Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse hat der revisionswerbenden Partei den Aufwand in Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht der revisionswerbenden Partei gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG einen Beitragszuschlag von EUR 1.300,-- vorgeschrieben. Es stellte fest, dass die revisionswerbende Partei die Anmeldung für eine näher genannte Dienstnehmerin zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet habe. Die genannte Dienstnehmerin habe sich gegenüber den Kontrollorganen mit einem auf eine andere Person lautenden Personalausweis ausgewiesen, den sie missbräuchlich verwendet habe. Das Vorbringen der revisionswerbenden Partei, dass ihr die falsche Identität ihrer Dienstnehmerin nicht bewusst gewesen sei, wertete das Verwaltungsgericht als Schutzbehauptung. Der revisionswerbenden Partei hätte auffallen müssen, dass es sich bei ihrer Dienstnehmerin nicht um jene Frau gehandelt habe, deren Personalausweis sie verwendet habe.
2 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht u. a. aus, von der (in der Beschwerde ausdrücklich beantragten) Durchführung einer mündlichen Verhandlung habe gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden können, "weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und der Beschwerde als auch dem Vorlageantrag kein neues entscheidungsrelevantes Vorbringen entnommen werden konnte".
3 Dagegen richtet sich die Revision. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
4 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
5 Die revisionswerbende Partei bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das Verwaltungsgericht habe trotz widersprechender Behauptungen betreffend das Wissen um die Identität der genannten Dienstnehmerin die beantragte mündliche Verhandlung nicht durchgeführt und dadurch ihr Recht auf Parteiengehör sowie auf ein faires Verfahren verletzt.
6 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
7 Es gehört gerade im Fall widersprechender prozessrelevanter Behauptungen zu den grundlegenden Pflichten des Verwaltungsgerichts, dem auch im § 24 VwGVG verankerten Unmittelbarkeitsprinzip Rechnung zu tragen und sich als Gericht im Rahmen einer (bei Geltendmachung von civil rights in der Regel auch von Amts wegen durchzuführenden) mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit von Zeugen bzw. Parteien zu verschaffen und insbesondere darauf seine Beweiswürdigung zu gründen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Juni 2016, Ra 2016/08/0075, mwN).
8 Da die Unterlassung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung auf einer Verkennung der Vorgaben des § 24 VwGVG beruhte, war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.
9 Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013.
Wien, am 27. Oktober 2016
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