Normen
32004R0883 Koordinierung Soziale Sicherheit Art11 Abs3 lita;
32004R0883 Koordinierung Soziale Sicherheit Art61;
32004R0883 Koordinierung Soziale Sicherheit Art62;
32004R0883 Koordinierung Soziale Sicherheit Art65 Abs2;
32004R0883 Koordinierung Soziale Sicherheit Art65 Abs5 lita;
32004R0883 Koordinierung Soziale Sicherheit Art11 Abs3 lita;
32004R0883 Koordinierung Soziale Sicherheit Art61;
32004R0883 Koordinierung Soziale Sicherheit Art62;
32004R0883 Koordinierung Soziale Sicherheit Art65 Abs2;
32004R0883 Koordinierung Soziale Sicherheit Art65 Abs5 lita;
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Bundesverwaltungsgericht den Bescheid des revisionswerbenden Arbeitsmarktservice (im Folgenden: AMS) vom 11. Februar 2016, mit welchem der Antrag des Mitbeteiligten vom 23. Dezember 2015 auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld wegen Unzuständigkeit des AMS zurückgewiesen worden war, gemäß § 28 Abs. 1 und 5 VwGVG aufgehoben und in der Begründung zum Ausdruck gebracht, dass das AMS über den Antrag nach den österreichischen Rechtsvorschriften zu entscheiden habe.
Der Mitbeteiligte stamme aus Kroatien, wo auch seine Frau und seine drei Kinder in ihrem dortigen Haus (von 150 m2) lebten. In Österreich habe er zuletzt durchgehend vom 9. April 2014 bis 23. Dezember 2015 eine arbeitslosenversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit ausgeübt. (In seinem Vorlageantrag hat der Mitbeteiligte vorgebracht, dass er im Baunebengewerbe arbeite und im Winter kurzfristig mehrmals an- und abgemeldet werde.) Seit dem 23. Juni 2008 sei er mit Unterbrechungen (seit 7. Oktober 2013 durchgehend) mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet. Er bewohne hier ein Zimmer einer aus Vorraum, Wohnküche, zwei Schlafzimmern, Bad und WC bestehenden, 80 m2 großen Wohnung, die er mit drei weiteren Mitbewohnern teile. Ungefähr einmal pro Monat fuhr bzw. fahre er nach Kroatien zu seiner Frau und seinen Kindern. (In seinem Vorlageantrag hat der Mitbeteiligte vorgebracht, dass er sich ca. 25 Tage pro Jahr in Kroatien aufhalte.)
In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, beim Mitbeteiligten handle es sich nicht um einen Grenzgänger iSd Art. 1 lit. f der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 . Sein Wohnort iSd Art. 1 lit. j der genannten Verordnung sei Kroatien. Das AMS habe sich bei der Zurückweisung des Antrages auf Art. 65 Abs. 5 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 gestützt. Diese Bestimmung beziehe sich aber ausschließlich auf "echte" Grenzgänger, während es für "unechte" Grenzgänger eigene Regelungen in der Verordnung gebe. Aus Art. 65 Abs. 2 dritter Satz und Abs. 5 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 sei abzuleiten, dass der "unechte" Grenzgänger nach eigener Entscheidung in den Wohnmitgliedstaat zurückkehren oder im letzten Staat der Erwerbstätigkeit verbleiben könne. Kehre er nicht in den Wohnmitgliedstaat zurück, müsse er sich gemäß Art. 65 Abs. 3 dritter Satz der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 der Arbeitsmarktverwaltung des Beschäftigungsstaates zur Verfügung stellen und erhalte Arbeitslosengeld zu dessen Lasten.Wenn der "unechte" Grenzgänger sich später für die Rückkehr in den Wohnmitgliedstaat entscheiden sollte, so erhalte er gemäß Art. 65 Abs. 5 lit. b zunächst Leistungen nach Art. 64 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 für die Dauer von drei Monaten zu Lasten des Beschäftigungsmitgliedstaates. Der Hinweis des AMS auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Jänner 2015, Zl. 2013/08/0074, sei verfehlt, weil diesem ein "echter" Grenzgänger zu Grunde gelegen sei. Der Mitbeteiligte habe sich für einen Verbleib in Österreich entschieden, sodass er Anspruch auf Leistungen in Österreich habe. Das AMS hätte den Antrag des Mitbeteiligten auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld nicht zurückweisen dürfen.
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision. Der Mitbeteiligte hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Das AMS führt zur Zulässigkeit der Revision aus, Art. 65 Abs. 5 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 sehe vor, dass der Arbeitslose Leistungen nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaates erhalte. Diesbezüglich komme nur Kroatien in Betracht. Das Verwaltungsgericht weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, und zwar "insbesondere zur Auslegung des Art. 65 Abs. 2 dritter Satz der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 , dass der‚unechte Grenzgänger', wenn er nicht in seinen Wohnmitgliedstaat zurückkehrt, sich der Arbeitsmarktverwaltung des Beschäftigungsstaates zur Verfügung zu stellen hat und folglich Arbeitslosengeld zu dessen Lasten erhält". Auf den vorliegenden Sachverhalt hätten jene Grundsätze Anwendung zu finden, die der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 28. Jänner 2015, 2013/08/0074, dargelegt habe. Art. 65 Abs. 2 letzter Satz der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 sei nicht erfüllt, weil dieser voraussetzen würde, dass der Mitbeteiligte zum Zwecke der Beschäftigung in Österreich seinen Wohnort in Kroatien aufgegeben hätte, was hier auf Grund der familiären Bindung zu seinem Heimatstaat Kroatien nicht der Fall sei.
Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 2. Juni 2016, Ra 2016/08/0047, ausgeführt, dass sich ein vollarbeitsloser Nicht-Grenzgänger, der während seiner letzten Beschäftigung in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat gewohnt hat und der (vorerst) nicht in den Wohnmitgliedstaat zurückkehrt, gemäß Art. 65 Abs. 2 dritter Satz der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 (zunächst) der Arbeitsverwaltung des Beschäftigungsmitgliedstaats zur Verfügung stellen und (zunächst) von diesem Leistungen nach den weiteren Regelungen der Art. 61 und 62 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 beziehen kann. Es gibt nach den vom Verwaltungsgericht festgestellten Umständen keinen Hinweis darauf, dass der Mitbeteiligte iSd genannten Erkenntnisses nach Kroatien zurückgekehrt ist.
Der für den Mitbeteiligten zuständige Mitgliedstaat ist gem. Art. 11 Abs. 3 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 der Beschäftigungsmitgliedstaat Österreich. Über seinen Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld hat das in Österreich zuständige AMS nach österreichischen Rechtsvorschriften zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht hat den diesen Antrag zurückweisenden Bescheid des AMS zutreffend aufgehoben.
Die Revision war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 2. Juni 2016
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