Normen
AufwandersatzV VwGH 2014;
VwGG §47;
VwGG §48;
VwGG §53 Abs1;
AufwandersatzV VwGH 2014;
VwGG §47;
VwGG §48;
VwGG §53 Abs1;
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seiner Anfechtung (das heißt mit Ausnahme des Spruchpunktes A.IV. betreffend die Zurückweisung der Anträge auf Befreiung von der Eingabengebühr) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Erstrevisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die von den revisionswerbenden Parteien erhobenen Beschwerden gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 2. Dezember 2015, mit denen über sie "gemäß Art. 28 Abs. 1 und Abs. 2 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2a FPG" Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet worden war, gemäß Art. 28 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG ab (Spruchpunkt A.I.). Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm Art. 28 Dublin III-VO und § 76 Abs. 2 Z 2 FPG stellte es fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen (Spruchpunkt A.II.). Mit Spruchpunkt A.III. wies es die Anträge der revisionswerbenden Parteien auf Kostenersatz gemäß § 35 VwGVG ab; mit Spruchpunkt A.IV. wies es die Anträge auf Befreiung von der Eingabengebühr zurück. Mit Spruchpunkt B. erklärte es die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig.
2 Nach Wiedergabe des Verfahrensgangs traf es folgende Feststellungen:
Die Identität der revisionswerbenden Parteien stehe fest; der Drittrevisionswerber sei der Vater der Zweitrevisionswerberin und des Erstrevisionswerbers. Sie seien volljährige syrische Staatsangehörige.
Die revisionswerbenden Parteien hätten im Oktober 2014 ihre Heimat verlassen und seien schließlich (von Marokko kommend) illegal nach Spanien eingereist und von dort im Februar 2015 nach Österreich weitergereist, wo sie am 3. Februar 2015 ihre ersten Anträge auf internationalen Schutz gestellt hätten, die mit Bescheiden des BFA vom 18. April 2015 wegen der Zuständigkeit Spaniens zurückgewiesen worden seien. Unter einem sei gegen die revisionswerbenden Parteien die Anordnung der Außerlandesbringung nach Spanien erlassen worden. Der Bescheid gegenüber der Zweitrevisionswerberin sei in Rechtskraft erwachsen. Die Beschwerden des Erst- und des Drittrevisionswerbers gegen die Bescheide des BFA seien vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnissen vom 18. Juni 2015 als unbegründet abgewiesen worden. Die Erkenntnisse seien durch Hinterlegung im Akt zugestellt worden.
Die revisionswerbenden Parteien seien am 21. Mai 2015 aus ihrem Quartier der Grundversorgung verschwunden. Ihr Aufenthaltsort in Österreich bis 4. September 2015 sei unbekannt. Es könne nicht festgestellt werden, dass die revisionswerbenden Parteien zwischen dem 21. Mai 2015 und dem 4. September 2015 der Anordnung der Außerlandesbringung nachgekommen seien und Österreich verlassen hätten. Sie seien in diesem Zeitraum unbekannten Aufenthalts gewesen. Am 4. September 2015 hätten die revisionswerbenden Parteien jeweils ihren zweiten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich gestellt. Über diese Anträge sei bis dato nicht entschieden worden. Den revisionswerbenden Parteien komme kein faktischer Abschiebeschutz zu. Sie hätten über kein Aufenthaltsrecht in Österreich außerhalb des Asylverfahrens verfügt. Sie hätten keine Anträge auf internationalen Schutz in anderen Staaten gestellt. Spanien habe der Wiederaufnahme der revisionswerbenden Parteien am 13. April 2015 ausdrücklich zugestimmt. Die Zustimmung Spaniens sei weiterhin gültig. Österreich habe Spanien am 25. Juni 2015 das Untertauchen der revisionswerbenden Parteien mitgeteilt; die Überstellungsfrist betrage 18 Monate.
Die revisionswerbenden Parteien seien am 29. September 2015 im Hinblick auf eine für den 2. Oktober 2015 terminierte Überstellung nach Spanien festgenommen worden, am 1. Oktober 2015 aber infolge notwendiger Ermittlungen enthaftet worden. Es könne nicht festgestellt werden, dass sie diesen Abschiebeversuch vereitelt hätten.
Am 30. November 2015 seien die revisionswerbenden Parteien im Hinblick auf die für den 2. Dezember 2015 geplante Überstellung nach Spanien erneut festgenommen worden. Sie hätten die Überstellung mit Hinweis auf ihr Übergepäck, das nicht mittransportiert hätte werden können, verweigert.
Die revisionswerbenden Parteien hätten sich während des ersten Asylverfahrens bis 21. Mai 2015 in Grundversorgung befunden, dann seien sie wegen unbekannten Aufenthalts aus der Grundversorgung abgemeldet worden. Nach der zweiten Asylantragstellung hätten sie sich seit 4. September 2015 wiederum in Grundversorgung befunden. Sie seien am 9. Juni 2015 von ihrem Quartier der Grundversorgung abgemeldet worden und hätten über keinen gemeldeten Hauptwohnsitz in Österreich bis 22. September 2015 verfügt. Am 16. November 2015 seien sie in ein anderes Quartier der Grundversorgung überstellt worden.
Die revisionswerbenden Parteien seien in Österreich nie legal erwerbstätig gewesen und hätten hier im Gegensatz zu Spanien über keine Familienangehörigen verfügt. Sie hätten in ihrem ersten Quartier der Grundversorgung im zweiten Verfahren Deutschkurse besucht und in diesem Rahmen Freundschaften geschlossen. Die revisionswerbenden Parteien seien unbescholten und haftfähig. Sie befänden sich seit 2. Dezember 2015 in Schubhaft, die im PAZ Hernalser Gürtel vollzogen werde.
Die Überstellung nach Spanien sei für den 21. Dezember 2015 terminiert, es lägen alle notwendigen Unterlagen vor.
3 Zum von den revisionswerbenden Parteien behaupteten zumindest dreimonatigen Aufenthalt in Serbien führte das Bundesverwaltungsgericht beweiswürdigend aus, dass ein solcher aus folgenden Gründen nicht festgestellt werden könne: Bei den von den revisionswerbenden Parteien vorgelegten Kopien serbischer Meldebestätigungen handle es sich auf Grund der vom BFA durchgeführten Ermittlungen im Wege der Österreichischen Botschaft in Serbien um die Kopien von "Lugurkunden": Der Formulartyp sei von der ausstellenden Behörde in dem Zeitraum nicht verwendet worden, der zeichnende Beamte sei an dem Tag nicht im Dienst gewesen und die revisionswerbenden Parteien würden nicht in den Bezug habenden Registern aufscheinen. Entgegen dem Vorbringen des Rechtsvertreters im Verfahren räume die Beschwerde die Täuschung der revisionswerbenden Parteien über die behördliche Anmeldung in Serbien ein. Dies bestätigten auch die widersprüchlichen Angaben des Drittrevisionswerbers vor dem BFA, wonach G. (ein Fremder, der ihnen geholfen hätte) ihre Pässe kopiert und sie angemeldet habe, und die seiner Kinder, wonach der Polizist die Pässe kopiert habe, nachdem er sie auf die Wache mitgenommen und dort angemeldet habe.
Widersprüche gebe es auch betreffend die behauptete Rückreise:
Während die Kinder angäben, sie seien über unbekannte Routen gefahren, gebe der Drittrevisionswerber dezidiert an, sie hätten in Budapest Pause gemacht. Widersprüche gebe es übrigens auch betreffend den Aufenthalt vor der ersten Einreise nach Österreich:
Während die Kinder angegeben hätten, die ganze Zeit in Schlepperquartieren gelebt und keine Verwandten in der EU zu haben, habe der Vater angegeben, sie hätten zeitweise bei Verwandten in Granada gelebt.
Es könne schon aus diesem Grund den Beschwerden nicht gefolgt werden, wenn sie an anderer Stelle relevierten, die belangte Behörde habe lediglich auf Grund des Verhaltens des Vermieters den revisionswerbenden Parteien keinen Glauben geschenkt. Vor diesem Hintergrund könne dahin stehen, dass die Beschwerde, soweit sie ausführe, die revisionswerbenden Parteien hätten eine plausible Erklärung für das Verhalten des Vermieters in Serbien abgeben können, nicht die revisionswerbenden Parteien, sondern die Ausführungen des Vertreters in der Einvernahme vor dem BFA zitiere. Dem BFA sei entgegen der Beschwerde zuzustimmen, wenn es ausführe, dass die übrigen (ebenfalls in Kopie) vorgelegten Beweismittel einen dreimonatigen Aufenthalt der revisionswerbenden Parteien in Serbien nicht belegen könnten: Abgesehen von den Zahnarztbefunden sei keine der vorgelegten Rechnungen, Bankbelege oder prepaid-SIM-Karten personalisiert. Allen diesen vorgelegten Unterlagen sei jedoch gemein, dass sie nicht mit dem Vorbringen, die revisionswerbenden Parteien hätten sich die drei Monate in Apatin an der ungarischen Grenze aufgehalten, in Deckung zu bringen seien: Abgesehen von einer Rechnung aus Novi Sad stammten alle Unterlagen aus dem 200 km von Apatin entfernten Belgrad. Dass die revisionswerbenden Parteien in den drei Monaten in Apatin zwölf Mal nach Belgrad und einmal nach Novi Sad gependelt seien, um einzukaufen oder zum Zahnarzt zu gehen, aber nicht eine einzige Rechnung, einen einzigen Bankbeleg oder einen einzigen Befund aus der Stadt, in der sie gelebt hätten, vorlegen könnten, vermöge auch das Bundesverwaltungsgericht nicht zu überzeugen; in der über 15.000 Einwohner zählenden Stadt Apatin sei die diesbezügliche Infrastruktur jedenfalls gegeben gewesen.
Gegen ein Verlassen des Bundesgebietes spreche auch bereits, dass die revisionswerbenden Parteien entgegen der ausdrücklichen Belehrung das ihnen mit dem Bescheid des BFA ausgehändigte Formular zur Bestätigung der Ausreise nicht an Österreich retourniert hätten.
Dem BFA sei beizutreten, wenn es davon ausgehe, dass den Anträgen der revisionswerbenden Parteien auf internationalen Schutz kein faktischer Abschiebeschutz zukomme: Die revisionswerbenden Parteien hätten Folgeanträge nach zurückweisenden Entscheidungen gemäß § 5 AsylG 2005 gestellt und gegen sie sei eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG erlassen worden. Da sie nicht aus Österreich ausgereist seien und die Überstellungsfrist nicht abgelaufen sei, weil Österreich Spanien vom Untertauchen der revisionswerbenden Parteien in Kenntnis gesetzt habe, bestehe die Zuständigkeit Spaniens fort.
4 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht sodann Folgendes aus:
Die revisionswerbenden Parteien hätten alle ihre Anträge auf internationalen Schutz in Österreich nach dem 1. Jänner 2014 gestellt. Sie seien zur Sicherung der Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 FPG nach Spanien in Schubhaft genommen worden; dabei handle es sich um eine Überstellung im Dublin-Verfahren gemäß Art. 29 Dublin III-VO. Art. 28 Dublin III-VO sei daher auf die vorliegenden Sachverhalte anzuwenden.
Österreich habe Spanien am 25. Juni 2015 vom Untertauchen der revisionswerbenden Parteien informiert und die Überstellungsfrist sei auf 18 Monate verlängert worden, daher sei die Überstellungsfrist noch nicht abgelaufen.
Es lägen auch sonst keinerlei Umstände vor, die Zweifel daran aufkommen ließen, dass mit der Überstellung der revisionswerbenden Parteien tatsächlich zu rechnen sei: Spanien habe seine ausdrückliche Zustimmung zur Wiederaufnahme der revisionswerbenden Parteien am 13. April 2015 erteilt. Nach dem ersten Asylverfahren sei keine Überstellung durchgeführt worden, weil die revisionswerbenden Parteien unbekannten Aufenthalts gewesen seien; die Überstellungsversuche am 2. Oktober 2015 und 2. Dezember 2015 seien gescheitert. Die revisionswerbenden Parteien hätten Österreich nicht verlassen. Die Zustimmung Spaniens sei nach wie vor gültig, die Zuständigkeit Spaniens weiterhin aufrecht. Den Folgeanträgen der revisionswerbenden Parteien vom 4. September 2015 komme faktischer Abschiebeschutz nicht zu. Die in Rechtskraft erwachsenen Anordnungen der Außerlandesbringung nach Spanien seien gemäß § 12a Abs. 6 AsylG 2005 weiterhin durchführbar und durchsetzbar.
Das BFA habe die - die Verhängung von Schubhaft rechtfertigende - Fluchtgefahr iSd Art. 2 lit n Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 3 FPG zunächst zutreffend darauf gestützt, dass die revisionswerbenden Parteien am Verfahren nicht mitgewirkt hätten (§ 76 Abs. 3 Z 1 FPG): Das unwahre Vorbringen, die revisionswerbenden Parteien hätten sich über drei Monate außerhalb des Gebietes der Mitgliedstaaten aufgehalten, weshalb die Zuständigkeit Spaniens untergegangen sei, sowie die Vorlage der falschen Meldebestätigungen aus Serbien stellten ein Verhalten dar, das geeignet sei, die Abschiebung zu behindern. Gleiches gelte für die Mitnahme von 15 großen Gepäckstücken (im Depot-Verzeichnis seien noch 20 kleine Gepäckstücke zusätzlich verzeichnet) zur Abschiebung durch die mit den Usancen des Flugverkehrs vertrauten revisionswerbenden Parteien. Von einer bloßen Ausreiseunwilligkeit, die die Verhängung von Schubhaft nicht zu rechtfertigen vermöge, könne daher im Fall der revisionswerbenden Parteien nicht mehr gesprochen werden.
Auch wenn das Beschwerdevorbringen zutreffe, dass die revisionswerbenden Parteien allen Ladungsterminen nachgekommen und während des aktuellen Verfahrens auch nach der ersten Festnahme ins Quartier der Grundversorgung zurückgekehrt seien und sich dem Verfahren nicht entzogen hätten, sei festzustellen, dass ihr Verhalten darauf gerichtet sei, die Rückkehr oder Abschiebung zu umgehen oder zu behindern. Das BFA führe zutreffend aus, dass die revisionswerbenden Parteien während des Beschwerdeverfahrens im ersten Asylverfahren unabgemeldet aus dem Quartier der Grundversorgung verschwunden seien und dadurch eine Vollziehung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme umgangen hätten. Des Weiteren stütze das BFA die Fluchtgefahr auf § 76 Abs. 3 Z 5 FPG, wonach Fluchtgefahr bestehe, wenn gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestanden habe, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befunden habe oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten worden sei. Dass gegen die revisionswerbenden Parteien im Zeitpunkt der zweiten Asylantragstellung eine durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung bestanden habe, sei unzweifelhaft. Das BFA stütze den angefochtenen Bescheid auch auf § 76 Abs. 3 Z 9 FPG, wonach der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit bzw. das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen seien und komme zutreffend zum Ergebnis, dass die revisionswerbenden Parteien weder familiäre Bindungen zu Österreich hätten, noch eine legale Erwerbstätigkeit ausübten oder über einen gesicherten Wohnsitz und Existenzmittel außerhalb der Grundversorgung verfügten. Dem Bescheid stehe die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach den mangelnden Bindungen im Bundesgebiet bei noch nicht lange in Österreich aufhältigen Asylwerbern mit Anspruch auf Grundversorgung kein Gewicht zukomme, nicht entgegen, weil die revisionswerbenden Parteien gegen Ende ihres ersten Asylverfahrens, als die Wahrscheinlichkeit einer Überstellung nach Spanien greifbar geworden sei, die Unterstützung aufgegeben hätten und in die Anonymität untergetaucht seien.
Auf Grund all dieser Erwägungen sei das BFA zutreffend davon ausgegangen, dass im Fall der revisionswerbenden Parteien erhebliche Fluchtgefahr bestanden habe.
In der Folge erörterte das Bundesverwaltungsgericht ausführlich, warum auch nicht mit der Anwendung gelinderer Mittel das Auslangen gefunden werden hätte können. Schließlich bejahte es unter Hinweis auf den in Aussicht genommenen Überstellungstermin die Verhältnismäßigkeit der Dauer der Schubhaft sowie die Haftfähigkeit der revisionswerbenden Parteien.
5 Zum Fortsetzungsausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die Anordnung zur Außerlandesbringung nach Spanien sei weiterhin durchsetzbar und durchführbar, die Überstellungsfrist nicht abgelaufen, und es bestehe weiterhin kein Anhaltspunkt dafür, dass die Abschiebung nicht termingerecht erfolgen würde. Es liege auch weiterhin erhebliche Fluchtgefahr vor; diese gründe sich auch auf die vom BFA nicht ausdrücklich herangezogenen Tatbestände des § 76 Abs. 3 Z 4 FPG, da den Folgeanträgen der revisionswerbenden Parteien faktischer Abschiebeschutz nicht zukomme, und des § 76 Abs. 3 Z 6 FPG, wonach von der Zuständigkeit eines anderen Dublin-Staates zur Führung des Asylverfahrens auszugehen sei.
6 Zum Entfall der mündlichen Verhandlung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG habe eine mündliche Verhandlung unterbleiben können, weil im gegenständlichen Fall der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine. Die Nachfrage an die Grundversorgungsstelle habe unterbleiben können, da nicht in Zweifel gezogen werde, dass die revisionswerbenden Parteien nach der ersten Festnahme am 1. Oktober 2015 wieder in ihr Quartier der Grundversorgung zurückgekehrt seien; das unabgemeldete Verschwinden aus der Grundversorgungsstelle im ersten Asylverfahren hätten umgekehrt auch die revisionswerbenden Parteien nicht in Zweifel gestellt. Die Einvernahme von Zeugen über das Sozialleben der revisionswerbenden Parteien in Österreich habe unterbleiben können, da nicht in Zweifel stehe, dass die revisionswerbenden Parteien in ihrem ersten Quartier der Grundversorgung an Deutschkursen teilgenommen und dort Freunde gefunden hätten, aber einige Wochen vor der zweiten Festnahme in ein Quartier der Grundversorgung in einer anderen Stadt überstellt worden seien. Weiters sei unstrittig, dass die revisionswerbenden Parteien vor der Inschubhaftnahme Grundversorgung bezogen hätten, also zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht auf private Unterstützer angewiesen gewesen seien. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Erhebung dieser Beweise habe daher unterbleiben können. Was die beantragte Einvernahme der revisionswerbenden Parteien in der mündlichen Verhandlung anlange, habe die mündliche Verhandlung auch in dieser Hinsicht unterbleiben können, da der Sachverhalt "auch in dieser Hinsicht" auf Grund der Aktenlage klar sei.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage (eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet) erwogen hat:
8 Die Revision ist zwar nicht ausdrücklich auf bestimmte Spruchpunkte des angefochtenen Erkenntnisses eingeschränkt; in Bezug auf Spruchpunkt A.IV. (Zurückweisung der Anträge auf Befreiung von der Eingabengebühr) enthält sie aber keinerlei Vorbringen, und auch in den Revisionspunkten wird lediglich eine Verletzung der Rechte auf "Nichtanhaltung in Schubhaft", "Nichtfortsetzung der Schubhaft" und "Anwendung gelinderer Mittel" geltend gemacht. Es ist daher davon auszugehen, dass sich die Revision nicht auch gegen den - von den anderen Spruchpunkten trennbaren - Spruchpunkt A.IV. richtet.
9 Als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG machen die revisionswerbenden Parteien unter anderem ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes geltend, weil das Bundesverwaltungsgericht zu Unrecht keine mündliche Verhandlung durchgeführt habe, obwohl in der Beschwerde Tatsachen vorgebracht und Beweisanträge gestellt worden seien, für deren Verifizierung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung Raum gewesen wäre.
Die Revision erweist sich schon aus dem genannten Grund als zulässig und berechtigt.
10 Das Bundesverwaltungsgericht hat das Absehen von der beantragten Verhandlung damit begründet, dass der Sachverhalt gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine.
Dies trifft indes nicht zu:
11 Die revisionswerbenden Parteien hatten im gesamten Verfahren behauptet, sich für mehr als drei Monate in Serbien aufgehalten zu haben, und dazu bereits vor dem BFA Beweismittel (etwa Rechnungen und eine Meldebestätigung) vorgelegt. Die diesbezügliche Beweiswürdigung des BFA in den Schubhaftbescheiden beschränkte sich jedoch auf die Aussage, die revisionswerbenden Parteien hätten keine "authentischen" Beweismittel vorgelegt, die ihren Aufenthalt außerhalb der Mitgliedstaaten für länger als drei Monate belegten. In ihrer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht bestritten die revisionswerbenden Parteien die entsprechenden Feststellungen des BFA substantiiert und beantragten die Durchführung einer mündlichen Verhandlung einschließlich ihrer Einvernahme zum Beweis ihres Aufenthalts in Serbien. Das Bundesverwaltungsgericht selbst hat der Frage dieses Aufenthalts außerhalb des Gebiets der Mitgliedstaaten für die Rechtmäßigkeit der Schubhaft Relevanz zugemessen, und zwar zum einen insoweit, als ein solcher mehr als dreimonatiger Aufenthalt gemäß Art. 19 Abs. 2 Dublin III-VO die (nach Art. 13 Dublin III-VO begründete) Zuständigkeit Spaniens beseitigt hätte (was ungeachtet der noch aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten zu berücksichtigen gewesen wäre); zum anderen begründete das Bundesverwaltungsgericht mit diesen - letztlich als unwahr erachteten - Behauptungen der revisionswerbenden Parteien auch eine mangelnde Mitwirkung am Verfahren im Sinn des § 76 Abs. 3 Z 1 FPG.
12 Dementsprechend nahm das Bundesverwaltungsgericht eine umfangreiche eigene Beweiswürdigung in Bezug auf die strittige Frage des Aufenthalts in Serbien vor. Dies hätte aber am Maßstab des § 21 Abs. 7 BFA-VG nicht ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der Raum für die Erörterung der vorgelegten Beweismittel gewesen wäre und ein persönlicher Eindruck von den revisionswerbenden Parteien hätte gewonnen werden können, erfolgen dürfen.
13 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
14 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 53 Abs. 1 VwGG, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Da in den dort angeführten Pauschalbeträgen die Umsatzsteuer sowie die Kosten für die Einbringung der Revision mittels ERV bereits enthalten sind und der Ersatz eines Streitgenossenzuschlages in den genannten Rechtsvorschriften nicht vorgesehen ist, war das insoweit erhobene Mehrbegehren abzuweisen.
Wien, am 15. September 2016
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