Normen
AVG §42 Abs1;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §22 Abs2;
BauO NÖ 1996 §48;
BauO NÖ 1996 §6 Abs1;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauO NÖ 1996 §6;
BauRallg;
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
I.
1 Mit der am 1. Oktober 2014 beim Magistrat der Stadt W (im
Folgenden: Magistrat) eingelangten Eingabe vom 19. September 2014 beantragte die mitbeteiligte Partei die Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage mit Tiefgarage auf einem näher bezeichneten Grundstück.
2 Die gemäß § 22 Abs. 2 NÖ Bauordnung 1996 (im Folgenden:
BauO) unter Hinweis auf die möglichen Präklusionsfolgen von diesem Bauansuchen verständigte Revisionswerberin, die auf dem Nachbargrundstück eine Klavierfabrik betreibt, erhob gegen das Bauvorhaben mit Schriftsatz vom 23. Februar 2015 Einwendungen.
3 Mit Bescheid des Magistrates vom 26. August 2015 wurde
aufgrund der Ergebnisse der am 13. Mai 2015 durchgeführten
Bauverhandlung die beantragte Baubewilligung erteilt.
4 Die von der Revisionswerberin dagegen erhobene Berufung
wurde aufgrund des Beschlusses des Stadtsenates der Stadt W vom
30. November 2015 mit Bescheid vom 4. Dezember 2015 abgewiesen.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde (unter Spruchpunkt
1.) der von der Revisionswerberin gegen den Berufungsbescheid
erhobenen Beschwerde keine Folge gegeben und der Spruch dieses
Bescheides dahin abgeändert, dass die Berufung der
Revisionswerberin gegen den erstinstanzlichen Bescheid als
unzulässig zurückgewiesen wurde, sowie (unter Spruchpunkt 2.) der
Antrag der Revisionswerberin auf Zuerkennung eines Kostenersatzes
als unzulässig zurückgewiesen und (unter Spruchpunkt 3.) eine
ordentliche Revision gegen diese beiden Entscheidungen nicht
zugelassen.
6 Die Revision erklärt, dieses Erkenntnis im Umfang der
Spruchpunkte 1. und 3. anzufechten.
II.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des
Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen
Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht
zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in
nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei
der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Im Rahmen ihrer Zulässigkeitsbegründung bringt die
Revision im Wesentlichen vor, dass das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, wenn es davon spreche, dass nicht vorgebracht worden sei, welche zulässigen Emissionen vom Gewerbebetrieb ausgingen und durch die heranrückende Verbauung unzulässig werden könnten, zwar die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 19. September 2006, Zl. 2005/05/0357) richtig zitiert, jedoch unrichtig angewandt habe. So übersehe das Landesverwaltungsgericht, dass viel mehr als eine unkonkretisierte Einwendung im Hinblick auf Emissionen erhoben sowie unter anderem in der Bauverhandlung am 13. Mai 2015 und in den Einwendungen vom 23. Februar 2015 vorgebracht worden sei, dass Klaviere fabriksmäßig gefertigt würden. Dadurch würden Emissionen, belegt durch die Beilagen ./D und ./F bis ./H (den Einwendungen vom 24. Februar 2015 beigelegt) entstehen, nämlich jene, welche insbesondere aus der Beilage ./F hervorgingen, wie z.B. ein Schalldruckpegel von >=61 dB. Ferner übersehe das Landesverwaltungsgericht, dass das zitierte Erkenntnis keineswegs den Grundsatz der Amtswegigkeit außer Kraft setze und einen Parteienprozess vergleichbar dem Zivilprozess vorsehe. Es sei die materielle Wahrheit zu erforschen, wobei sämtliche Beweise, die wie hier ohnedies beim Akt gelegen seien, zu verwerten seien. Dieser Grundsatz ergebe sich aus § 39 Abs. 2 AVG und dem Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel.
11 Es sei auf die künftige Nutzung und Erwerbsperspektiven,
die eine Ausweitung der Produktion mit sich brächten, und darauf, dass der Maßstab für die Emissionsbeeinträchtigung bei der Widmung Bauland Betriebsgebiet ein anderer sei als bei der Widmung Bauland Kerngebiet, Bezug genommen worden. Die Ortsüblichkeit unterliege einer dynamischen Entwicklung und führe naturgemäß nach Ansiedlung von 291 Haushalten zu einer immer strengeren Beurteilung. Diese resultiere aus dem steigenden Ruhebedürfnis der Wohnbevölkerung an sich und der großen Anzahl von Menschen, die sich voraussichtlich im Bezugsgebiet ansiedeln würden.
12 Die Abweichung von der Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes sei für eine Vielzahl von Beschwerdeführern über den konkreten Einzelfall hinaus von Bedeutung hinsichtlich der Rechtsfragen, inwieweit sie ähnlich wie in einem Zivilprozess ein intensiviertes Vorbringen zu erstattet hätten oder ob von ihnen in einem Verfahren, wo der Grundsatz der Amtswegigkeit und der materiellen Wahrheitsforschung herrsche, Beweise vorgelegt werden müssten sowie vor allem ein Vorbringen wie in einem Zivilprozess erstattet werden müsse oder außer Streit gestellt werden könne; ferner ob "durch einen dynamisierten Emissionsbegriff" im Rahmen des heranrückenden Wohnbaus Fabriks- und Gewerbebetriebe ihre Disposition dahingehend zu ändern hätten, dass "diese in der unmittelbaren Umgebung von Städten ihre Betriebsstätten innerhalb eines Investitionszyklus von Maschinen sukzessive aufgeben müssen".
13 Mit diesem Vorbringen werden keine Rechtsfragen
aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG
grundsätzliche Bedeutung zukäme.
14 Das Verwaltungsgericht hatte seiner Entscheidung die
Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen
Erkenntnisses zugrunde zu legen. Zufolge der zu diesem Zeitpunkt
geltenden NÖ Bauordnung 2014 (vgl. § 70 Abs. 1 leg. cit.) war das
gegenständliche Bauverfahren nach der bisherigen Rechtslage (vor
Inkrafttreten dieses Gesetzes) somit nach der BauO idF LGBl.
8200 23 zu Ende zu führen.
15 Die §§ 6, 22 und 48 BauO lauten (zum Teil auszugsweise)
wie folgt:
"§ 6
Parteien, Nachbarn und Beteiligte
(1) In Baubewilligungsverfahren und baupolizeilichen Verfahren nach § 32, § 33 Abs. 2, § 34 Abs. 4 und § 35 haben Parteistellung:
...
1. die Eigentümer der Grundstücke, die an das Baugrundstück
angrenzen oder von diesem durch dazwischen liegende Grundflächen mit einer Gesamtbreite bis zu 14 m (z.B. schmale Grundstücke, Verkehrsflächen, Gewässer, Grüngürtel) getrennt sind (Nachbarn), und
...
Nachbarn sind nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauvorhaben bzw. das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt sind. Beteiligte sind alle sonstigen Personen, die in ihren Privatrechten oder in ihren Interessen betroffen werden.
(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene
Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976,
LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der
Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die
2. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz
der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4)
sowie
3. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die
sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer
Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben,
gewährleisten und über
4. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die
Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit
diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung
der Hauptfenster (§ 4 Z. 11) der zulässigen (bestehende
bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn
dienen.
..."
"§ 22
Entfall der Bauverhandlung
...
(2) Zur Beschleunigung des Bewilligungsverfahrens darf die
Bauverhandlung entfallen, wenn
o die Baubehörde die Parteien nach § 6 Abs. 1 Z. 3 und 4
(Nachbarn) und § 6 Abs. 3 (Straßenerhalter) von dem Einlangen
eines Antrages nach § 14 unter Angabe von Zeit und Ort für die
Einsichtnahme in den Antrag und seine Beilagen nachweislich
verständigt, und
o gleichzeitig die Parteien aufgefordert werden, eventuelle
Einwendungen gegen das Vorhaben binnen 14 Tagen ab Zustellung der
Verständigung bei der Baubehörde einzubringen, und
o innerhalb dieser Frist keine Einwendungen erhoben werden.
Werden keine Einwendungen erhoben, erlischt die Parteistellung.
..."
"§ 48
Immissionsschutz
(1) Emissionen, die von Bauwerken oder deren Benützung ausgehen,
dürfen
5. das Leben oder die Gesundheit von Menschen nicht gefährden;
6. Menschen durch Lärm, Geruch, Staub, Abgase,
Erschütterungen, Blendung oder Spiegelung nicht örtlich unzumutbar belästigen.
(2) Ob Belästigungen örtlich zumutbar sind, ist nach der für das Baugrundstück im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungsart und der sich daraus ergebenden zulässigen Auswirkung des Bauwerks und dessen Benützung auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen zu beurteilen."
16 Nach ständiger hg. Judikatur (vgl. etwa den Beschluss
vom 24. Mai 2016, Ra 2016/05/0035, mwN) liegt eine Einwendung im Sinne des § 22 Abs. 2 BauO (bzw. des § 42 Abs. 1 AVG) nur dann vor, wenn das Vorbringen wenigstens die Behauptung der Verletzung eines subjektiv öffentlichen Rechts durch das den Gegenstand des Bewilligungsverfahrens bildende Vorhaben erkennen lässt, was bedeutet, dass aus dem Vorbringen des Nachbarn zu erkennen sein muss, in welchem vom Gesetz geschützten Recht er sich durch die beabsichtigte Bauführung als verletzt erachtet. Wird keine solche Einwendung erhoben, verliert der Nachbar seine Parteistellung im Baubewilligungsverfahren (Präklusion). Wenn von einem Nachbarn nur unzulässige Einwendungen erhoben werden worunter vor allem solche Einwendungen zu verstehen sind, mit welchen Rechte geltend gemacht werden, für welche der Partei im Gesetz kein Nachbarrecht zuerkannt worden ist , so kommt es daher zum Verlust der Parteistellung (vgl. zum Ganzen nochmals den zitierten Beschluss, Ra 2016/05/0035, mwN).
17 Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist
die Bestimmung des § 6 Abs. 2 Z 2 iVm § 48 BauO dahin auszulegen, dass diese auch Einwendungen des Betriebsinhabers gegen eine heranrückende Wohnbebauung zulässt (vgl. die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 24. September 2001, B 143/99, SlgNr 16250, und vom 22. September 2003, B 863/01, SlgNr 16934; ferner in diesem Zusammenhang das Erkenntnis vom 27. Februar 2014, G 98/2013, SlgNr 19846).
18 In seinem Erkenntnis vom 15. Dezember 2009, Zl.
2008/05/0143, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf seine Vorjudikatur ausgeführt, dass das Vorbringen eines Betriebsinhabers, mit dem er sich gegen eine heranrückende Wohnbebauung im Hinblick auf die von seinem Betrieb ausgehenden Emissionen wendet, nur dann eine Einwendung im Rechtssinne darstellen kann, wenn dem Vorbringen entnommen werden kann, in welchem durch § 6 BauO geschützten subjektiv öffentlichen Recht er sich als Nachbar verletzt erachtet. Im Sinne dieser Rechtsprechung (vgl. nochmals das Erkenntnis, Zl. 2008/05/0143, mwN) muss der Betriebsinhaber, um eine taugliche Einwendung im Sinne dieser Gesetzesbestimmung zu erheben, vorbringen, welche zulässigen Emissionen von seinem Gewerbebetrieb ausgehen und durch die heranrückende Verbauung unzulässig werden könnten (vgl. in diesem Zusammenhang etwa auch das hg. Erkenntnis vom 27. August 2014, Zl. 2012/05/0027).
19 Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung kann dem
Landesverwaltungsgericht nicht entgegengetreten werden, wenn es die Auffassung vertritt, dass die Revisionswerberin in ihrem Schriftsatz vom 23. Februar 2015 keine (tauglichen) Einwendungen im Rechtssinn erhoben habe. Mit dem Vorbringen, dass sie eine Klavierfabrik und seit mehr als 40 Jahren berechtigterweise unzählige emissions- und gefahrenträchtige Betriebsanlagen betreibe, das Gewerbe in Form eines Industriebetriebes ausübe und durch die sich aufgrund der Nutzung als Wohngebiet ergebende Notwendigkeit der Erteilung immer weitergehender Auflagen in ihrem Erwerb tiefgreifend behindert werden würde, sowie durch ihren bloßen Hinweis auf mit ihren Einwendungen vom 23. Februar 2015 vorgelegte Beilagen (./D sowie ./F bis ./H) wurden von der Revisionswerberin keine tauglichen Einwendungen unter dem Blickwinkel des § 6 Abs. 2 Z 2 iVm § 48 BauO dargelegt. Diese Auffassung des Landesverwaltungsgerichtes steht somit im Einklang mit der hg. Judikatur.
20 Die Revision war daher mangels Geltendmachung einer
Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 13. Dezember 2016
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