VwGH Ro 2016/01/0007

VwGHRo 2016/01/000711.10.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und den Hofrat Dr. Kleiser sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Berger, über die Revision der Steiermärkischen Landesregierung gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 25. April 2016, Zl. LVwG 70.18-1588/2015-11, betreffend Staatsbürgerschaft (mitbeteiligte Partei: A R in N (Kanada), vertreten durch Dr. Christiane Loidl, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Glacisstraße 67), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4 idF 2012/I/051;
VwGG §34 Abs1;
B-VG Art133 Abs4 idF 2012/I/051;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Das Land Steiermark hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Angefochtenes Erkenntnis

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark (Verwaltungsgericht) vom 25. April 2016 wurde gemäß § 42 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) festgestellt, dass der Mitbeteiligte österreichischer Staatsbürger ist (I.). Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt (II.).

2 Begründend stellte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen fest, der Mitbeteiligte sei 1949 als eheliches Kind in Österreich geboren. Seine 1905 bzw. 1910 geborenen Eltern seien österreichische Staatsbürger gewesen. 1952 sei der Mitbeteiligte mit seinen Eltern nach Kanada gereist, wo die Eltern 1953 den Antrag auf Erwerb der kanadischen Staatsbürgerschaft stellten. "Im Antrag" sei auch der damals minderjährige Mitbeteiligte "eingetragen" gewesen. Am 1. Juli 1958 hätten die Eltern des Mitbeteiligten und am 29. Dezember 1958 der Mitbeteiligte selbst die kanadische Staatsbürgerschaft erworben.

3 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, die Frage, ob der Mitbeteiligte die österreichische Staatsbürgerschaft verloren habe, sei nach den staatsbürgerschaftsrechtlichen Vorschriften zu beurteilen, die zum betreffenden Zeitraum in Geltung standen (vorliegend der 29. Dezember 1958). Somit sei § 9 Staatsbürgerschaftsgesetz 1949 (StbG 1949) der Beurteilung zu Grunde zu legen.

4 Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 StbG "1950" (gemeint 1949) habe durch Ausbürgerung die österreichische Staatsbürgerschaft verloren, wer die fremde Staatsbürgerschaft erworben habe. Gemäß § 9 Abs. 2 StbG 1949 habe sich der Verlust der Staatsbürgerschaft auf nicht eigenberechtigte Kinder nur dann erstreckt, wenn sie gleichzeitig die fremde Staatsbürgerschaft erworben hätten. Von einer Gleichzeitigkeit sei im vorliegenden Fall nicht auszugehen, da der Mitbeteiligte die Staatsbürgerschaft erst sechs Monate nach seinen Eltern erhalten habe. Daher habe der Mitbeteiligte die österreichische Staatsbürgerschaft nicht durch Ausbürgerung verloren.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, die vom Verwaltungsgericht gemäß § 30a Abs. 6 VwGG mit der Revisionsbeantwortung des Mitbeteiligten unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurde. Der Mitbeteiligte beantragte Aufwandersatz.

Rechtslage

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

Zur Zulässigkeit

9 Die Revision wurde vom Verwaltungsgericht zugelassen, weil hinsichtlich der Auslegung des § 9 Abs. 2 StbG "1945" (gemeint 1949) keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorhanden sei.

10 Die Amtsrevisionswerberin (belangte Behörde) bringt vor, laut Kommentar zu § 9 Abs. 1 StbG 1949 sei die Frage, ob die Ehefrau oder das noch nicht eigenberechtigte eheliche Kind die Staatsbürgerschaft selbstständig verlieren konnten oder ob dies im Hinblick auf das Prinzip der Familieneinheit nicht möglich sei, strittig.

11 Entgegen diesem Vorbringen ist die aufgeworfene Rechtsfrage durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 9 StbG 1949 bereits beantwortet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 22. Juni 1994, 93/01/0016, festgehalten, dass gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 StbG 1949 die österreichische Staatsbürgerschaft durch Ausbürgerung verlor, wer eine fremde Staatsbürgerschaft erwarb, und sich gemäß § 9 Abs. 2 StbG 1949 der Verlust der Staatsbürgerschaft auch auf die nicht eigenberechtigten Kinder erstreckte, wenn sie gleichzeitig die fremde Staatsangehörigkeit erwarben.

Vom Erfordernis eines solchen gleichzeitigen Erwerbs ist das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall daher zu Recht ausgegangen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 6. Februar 1979, 2468/76, dem zu Grunde lag, dass sich der Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft an die Eltern im Sinne einer Automatik auch auf das minderjährige Kind erstreckte).

12 Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt, wenn die revisionsgegenständliche Regelung bereits außer Kraft getreten ist und es angesichts eines kleinen Kreises potentiell betroffener Personen nicht wahrscheinlich ist, dass noch über eine nennenswerte Anzahl vergleichbarer Fälle zu entscheiden sein wird (vgl. den hg. Beschluss vom 25. November 2015, Ra 2015/16/0115, mwN, sowie den hg. Beschluss vom 24. Juni 2016, Ra 2016/02/0123, mwN).

Weder das Verwaltungsgericht noch die Amtsrevisionswerberin haben dargelegt, dass in der vorliegenden Rechtssache die genannten Voraussetzungen für das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung gegeben seien.

Ergebnis

13 In der Revision werden aus diesen Gründen keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 11. Oktober 2016

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