Normen
B-VG Art133 Abs3;
B-VG Art133 Abs4;
DO Wr 1994 §18 Abs1;
DO Wr 1994 §18 Abs2;
DO Wr 1994 §26 Abs1;
DO Wr 1994 §77 Abs1;
VwGVG 2014 §29 Abs1;
VwRallg;
B-VG Art133 Abs3;
B-VG Art133 Abs4;
DO Wr 1994 §18 Abs1;
DO Wr 1994 §18 Abs2;
DO Wr 1994 §26 Abs1;
DO Wr 1994 §77 Abs1;
VwGVG 2014 §29 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien und war im Tatzeitraum als Beamtin in der Magistratsabteilung X (in der Folge: MA) tätig.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis erkannte das Verwaltungsgericht Wien die Revisionswerberin nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung für schuldig, sie habe es als Beamtin des höheren technischen Dienstes der MA unterlassen, im Dienst alles zu vermeiden, was die Achtung und das Vertrauen, die ihrer Stellung entgegengebracht werden, untergraben könnte und die ihr übertragenen Geschäfte unter Beachtung der bestehenden Rechtsvorschriften mit Sorgfalt und Fleiß zu besorgen, indem sie entgegen der Bestimmung des § 26 Abs. 1 erster Satz DO 1994, wonach Beamte die festgesetzte Arbeitszeit einzuhalten haben und nach den Weisungen ihrer Vorgesetzten zur ordnungsgemäßen Führung von Arbeitszeitaufzeichnungen verpflichtet sind, und entgegen Punkt 1. "Zeitaufzeichnung" der Allgemeinen Dienstanweisung der MA zur Zahl (...), wonach die für die Zeitbuchungen maßgeblichen Zeitpunkte Arbeitsbeginn und Arbeitsende sind und Zeitbuchungen immer nur eigenhändig erfolgen dürfen, für Herrn Y, Werkmeister der MA, am SES-Terminal ihrer Dienststelle am 2. und 25. Juli, 18. September sowie 7. Oktober 2013 zu näher angeführten Zeitpunkten Zeitbuchungen betreffend das Ende der Dienstzeit vorgenommen.
3 Die Revisionswerberin habe dadurch § 18 Abs. 1 erster Satz und § 18 Abs. 2 zweiter Satz sowie § 26 Abs. 1 erster Satz der Dienstordnung 1994 (DO 1994) und die Allgemeine Dienstanweisung der MA vom 8. März 2012 zur Zahl (...), Punkt 1.
"Zeitaufzeichnung", verletzt. Über sie wurde die Disziplinarstrafe der Geldstrafe im Ausmaß des zweifachen Monatsbezuges unter Ausschluss der Kinderzulage verhängt und die Geldstrafe im Ausmaß eines Monatsbezuges unter Ausschluss der Kinderzulage unter Setzung einer Bewährungsfrist von drei Jahren bedingt nachgesehen.
4 Diese Entscheidung begründete das Verwaltungsgericht nach Darlegung des Verfahrensganges im Wesentlichen damit, dass die Revisionswerberin die vier durchgeführten Ausbuchungen für Y am SES-Terminal mit seiner Zeitkarte nicht bestritten habe. Ihre Darstellung in der Verhandlung, sie habe die Mails betreffend den Erlass für SES-Buchungen nicht gelesen bzw. nicht erhalten, seien als Schutzbehauptung einzustufen, weil nachweislich der entsprechende Erlass in der Weisungssammlung für die Bediensteten zur Verfügung stehe, eine Zustellung per E-Mail an die Revisionswerberin zur Kenntnis erfolgt und auch zu werten sei, dass sie seit insgesamt 17 Jahren als mit rechtlichen Auslegungen betraute Akademikerin bei der Gemeinde Wien tätig sei, weshalb auch auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung anzunehmen sei, dass ihr in dieser Zeit auch die grundsätzliche Wichtigkeit der Vornahme von Zeitbuchungen auch mit der eigenen Dienstkarte bewusst sein hätte müssen. Im Übrigen habe sie auch an einer Schulung für das SES-System teilgenommen.
5 Im Rahmen der Erwägungen zur Strafbemessung führte das Verwaltungsgericht aus, dass die Einhaltung von Arbeitszeit und Arbeitsplatz durch die Beamten zu den schwerwiegenden Interessen der Verwaltung zähle. Es sei von einem erheblichen Unrechtsgehalt der Dienstpflichtverletzungen auszugehen, da diese zumindest teilweise den Zweck gehabt hätten, die nicht korrekte Einhaltung der Arbeitszeit durch einen anderen Bediensteten zu verschleiern; weiters liege nicht unerhebliches Verschulden der Revisionswerberin vor. Angesichts der im Voraus verabredeten und im Zeitraum von mehreren Monaten durchgeführten vorsätzlichen Verstöße sei eine spürbare Geldstrafe erforderlich, wobei zu berücksichtigen sei, dass die Revisionswerberin die inkriminierten Handlungen nicht zu ihrem unmittelbaren eigenen Vorteil vorgenommen habe, ebenso sei aber insbesondere auch auf ihre erwiesene mangelnde Schuldeinsicht Bedacht zu nehmen; mildernd sei ihre sehr gute Dienstleistung und disziplinarrechtliche Unbescholtenheit, erschwerend die viermalige Tatbegehung zu werten. Gegen die bedingte Nachsicht der gesamten Geldstrafe sprächen generalpräventive Erwägungen im Sinne des § 78 Abs. 1 DO 1994.
6 Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG sei unzulässig.
7 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision. 8 Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts ist nach
Art. 133 Abs. 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 In der Revision wird zu deren Zulässigkeit zusammengefasst vorgebracht, es gehe "in concretu um die allgemeine Frage, ob der Dienstgeber bzw. Vorgesetzte seinen Mitarbeiter bewusst ins offene Messer laufen lassen darf bzw. ein offenkundiges Fehlverhalten wissentlich und mehrmals zulässt, um Beweise gegen ihn bzw. einen anderen Mitarbeiter zu sammeln" und um die Frage, "inwieweit es tatsächlich dem Disziplinarbeschuldigten anzulasten ist, wenn bei aufgetretenen und erkannten Fehlern bzw. Missständen der Vorgesetzte eben nicht unverzüglich reagiert und diese Missstände allenfalls unter Erteilung von Belehrungen und Ermahnungen bewusst nicht abstellt". Der Vorgesetzte sei sowohl nach § 34 DO 1994 als auch einem näher bezeichneten Erlass der MA verpflichtet Fehler und Missstände abzustellen, was bedeute, dass "Vorkommnisse weiterer gleicher oder gleichartiger Fehler zu verhindern sind". Es wäre am Dienststellenleiter gelegen, bereits bei Kenntnis am 2. Juli 2013 entsprechend unter Hinweis einer bestehenden Dienstanweisung vorzugehen und eine Belehrung oder auch Ermahnung auszusprechen, "was ohnehin sofort zu keiner weiteren persönlichen Ausbuchung der Arbeitszeit des (Y) durch die Revisionswerberin geführt hätte". Indem man die Revisionswerberin "förmlich zumindest drei Mal ins offene Messer hat laufen lassen, wiewohl diese von den vermeintlichen Dienstpflichtverletzungen des (Y) nichts wusste", sei die Fürsorgepflicht und die Schadenminderungspflicht des Dienstgebers verletzt worden; bei korrektem Vorgehen des Vorgesetzten bzw. Dienststellenleiters hätte es keines Disziplinarverfahrens bedurft, sondern durch Erteilung einer Belehrung oder Ermahnung der Missstand sofort abgestellt werden können bzw. das Verfahren "zumindest mit dem Ausspruch eines Verweises enden können". Es stelle sich auch die "berechtigte und zu lösende erhebliche Rechtsfrage, ob nicht bei Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung durch den Vorgesetzten und des Dienststellenleiters selbst zumindest ein Strafmilderungsgrund zu Gunsten der Revisionswerberin vorliegt."
12 Dem ist Folgendes zu entgegnen:
13 Wenn die Revisionswerberin mit ihrem Vorbringen darauf abzielt, dass die inkriminierten Vorwürfe erst dadurch zu Tage traten, dass die Vorgesetzten des Y aufgrund von prolongierten besonderen Auffälligkeiten bei seinen Buchungen der Arbeitszeiten (Anm.: gegen Y wird dazu ein gesondertes Disziplinarverfahren beim Verwaltungsgericht geführt) eine persönliche Überwachung des Terminals an dieser Dienststelle vorgenommen haben, und sie ihr hinsichtlich der Vornahme der Buchungen für Y in vier Fällen unstrittiges Verhalten mit der allfälligen disziplinarrechtlichen Beurteilung der bloß einmaligen Buchung am 2. Juli 2013 verglichen sehen will, so entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt. Dasselbe gilt zur Behauptung, die Unterlassung einer unverzüglichen Reaktion auf diesen ersten Vorfall könnte als allfällige Dienstpflichtverletzung der Vorgesetzten gewertet werden und damit exculpierende bzw. strafmildernde Auswirkungen auf das Fehlverhalten der Revisionswerberin haben. Außerdem wird in der Revision übersehen, dass die Disziplinarbeschuldigte keinen Anspruch darauf hat, dass von Vorgesetztenseite unverzüglich nach Wahrnehmung von Vorkommnissen im Sinne der Ausübung einer Fürsorgepflicht eingeschritten wird.
14 Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass auch die stillschweigende Duldung von Handlungen, die als Dienstpflichtverletzungen zu qualifizieren sind, dann nicht schuldbefreiend wirkt, wenn der Inhalt der verletzten Vorschriften eindeutig und die Rechtswidrigkeit der geduldeten Praxis damit offensichtlich ist (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 28. Oktober 2004, 2003/09/0045, vom 6. November 2006, 2005/09/0083, und vom 5. November 2014, Ro 2014/09/0039, mwN).
15 In diesem Zusammenhang erweist sich auch der erhobene Vorwurf der Aktenwidrigkeit - auch schon mangels Relevanz - als nicht zulässigkeitsbegründend: Wenngleich das Verwaltungsgericht die Vorwürfe zum Tathergang gegenüber der Entscheidung der belangten Disziplinarkommission eingeschränkt hat, bestehen auch angesichts der eindeutigen dienstrechtlichen Vorgaben zur Arbeitszeiterfassung und -buchung keine Bedenken, wenn es aus dem Verhalten der Revisionswerberin zu den vier Vorkommnissen ableitet, dass dieses "zumindest teilweise den Zweck einer Verschleierung der nicht korrekten Einhaltung der Arbeitszeit durch einen anderen Bediensteten hatte", "im Voraus verabredete Verstöße" betraf und "im Zeitraum von mehreren Monaten durchgeführt wurde".
16 Soweit das Zulassungsvorbringen auch als eine Bekämpfung der Strafbemessung zum festgestellten Fehlverhalten der Revisionswerberin gesehen werden kann, ist zunächst auf die bereits vom Verwaltungsgericht zutreffend erwähnte ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur hohen Bedeutsamkeit der Einhaltung von Arbeitszeit und Arbeitsplatz durch die Beamten für die Verwaltung und den massiven Unrechtsgehalt bei Zuwiderhandeln hinzuweisen (vgl. dazu u.a. die hg. Erkenntnisse vom 25. Juni 1992, 92/09/0084, und vom 17. Dezember 2013, 2013/09/0138).
17 Gemäß § 77 Abs. 1 DO 1994 ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung für die Höhe der Strafe maßgebend, wobei insbesondere Rücksicht zu nehmen ist, inwieweit das Vertrauen der Dienstgeberin oder des Dienstgebers in die Person der Beamtin oder des Beamten durch die Dienstpflichtverletzung beeinträchtigt wurde (Z. 1), inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um die Beamtin oder den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten (Z. 2) und sinngemäß auf die gemäß §§ 32 bis 35 des StGB für die Strafbemessung maßgebenden Gründe (Z. 3).
18 Als Ermessensentscheidung unterliegt die Strafbemessung nur insofern der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof im Rahmen von dessen Befugnissen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG, als dieser gegebenenfalls zu prüfen hat, ob von dem vom Gesetz eingeräumten Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde. Das Verwaltungsgericht ist verpflichtet, in der Begründung seines Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 1 zweiter Satz VwGVG die für die Überprüfung der Ermessensübung maßgebenden Überlegungen und Umstände sowie im Falle der eigenen Ermessensübung die dafür maßgeblichen Gründe insoweit offen zu legen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und für die Nachprüfung der Ermessensentscheidung auf ihre Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes durch den Verwaltungsgerichtshof erforderlich sein kann (vgl. den hg. Beschluss vom 10. September 2015, Ra 2015/09/0041, sowie den hg. Beschluss vom 24. Mai 2016, Ra 2016/09/0017).
19 Die Revisionswerberin zeigt auch keine Gründe auf, dass die in Anwendung der Bemessungskriterien erfolgten Ausführungen des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der Schwere der Taten, der spezialpräventiven Gründe sowie der Abwägung der Erschwernis- und Milderungsgründe und der teilweisen bedingten Nachsicht der Geldstrafe einen der Tatbestände des Art. 133 Abs. 4 B-VG erfüllen würden.
20 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 20. Juni 2016
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