bestrafung wegen Übertretung des höchstzulässigen Gesamtgewichtes bzw. der Achslasten herangezogen werden dürften, sei auszuführen, dass die Verwiegung des verfahrensgegenständlichen Kraftwagenzuges mit einer geeichten selbsttätigen Straßenfahrzeugwaage zum achsweisen Wägen in Fahrt nach den geltenden Richtlinien erfolgt sei.

3 Mit Erkenntnis vom 28. August 2015 wies das Landesverwaltungsgericht Kärnten die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung zweier mündlicher Verhandlungen als unbegründet ab (Spruchpunkt I.), verpflichtete den Revisionswerber zum Kostenbeitrag im Beschwerdeverfahren (Spruchpunkt II.) und sprach aus, dass die ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei (Spruchpunkt III.)

4 Zum Vorbringen des Revisionswerbers in der Beschwerde, eine Verwiegung im rollenden Zustand entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben des KFG, die Waage sei zur Tatzeit nicht ordnungsgemäß geeicht gewesen und die Wiegeergebnisse der geeichten Waage am Kieswerk Ferlach und auf der geeichten Waage am Verkehrskontrollplatz Kellerberg wichen hinsichtlich des gewogenen Gesamtgewichtes voneinander ab, sei auf die Angaben des zeugenschaftlich einvernommenen Meldungslegers, bzw. dessen schriftliche Berichte zu verweisen, wonach die Verwiegung des gegenständlichen Sattel-KFZ am Verkehrskontrollplatz Kellerberg mit einer selbsttätigen Straßenfahrzeugwaage zum achsweisen Wägen in Fahrt erfolgt und die Verwiegung nach den geltenden Richtlinien durchgeführt worden sei. Diese Waage schließe alle Fehler aus und sei von der Bedienung unabhängig; es würden automatisch die entsprechenden Toleranzen des gewogenen Gewichtes abgezogen. Dem vorgelegten Eichschein sei zu entnehmen, dass die Waage am 30. November 2011 mit Nacheichfrist bis 31. Dezember 2013 geeicht worden sei. Die verwendete Achslastwaage sei daher zum Tatzeitpunkt gültig geeicht gewesen. Es bestünden keine Zweifel an der Richtigkeit des Wiegeergebnisses; aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens seien die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen in objektiver Hinsicht erwiesen.

5 Die gegen dieses Erkenntnis gerichtete Revision verweist in ihrer Zulässigkeitsbegründung auf die Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 Z 32 KFG, wonach das Gesamtgewicht das Gewicht des stillstehenden, fahrbereiten Fahrzeuges samt der Ladung, dem Lenker und allen gleichzeitig beförderten Personen darstelle. Daraus sei abzuleiten, dass eine Überprüfung des Gesamtgewichtes nur im stillstehenden, nicht aber im rollenden Zustand vorgenommen werden dürfe. Im gegenständlichen Fall sei unstrittig, dass die Abwiegung im rollenden Zustand erfolgt sei. Der Hinweis auf die Durchführung der Verwiegung nach den geltenden Richtlinien reiche in diesem Zusammenhang nicht aus. Da Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Frage fehle, sei die Revision zulässig.

6 Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag auf Kostenzuspruch.

 

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Die Revision ist zulässig, weil mit dem Hinweis des Revisionswerbers auf fehlende Rechtsprechung zur Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 Z 32 KFG im Zusammenhang mit der dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren zugrundgelegten Verwiegeart eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt wird.

9 Die Revision ist aus folgendem Grund auch berechtigt:

10 §§ 101 Abs. 1 lit. a und 102 Abs. 1 KFG lauten:

"§ 101. Beladung

(1) Die Beladung von Kraftfahrzeugen und Anhängern ist unbeschadet der Bestimmungen der Abs. 2 und 5 nur zulässig, wenn

a) das höchste zulässige Gesamtgewicht, die höchsten

zulässigen Achslasten und die größte Breite des Fahrzeuges sowie die Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte eines Kraftfahrzeuges mit Anhänger, bei Starrdeichselanhängern abzüglich der größeren der höchsten zulässigen Stützlasten beider Fahrzeuge, wenn diese gleich sind, einer dieser Stützlasten, bei Sattelkraftfahrzeugen abzüglich der größeren der höchsten zulässigen Sattellasten beider Fahrzeuge, wenn diese gleich sind, einer dieser Sattellasten durch die Beladung nicht überschritten werden, (...)"

"§ 102. Pflichten des Kraftfahrzeuglenkers

(1) Der Kraftfahrzeuglenker darf ein Kraftfahrzeug erst in Betrieb nehmen, wenn er sich, soweit dies zumutbar ist, davon überzeugt hat, dass das von ihm zu lenkende Kraftfahrzeug und ein mit diesem zu ziehender Anhänger sowie deren Beladung den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entsprechen; die Überprüfung der Wirksamkeit der Vorrichtungen zum Abgeben von akustischen Warnzeichen darf jedoch nur erfolgen, sofern nicht ein Verbot gemäß § 43 Abs. 2 lit. a StVO 1960 besteht. Berufskraftfahrer haben bei Lastkraftwagen, Sattelzugfahrzeugen, Omnibussen oder Anhängern unverzüglich den Zulassungsbesitzer nachweisbar zu verständigen, wenn das Fahrzeug diesen Vorschriften nicht entspricht.

(...)"

11 § 2 Abs. 1 Z 32, 33, 34 und 35 KFG lautet:

§ 2. Begriffsbestimmungen

(1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt als

(...)

32. Gesamtgewicht das Gewicht des stillstehenden,

fahrbereiten Fahrzeuges samt der Ladung, dem Lenker und allen

gleichzeitig beförderten Personen; (...)

(...)

33. höchstes zulässiges Gesamtgewicht das höchste

Gesamtgewicht, das ein bestimmtes Fahrzeug erreichen darf;

(...)

34. Achslast die Summe aller bei stehendem Fahrzeug auf

eine waagrechte, ebene Fahrbahn wirkenden Radlasten einer Achse

oder zweier Achsen mit einem Radstand bis zu 1 m. (...)

(...)

35. höchste zulässige Achslast die höchste Achslast, die

mit einem bestimmten stehenden Fahrzeug auf eine waagrechte, ebene Fahrbahn übertragen werden darf;

(...)"

12 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurden dem Revisionswerber als Lenker eines Sattelzugfahrzeuges zwei Übertretungen jeweils des § 102 Abs. 1 iVm § 101 Abs. 1 lit. a KFG zur Last gelegt, und zwar zum einen wegen Überschreitung des höchst zulässigen Gesamtgewichtes des Fahrzeuges, und zum anderen wegen Überschreitung der höchst zulässigen Achslast dessen zweiter Achse, jeweils zum näher bezeichneten Tatzeitpunkt. Die angelasteten Gewichtsüberschreitungen wurden hierbei am Verkehrskontrollplatz Kellerberg mittels einer selbsttätigen Straßenfahrzeugwaage zum achsweisen Wägen in Fahrt, dh. unstrittig im rollenden Zustand des Fahrzeuges, ermittelt.

13 Zum Einwand des Revisionswerbers, die Verwiegung im rollenden Zustand entspreche nicht der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 Z 34 KFG, weshalb diese der Bestrafung nicht zugrunde gelegt werden dürfe, verwies das Verwaltungsgericht einerseits auf die gültige Eichung der eingesetzten Waage, bzw. andererseits darauf, dass die Waage "alle Fehler" ausschließe und die Verwiegung "nach den geltenden Richtlinien" durchgeführt sowie die "entsprechenden Toleranzen" des gewogenen Gewichtes automatisch abgezogen worden seien.

14 Im Hinblick darauf, dass § 2 Abs. 1 Z 32 KFG für den Begriff des Gesamtgewichtes auf das Gewicht des stillstehenden Fahrzeuges, sowie § 2 Abs. 1 Z 34 leg. cit. für den Begriff der Achslast auf die Radlasten einer Achse bzw. zweier Achsen bei stehendem Fahrzeug abstellt, und die für die Bestrafung herangezogene Norm des § 101 Abs. 1 lit. a KFG sich (ua.) auf eine Überschreitung des höchst zulässigen Gesamtgewichtes bzw. der höchsten zulässigen Achslast bezieht, greift die durch das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis herangezogene Begründung für die Gesetzmäßigkeit der durchgeführten Verwiegung und die Rechtmäßigkeit deren Heranziehung für das gegenständliche Strafverfahren zu kurz.

15 Zwar ist der Revisionswerber nicht im Recht, wenn er meint, die Bestimmung des § 101 Abs. 1 lit. a KFG sei derart auszulegen, dass einem Verwaltungsstrafverfahren wie dem vorliegenden nur die Ergebnisse einer Verwiegung zugrunde gelegt werden dürften, welche jeweils bei stehendem Fahrzeug (und zwar sowohl betreffend das Gesamtgewicht als auch betreffend die Achslast) durchgeführt wurde, weil die Bestimmungen des § 2 Abs. 1 Z 32 und 34 KFG lediglich die Definitionen der entsprechenden Gesetzesbegriffe des KFG beinhalten, für sich jedoch keine Aussage über eine vorzunehmende Verwiegeart zur Ermittlung von Gesamtgewicht bzw. Achslast treffen.

16 Im Revisionsfall hätte sich das Verwaltungsgericht jedoch angesichts des Vorbringens des Revisionswerbers nicht damit begnügen dürfen, auf das Vorliegen eines gültigen Eichscheines, auf die Durchführung der Verwiegung "nach den geltenden Richtlinien", bzw. auf den automatischen Abzug von Toleranzen und einen Fehlerausschluss durch die Waage selbst zu verweisen; weder gibt nämlich der Eichschein der eingesetzten Waage Aufschluss darüber, ob mit der herangezogenen Verwiegemethode im rollenden Zustand des Fahrzeuges dasselbe Ergebnis erzielt wird, als wenn die Messung des Gesamtgewichtes bzw. der Achslast im stehenden Zustand des Fahrzeuges durchgeführt worden wäre, noch lässt sich dies aus dem allgemeinen Hinweis auf eine Verwiegung nach den geltenden Richtlinien, auf einen Abzug von Toleranzen oder auf eine nicht vorhandene Fehleranfälligkeit der Waage schließen.

17 Vielmehr hätte sich das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Strafverfahren, um den Begriffsbestimmungen des § 2 Abs. 1 Z 32 und 34 KFG Rechnung zu tragen, mit der Frage auseinanderzusetzen gehabt, ob durch eine Verwiegung wie die gegenständlich erfolgte, nämlich mittels einer selbsttätigen Straßenfahrzeugwaage zum achsweisen Wägen im rollenden Zustand des Fahrzeuges (und zwar vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles sowohl hinsichtlich der Verwiegung des Gesamtgewichtes, als auch hinsichtlich der Verwiegung der Achslast) aus technischer Sicht das Gesamtgewicht bzw. die Achslast des stehenden Fahrzeuges ermittelt wird. Diese Frage wird im fortgesetzten Verfahren allenfalls unter Heranziehung eines hierfür fachkundigen Sachverständigen zu beantworten sein. Indem das Verwaltungsgericht sich in Verkennung der Rechtslage im angefochtenen Erkenntnis damit nicht auseinandersetzte, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit.

18 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

19 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 7. April 2017

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