VwGH Ra 2016/18/0062

VwGHRa 2016/18/00623.5.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Schweda, über die Revision der revisionswerbenden Parteien 1. G K, 2. T G, und 3. A K, alle in S und vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Februar 2016,

  1. 1) Zl. W226 2115582-1/10E, 2) Zl. W226 2115578-1/7E und
  2. 3) Zl. W226 2115581-1/6E, betreffend Asylangelegenheiten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 1997 §1 Z4;
AsylG 2005 §2 Abs1 Z17;
AsylG 2005 §3 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
FrPolG 2005 §52;
EMRK Art8;
VwGG §34 Abs1;
AsylG 1997 §1 Z4;
AsylG 2005 §2 Abs1 Z17;
AsylG 2005 §3 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
FrPolG 2005 §52;
EMRK Art8;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die revisionswerbenden Parteien sind Mitglieder einer Familie mit unterschiedlicher Staatsangehörigkeit; der Erst- und die Zweitrevisionswerberin sind ein Ehepaar, der Drittrevisionswerber ist ihr volljähriger Sohn. Während der Erst- und der Drittrevisionswerber armenische Staatsangehörige sind, besitzt die Zweitrevisionswerberin eine ukrainische Staatsbürgerschaft.

2 Im Oktober 2014 beantragten die revisionswerbenden Parteien - aus der Ukraine kommend - internationalen Schutz in Österreich. Mit Bescheiden jeweils vom 7. September 2015 wurden ihre Anträge auf internationalen Schutz zur Gänze abgewiesen, es wurde ihnen kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 55, 57 AsylG 2005 erteilt, gegen sie wurden Rückkehrentscheidungen erlassen und es wurde die Zulässigkeit der Abschiebung in die jeweiligen Herkunftsstaaten ausgesprochen.

3 Die dagegen erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit den angefochtenen Erkenntnissen als unbegründet ab. Die Revision erklärte es jeweils für nicht zulässig.

4 Gegen diese Erkenntnisse erhoben die revisionswerbenden Parteien gemeinsam die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit zusammengefasst geltend gemacht wird, sie hänge von der Lösung von Rechtsfragen ab, zu der es keine höchstgerichtliche Rechtsprechung gebe.

Die Besonderheit des Falles sei, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Familie nicht in dem Land bestanden habe, deren Staatsangehörige sie seien. Weder in der österreichischen Rechtsordnung noch in der Genfer Flüchtlingskonvention gebe es eine Bestimmung, die explizit das Herkunftsland an die Voraussetzung der Staatsbürgerschaft anknüpfe. Erst die Richtlinie 2011/95/EU normiere, dass das Herkunftsland jenes sei, dessen Staatsbürgerschaft man besitze. Personen mit einer Staatsangehörigkeit würden an das formale Kriterium der Staatsbürgerschaft gebunden, ohne die Überprüfung ihres letzten gewöhnlichen Aufenthalts und einer entsprechenden Aufenthaltsberechtigung. Dieses Vorgehen scheine vor allem nach Art. 20 GRC nicht menschenrechtskonform.

Zudem gebe es keine Rechtsprechung, ob eine Familie, deren Angehörige verschiedene Staatsbürgerschaften besäßen, in verschiedene Länder abgeschoben und aufgrund dessen voneinander getrennt werden dürfe.

Außerdem weiche das BVwG von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, indem es beurteile, dass die ständige Bedrohung - und sogar Anwendung von Gewalt - gegen die Familie nicht als ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität einzustufen sei.

Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht - wie in den vorliegenden Fällen - in den Erkenntnissen ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

6 Die vorliegende Revision zielt mit der ersten aufgeworfenen Rechtsfrage darauf ab, dass das BVwG die Verfolgungsgefahr für die revisionswerbenden Parteien jeweils bezogen auf ihre Herkunftsstaaten geprüft und als Herkunftsstaaten jeweils jene herangezogen hat, deren Staatsangehörigkeit die revisionswerbenden Parteien besitzen. Diese Beurteilung entspricht - entgegen der Rechtsansicht der revisionswerbenden Parteien - der Genfer Flüchtlingskonvention, der Richtlinie 2011/95/EU und der eindeutigen österreichischen Rechtslage (§ 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG 2005). Dementsprechend erkennt der Verwaltungsgerichtshof auch in ständiger Rechtsprechung, dass "Herkunftsstaat" jener Staat ist, zu dem ein formelles Band der Staatsbürgerschaft besteht; nur wenn ein solcher Staat nicht existiert, wird subsidiär auf sonstige feste Bindungen zu einem Staat in Form eines dauernden (gewöhnlichen) Aufenthalts zurückgegriffen (vgl. etwa VwGH vom 10. Dezember 2009, 2008/19/0977, sowie zu der insofern weiterhin maßgeblichen früheren Rechtslage etwa VwGH vom 2. März 2006, 2004/20/0240, mwN, und vom 17. Februar 1994, 94/19/0936). Es trifft daher nicht zu, dass zu der strittigen Frage keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt und es ist auch nicht zu erkennen, dass diese - sachlich begründete - völkerrechtlich vorgegebene und sowohl unionsrechtlich als auch nationalgesetzlich übernommene Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit eines Asylwerbers dem Grundrecht auf Gleichheit vor dem Gesetz nach Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union widerspräche.

7 Soweit die Revision geltend macht, es fehle Rechtsprechung, ob Familienmitglieder einer Familie mit unterschiedlicher Staatsangehörigkeit in verschiedene Länder abgeschoben werden dürften, ist ihr Folgendes entgegenzuhalten:

In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurden bereits wiederholt Fälle behandelt, in denen Familienangehörigen mit unterschiedlicher Staatsangehörigkeit bei Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet bzw. bei Erlassung von Rückkehrentscheidungen die Gefahr einer Trennung drohte. Der Verwaltungsgerichtshof verlangte in diesen Fällen jeweils eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Familienmitglieder unter dem Blickwinkel des durch Art. 8 EMRK geschützten Rechtes auf Familienleben - nach allfälliger vorübergehender Trennung - die Möglichkeit haben, ihr gemeinsames Familienleben in einem von mehreren Herkunftsstaaten der Familienmitglieder (oder einem anderen in Betracht kommenden Staat) zu führen (vgl. etwa VwGH vom 15. Dezember 2011, 2010/18/0248, und vom 25. Oktober 2012, 2011/21/0270). Im vorliegenden Fall hat das BVwG diese Möglichkeit in der Begründung der angefochtenen Erkenntnisse bejaht und die Revision zeigt nicht auf, dass diesbezüglich eine vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende Fehlbeurteilung vorläge.

8 Schließlich vermag die Revision auch nicht darzulegen, dass das BVwG bei seinen Entscheidungen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur maßgeblichen Intensität einer Verfolgungshandlung abgewichen wäre, zumal das BVwG die Abweisung der Beschwerden im Asylteil nicht auf mangelnde Intensität von erlittenen Verfolgungshandlungen gestützt hat.

9 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG zurückzuweisen.

Wien, am 3. Mai 2016

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