VwGH Ra 2015/22/0154

VwGHRa 2015/22/015411.2.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Lechner, in der Revisionssache 1. der ***** und 2. des *****, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 24. September 2015, LVwG 26.3-2143/2015-11 und LVwG 27.3-2144/2015-9, jeweils betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Steiermark), den Beschluss gefasst:

Normen

NAG 2005 §2 Abs1 Z10 idF 2013/I/068;
NAG 2005 §46 Abs1 idF 2013/I/068;
NAG 2005 §46;
NAG 2005 §2 Abs1 Z10 idF 2013/I/068;
NAG 2005 §46 Abs1 idF 2013/I/068;
NAG 2005 §46;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Die Erstrevisionswerberin ist die Mutter des minderjährigen Zweitrevisionswerbers; beide sind türkische Staatsangehörige.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 22. Mai 2015 wurden ihre Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" zum Zweck der Familiengemeinschaft mit dem Ehemann bzw. Vater der revisionswerbenden Parteien gemäß §§ 21 und 46 Abs. 1 Z 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet abgewiesen. Begründend führte das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) aus, "(u)nter Zusammenführenden im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 10 NAG (Art. 2 lit. c der RL 2003/86/EG) versteht man eine Person, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und im Besitz eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Aufenthaltstitels mit mindestens einjähriger Gültigkeit ist (§ 8 Abs. 1 Z 1 NAG)." Da der Ehemann bzw. Vater der revisionswerbenden Parteien derzeit keinen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt EU" bzw "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" innehabe und auch kein Asylberechtigter sei, habe keine Interessenabwägung gemäß Art. 8 EMRK stattzufinden. Auf die Frage der Stellung von Erstanträgen im Ausland gemäß § 21 NAG sei nicht mehr näher einzugehen.

Die ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

Im vorliegenden Fall wird unter diesem Bezug ausgeführt, es sei "eine präjudizielle Rechtsfrage, ob ein Zusammenführender vorhanden ist, die von einer anderen Behörde in einem derzeit noch laufenden Verfahren entschieden werden soll". Das Landesverwaltungsgericht hätte diese Entscheidung abzuwarten (und das Verfahren zu unterbrechen) gehabt oder das Aufenthaltsrecht des Zusammenführenden als rechtliche Vorfrage beurteilen müssen, was als Verfahrensfehler gerügt werde. Die Begründung im angefochtenen Erkenntnis, wonach "kein Zusammenführender" vorhanden sei, sei nicht richtig, "weil nach dem NAG ein Zusammenführender ein Drittstaatsangehöriger ist, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder von dem ein Recht im Sinne dieses Bundesgesetzes abgeleitet wird." Der Ehemann bzw. Vater der revisionswerbenden Parteien verfüge über ein Schengenvisum der Schweiz und sei daher rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig gewesen. Er sei somit ein Zusammenführender im Sinn des Gesetzes, sodass die im angefochtenen Erkenntnis dargestellten weiteren Voraussetzungen (Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt- EU", "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" oder Asylberechtigter) nicht erfüllt werden müssten. Auf die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes des Ehemannes bzw. Vaters sei das LVwG trotz des Schengenvisums nicht eingegangen.

Gemäß den Begriffsbestimmungen in § 2 Abs. 1 Z 10 NAG, in der hier anzuwendenden Fassung des BGBl. I Nr. 68/2013, ist ein Zusammenführender ein Drittstaatsangehöriger, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder von dem ein Recht im Sinn dieses Bundesgesetzes abgeleitet wird.

§ 46 Abs. 1 NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013 lautet:

‚Bestimmungen über die Familienzusammenführung

§ 46. (1) Familienangehörigen von Drittstaatsangehörigen ist ein Aufenthaltstitel ‚Rot-Weiß-Rot - Karte plus' zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen, und

1. der Zusammenführende einen Aufenthaltstitel ‚Rot-Weiß-Rot - Karte' gemäß § 41 oder einen Aufenthaltstitel ‚Rot-Weiß-Rot - Karte plus' gemäß § 41a Abs. 1 oder 4 innehat, oder

2. ein Quotenplatz vorhanden ist und der Zusammenführende

  1. a) einen Aufenthaltstitel ‚Daueraufenthalt - EU' innehat,
  2. b) einen Aufenthaltstitel ‚Rot-Weiß-Rot - Karte plus', ausgenommen einen solchen gemäß § 41a Abs. 1 oder 4 innehat, oder

    c) Asylberechtigter ist und § 34 Abs. 2 AsylG 2005 nicht gilt.

(2) ...'

Das LVwG verneinte erkennbar das Vorhandensein eines Zusammenführenden im Sinn des § 46 Abs. 1 NAG, weil der Ehemann bzw. Vater der revisionswerbenden Parteien im Entscheidungszeitpunkt keinen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EU" bzw. "Rot-Weiß-Rot- Karte plus" innehatte und kein Asylberechtigter war. Dem treten die revisionswerbenden Parteien auch nicht entgegen. Ob dem Ehemann bzw. Vater der revisionswerbenden Parteien in Zukunft ein Aufenthaltstitel erteilt werden könnte bzw. erteilt werden wird, ist für die Beurteilung gemäß § 46 Abs. 1 NAG nicht relevant. Die Voraussetzungen für das Aussetzen eines Verfahrens gemäß § 38 AVG liegen somit nicht vor.

Selbst wenn der Ehemann bzw. Vater der revisionswerbenden Parteien über ein Schengenvisum verfügt und sich deshalb rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, erfüllt dies nicht die oben genannten Erteilungsvoraussetzungen des § 46 Abs. 1 NAG. Die allgemein gehaltene Definition des Zusammenführenden in § 2 Abs. 1 Z 10 NAG kann - nach der klaren Rechtslage und entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht - keinesfalls den besonderen Erteilungsvoraussetzungen über die Familienzusammenführung in § 46 leg. cit. derogieren.

In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 11. Februar 2016

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